Frauen-Fußball-EM

Tübingen untersagt Public Viewing – doch es gibt Hoffnung

Die Stadt Tübingen steht plötzlich unter Macho-Verdacht, nachdem sie einen Antrag auf Public Viewing zur aktuellen Fußball-EM der Frauen abgelehnt hat.

In England wird mit den Fußballfrauen mitgefiebert.

© Jonathan Brady/PA Wire/dpa

In England wird mit den Fußballfrauen mitgefiebert.

Von Eberhard Wein

Da können Deutschlands Fußball-Frauen so aufopferungsvoll kämpfen und siegen, wie sie wollen: ein gemeinsames Rudelschauen unter freiem Himmel gibt es zur aktuellen Fußball-EM fast nirgendwo. In Tübingen hat ein Gastronom jetzt eine solche Veranstaltung zum Halbfinale am Mittwochabend anmelden wollen und prompt eine Absage kassiert. Für das Aufstellen von Fernsehern und Lautsprechern in seiner Außengastronomie könne keine Sondererlaubnis erteilt werden, hieß es vom Ordnungsamt. Die Lärmbelastung sei den Anwohnern nicht zuzumuten.

Obwohl die örtliche Pressestelle in ihrer Antwort auf die seither eingehenden Presseanfragen das Wort Anwohner tapfer gendert, steht die Stadt nun unter massivem Macho-Verdacht. Denn bei der Männer-EM im vergangenen Jahr war mehreren Gastronomiebetrieben noch anstandslos eine Genehmigung erteilt worden. Damals habe das Turnier aber in Deutschland stattgefunden und sei in der Öffentlichkeit wesentlich präsenter gewesen, erklärte eine Sprecherin.

Dehoga-Chef spricht von Unverschämtheit

Doch diese Begründung provoziert nur noch mehr Entrüstung. Das Public-Viewing-Verbot sei eine „Unverschämtheit“ , sagte der Kreisvorsitzende des Hotelerie- und Gaststättenverbands, Herbert Rösch, gegenüber dem SWR. Die Zahlen bewiesen doch das nötige große Interesse: Das Viertelfinale zwischen Deutschland und Frankreich hätten am vergangenen Samstag (19. Juli) immerhin zehn Millionen Menschen verfolgt.

Dass die Stadt dem Frauensport nicht den nötigen Respekt erweise, will man in Tübingen nicht auf sich sitzen lassen. „Der derzeitige öffentliche Eindruck ist, dass wir bewusst die Ausstrahlung der Frauen-EM in den Kneipen verbieten. Das stimmt nicht“, sagte der Leiter der Fachabteilung Ordnung und Gewerbe, Lukas Haderlein. Die Spiele starteten allerdings sehr spät, erst um 21 Uhr. Mit Verlängerung und Elfmeterschießen könne es bis nach Mitternacht dauern, ehe in der Innenstadt wieder Ruhe einkehre.

Andere Städte sehen es ähnlich

Zudem verweist Haderlein auf die Nachbarstädte. Bei deren Ordnungsämtern habe er sich rückversichert. „Sie teilen unsere Wahrnehmung, dass die Frauen-EM nicht so in der Öffentlichkeit präsent ist, wie die Heim-EM der Männer 2024.“ Damals habe es überall Fähnchen gegeben, aber auch – was für Behörden ohnehin am wichtigsten ist – auch eine offizielle Sonderreglung. Der Bundesgesetzgeber hatte für die Dauer der EM extra die Lärmschutzverordnung für Außengastronomie geändert.

Trotzdem gibt man sich im Tübinger Rathaus angesichts des großen öffentlichen Interesses kompromissbereit. Sollte die deutsche Nationalelf der Frauen ins Finale kommen und sich Gastronomen melden, „werden wir eine Übertragung möglich machen“, sagte Haderlein.

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Erstellt:
23. Juli 2025, 18:04 Uhr

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