Umbau und Sanierung werden 1,5 Millionen Euro teurer

Die Stadt Backnang baut in das künftige Verwaltungsgebäude Postgasse 5 keine Erdgas-Brennstoffzelle ein, sondern setzt voll auf Fotovoltaik.

Die Fertigstellung des ersten Bauabschnitts ist für Dezember 2022 geplant. Foto: BKZ

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Die Fertigstellung des ersten Bauabschnitts ist für Dezember 2022 geplant. Foto: BKZ

Von Matthias Nothstein

Backnang. Nicht zuletzt der Krieg in der Ukraine hat auch bei der Backnanger Stadtverwaltung zu einem Umdenken beim Thema Energieversorgung geführt. Konkret geht es um den Umbau des Gebäudes Postgasse 5, in dem künftig die Informations- und Kommunikationstechnik (IuK) untergebracht werden soll. Als der Baubeschluss vor zwei Jahren gefasst wurde, gingen die Verantwortlichen davon aus, dass eine Brennstoffzelle die nötige Energie liefert. Diese sollte mit Erdgas betrieben werden. Nun wurde flugs umgeplant. Einstimmig segnete der Gemeinderat am Donnerstagabend bei seiner Premierensitzung im Technikforum den Richtungswechsel hin zu erneuerbaren Energien inklusive der Installierung einer Luft-Wärme-Pumpe ab. Waren in den ursprünglichen Plänen nur einige wenige Fotovoltaikmodule mit einer Leistung von 10 Kilowatt in der Spitze als Ergänzung vorgesehen, so soll jetzt jede mögliche Fläche des Gebäudes mit solchen Modulen bestückt werden. Die Leistung summiert sich damit auf beachtliche 51 Kilowatt. Zum Vergleich: Damit könnten etwa 20 Haushalte versorgt werden. Die Planer entschieden sich auch deshalb für die Fotovoltaiktechnik und zum Beispiel nicht für eine Pelletsvariante, weil das neue Gebäude nutzungsbedingt einen hohen Strombedarf hat. Die Module sollen über 31 Megawattstunden pro Jahr liefern. Etwa 45 Prozent dieses Stroms sollen selbst genutzt werden, der Rest werde eingespeist. Hochbauamtsleiter Andreas Stier rechnete vor, dass sich die Anlage in 20 Jahren amortisiert hätte.

All die Änderungen gibt es nicht umsonst. Die zusätzlichen Kosten für das geänderte Energiekonzept, die zusätzlichen Baumaßnahmen wie Dämmung und die extreme Baukostensteigerung summieren sich auf 910000 Euro. Zudem bat die Verwaltung auch um den Segen für zusätzliche Maßnahmen am benachbarten Gebäude Marktstraße 29. Dieses wurde kurzfristig in die Planung aufgenommen, um Synergieeffekte beim Umbau generieren zu können. Nur dadurch konnte im Verwaltungsgebäude Postgasse 5 wichtige Infrastruktur geschaffen werden. Etwa Radabstellplätze oder Duschen für Mitarbeiter, die mit dem Rad zur Arbeit kommen. Ein Aspekt, auf den fortschrittliche Firmen immer mehr setzen, so die Verwaltung. Auch barrierefreie Toiletten oder ein Aufzug waren Punkte, die in der neuen Planung berücksichtigt werden mussten. So summierten sich auch diese zusätzlichen Maßnahmen auf 590000 Euro. Insgesamt stiegen die Kosten um 1,5 Millionen Euro auf nun 4,7 Millionen Euro an. Und mehrere Mitglieder der Verwaltung betonten: „Aufgrund der aktuellen Lage sind weitere Kostensteigerungen nicht auszuschließen.“ Oberbürgermeister Maximilian Friedrich verteidigte die Änderungen ohne Wenn und Aber: „Es wäre geradezu fahrlässig gewesen, wenn wir angesichts der aktuellen Lage an dem alten Beschluss festgehalten hätten.“

Die Abkehr vom Gas stieß auch bei sämtlichen Räten auf Gegenliebe. Stier rechtfertigte jedoch die einstige Entscheidung: „Damals war es die richtige Lösung. Nun sind wir eines Besseren belehrt worden.“

Aber Heinz Franke (SPD) warnte: „Wir haben viele Projekte in der Pipeline. Was bedeutet dieses Beispiel, wenn wir jetzt all diese Projekte in dieser Weise energetisch anpassen?“ Friedrich ordnete nochmals ein: „Der Klimaschutz wird uns im ersten Schritt Geld kosten, das ist klar.“ Rolf Hettich (CDU) appellierte angesichts der ständig steigenden Baukosten, alle Projekte zügig durchzuziehen. Und seine Fraktionskollegin Sabine Kutteroff mahnte die Verwaltung, dem Gemeinderat für das vorgelagerte Gebäude (Adlerapotheke) ein Nutzungskonzept vorzulegen, da der Gebäudekomplex künftig eine Einheit bilde könnte.

Pro Jahr werden 49 Tonnen CO2 eingespart

Zeitplan Der Baubeginn erfolgte im Juli 2021. Die Fertigstellung des ersten Bauabschnitts ist für Dezember 2022 geplant. Die Vergabe der Bauleistungen für den zweiten Bauabschnitt (Erdgeschoss Marktstraße 29) soll im Oktober 2022 bis März 2023 erfolgen. Mit der Fertigstellung des zweiten Abschnitts rechnet die Verwaltung im Sommer 2023.

Kosten Die Investitionskosten für die Sanierung Postgasse 5 haben beim Baubeschluss 2020 etwa 3,2 Millionen Euro betragen. Durch das geänderte Energiekonzept und die Baupreisentwicklung kommen nun 910000 Euro dazu. Zudem erfordern zusätzliche Maßnahmen im Gebäude Marktstraße 29 weitere 590000 Euro. Die Kosten steigen daher auf 4,7 Millionen Euro an. Aber die Maßnahme wird über die Städtebauförderung mit 36 Prozent (1,7 Millionen Euro) der anrechenbaren Kosten gefördert.

CO2-Einsparung Mit der alten Planung hätten 25 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden können, nun sind es 49 Tonnen, das entspricht 19000 Kubikmetern Erdgas.

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Erstellt:
14. Mai 2022, 06:00 Uhr

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