Über den Fuß gefahren - Verfahren wird nicht eingestellt

Ein Mann fährt einem Passanten mit dem Auto über den Fuß. Erst erhebt er Einspruch gegen den Strafbefehl. Dann folgt er dem Rat des Richters.

Über den Fuß gefahren - Verfahren wird nicht eingestellt

© Sang Hyun Cho auf Pixabay

Von Hans-Christoph Werner

Backnang. Vor dem Amtsgericht hat sich ein 57-jähriger Mann wegen fahrlässiger Körperverletzung zu verantworten. Er hatte gegen einen an ihn ergangenen Strafbefehl Einspruch eingelegt, offenbar in der Hoffnung, eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen. Die Staatsanwältin sperrte sich gegen solches Ansinnen. Daraufhin nahm der Angeklagte seinen Einspruch zurück.

Dem Fall zugrunde liegt ein Verkehrsunfall im Februar dieses Jahres. Der Autofahrer ist frühmorgens unterwegs zur Arbeit. Aus dem Weissacher Tal kommend muss er nach Großerlach. Irgendwie ist er an jenem Morgen unaufmerksam, konzentriert sich zu sehr auf ein vorausfahrendes Fahrzeug, das in einen Parkplatz einbiegt. Keine 20 Meter weiter quert ein 49-Jähriger mit seinem Hund die Straße auf dem Zebrastreifen. Der Autofahrer übersieht den 49-Jährigen und fährt ihm ungebremst über den Fuß. Der 49-Jährige erleidet einen Bruch des Sprunggelenks. Als Zeuge in der Verhandlung berichtet er, dass er ein halbes Jahr krankgeschrieben war. Bei der Operation wurde eine Metallplatte eingesetzt, die noch in diesem Jahr wieder entfernt werden soll. Sein Gehvermögen sei nicht wiederhergestellt. Konnte er zuvor eine vierstündige Wanderung problemlos bewältigen, so ist für den 49-Jährigen heute nach einer Stunde Schluss. Über 10000 Euro hatte er an Auslagen, was aber die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers trägt. Von seinem Verteidiger angeregt, entschuldigt sich der Angeklagte bei dem Opfer. Dieses nimmt die Entschuldigung an, sagt aber auch, dass diese schon früher hätte kommen können. Obwohl in Kenntnis seiner Adresse habe sich der Autofahrer nie nach dem Befinden des 49-Jährigen erkundigt.

Entzug der Fahrerlaubnis kann der Verteidiger nicht verhindern

Darauf verweisend, dass sein Mandant seine Fahrlässigkeit eingeräumt, zudem sich bei dem 49-Jährigen entschuldigt habe, bringt der Verteidiger des Angeklagten wiederholt die Möglichkeit ins Gespräch, das Gerichtsverfahren gegen eine Geldbuße einzustellen. Insbesondere da ist es ihm darum zu tun, den zweimonatigen Führerscheinentzug für seinen Mandanten zu vermeiden, der mit dem Strafbefehl einhergeht. Sein Mandant, so der Rechtsanwalt, benötige den eigenen Wagen, um vom Wohn- zum Arbeitsort zu kommen.

Der Richter macht sich kurzerhand an die Arbeit, am Computer die Verbindungsdaten der öffentlichen Verkehrsmittel zu eruieren. Etwas mehr als eine Stunde würde die Fahrt in Anspruch nehmen. Mit dem Auto, so vermutet der Richter, ist der Elektroniker auch nur eine Viertelstunde schneller. Der Angeklagte gibt sich jedoch damit nicht zufrieden. Er will auch gleich noch die Verbindungsdaten für den Heimweg wissen. Das ist aber dem Richter zu viel. Schließlich sei er kein Auskunftsbüro. Wieder spricht der Rechtsanwalt von Einstellung.

Da macht die Staatsanwältin unmissverständlich deutlich, dass sie einer Einstellung nicht zustimmen wird. Der Richter regt daraufhin an, doch zu überlegen, den Einspruch gegen den Strafbefehl zurückzunehmen. Angeklagter und Verteidiger beraten sich kurz außerhalb des Gerichtssaals. Und nehmen dann den Einspruch zurück. Entsprechend kurzen Andeutungen in der Verhandlung lautet der Strafbefehl offenbar über 1200 Euro. Damit ist die Gerichtsverhandlung beendet. Zwei Monate lang wird der Angeklagte seine Fahrerlaubnis entbehren. Und den Weg zur Arbeit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewerkstelligen haben.

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Erstellt:
6. Oktober 2021, 11:00 Uhr

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