Biden feiert Infrastrukturpaket als „gewaltigen Schritt“

dpa Washington. Nach langem Tauziehen hat Joe Biden eines seiner innenpolitischen Kernvorhaben durch den US-Kongress gebracht. Um ein weiteres zentrales Projekt muss der Präsident aber immer noch bangen.

Joe Biden hatte zu seinem Amtsantritt Pläne für billionenschwere Investitionen in die Infrastruktur vorgelegt. Foto: Alex Brandon/AP/dpa

Joe Biden hatte zu seinem Amtsantritt Pläne für billionenschwere Investitionen in die Infrastruktur vorgelegt. Foto: Alex Brandon/AP/dpa

US-Präsident Joe Biden hat die Verabschiedung seines gigantischen Infrastruktur-Investitionsprogramms durch den Kongress als „gewaltigen Schritt nach vorne für die Nation“ begrüßt.

Das nach monatelangem Ringen vom Parlament in Washington beschlossene Programm werde „Millionen Jobs“ schaffen, sagte Biden im Weißen Haus. „Es bringt uns auf den Weg, den wirtschaftlichen Wettbewerb im 21. Jahrhundert mit China und anderen großen Ländern zu gewinnen.“ Er fügte hinzu: „Für alle daheim, die sich in einer Wirtschaft, die sich so schnell verändert, zurückgelassen und vergessen fühlen: Dieses Gesetz ist für euch.“ Biden kündigte an, das Gesetz bald bei einer formellen Zeremonie zu unterzeichnen.

Innenpolitisches Kernvorhaben

Das Infrastrukturprogramm ist eines der innenpolitischen Kernvorhaben Bidens. Das Repräsentantenhaus hatte dem Gesetzespaket in der Nacht zugestimmt - Wochen nach dem Senat, der anderen Kammer im Kongress. Für die Modernisierung der Infrastruktur sind über die nächsten Jahre rund 550 Milliarden US-Dollar (476 Mrd. Euro) an neuen Investitionen vorgesehen. Insgesamt - inklusive schon vorher veranschlagter Mittel - hat das Paket einen Umfang von mehr als einer Billion Dollar. Heftiger Streit unter Bidens Demokraten über ein zweites billionenschweres Gesetzespaket mit Investitionen in Sozialleistungen und Klimaschutz hatte die Infrastrukturpläne lange aufgehalten.

Biden zeigte sich optimistisch, dass auch dieses zweite Paket vom Kongress verabschiedet werden wird. Er sei zuversichtlich, dass ausreichend Stimmen zustande kommen werden, sagte er. Zugleich verteidigte er Kürzungen am ursprünglichen Entwurf, dessen Volumen auf 1,75 statt der anfangs angepeilten 3,5 Billionen US-Dollar zusammengestrichen wurde, um parteiinterne Kritiker zu besänftigen. „Man kann nicht alles haben, was man will“, sagte Biden.

Die Demokraten hoffen, dieses zweite Paket vor dem US-Feiertag Thanksgiving Ende November im Repräsentantenhaus zu verabschieden. Danach müsste aber auch noch der US-Senat zustimmen, wo eine Mehrheit ebenfalls noch nicht als gesichert gilt.

Flügelkämpfe

Eine schwere Niederlage für die Demokraten bei der Gouverneurswahl im US-Staat Virginia vor wenigen Tagen hatte den Druck auf die Partei erhöht, den internen Streit zu überwinden. Selbst Demokraten räumten ein, die Flügelkämpfe zu Bidens Investitionsplänen seien wohl mit ein Grund für das Debakel. Biden sagte am Samstag mit Blick auf die Niederlage, die Menschen erwarteten, „dass wir liefern. Letzte Nacht haben wir bewiesen, dass wir das können.“

Allerdings konnten die Demokraten im Repräsentantenhaus nur mit Unterstützung mehrerer Republikaner eine Mehrheit für das Infrastrukturpaket auf die Beine stellen. Sechs demokratische Abgeordnete stimmten dagegen. Dem nächtlichen Votum gingen am Freitag turbulente Stunden voraus. Über weite Teile des Tages war unklar, ob es überhaupt zu der Abstimmung kommen würde - und bis zur letzten Minute war offen, ob eine Mehrheit für das Paket zustande kommen würde. Biden musste sich bei dem Thema einmal mehr persönlich einschalten, um eine dramatische Schlappe im Kongress abzuwenden.

Die Infrastruktur-Milliarden sollen in den kommenden Jahren für Straßen, Brücken, Häfen, Flughäfen, den Nahverkehr und die Bahn eingesetzt werden. Von einem Teil der Projekte soll auch der Klimaschutz profitieren, dem Biden höchste Priorität einräumt.

In den kommenden Jahren sollen rund 110 Milliarden Dollar in den Ausbau oder die Renovierung von Straßen und Brücken fließen. Rund 39 Milliarden Dollar sind für den öffentlichen Nahverkehr eingeplant, weitere 66 Milliarden Dollar für das Schienennetz. Zudem sind auch Mittel zum Ausbau der Ladestationen für elektrische Autos und für die Förderung elektrischer Busse vorgesehen. Für Häfen und Flughäfen sind zusammen 42 Milliarden Dollar einkalkuliert. Auch der Ausbau von schnellen Internetverbindungen und die Verbesserung der Wasserversorgung, darunter der Austausch aller Bleirohre, sollen mit dem Paket finanziert werden. Rund 65 Milliarden Dollar sollen zudem in die Modernisierung der Strominfrastruktur fließen.

Billionen-Paket

Biden hatte zu seinem Amtsantritt Pläne für billionenschwere Investitionen sowohl in die Infrastruktur als auch in die Sozialsysteme des Landes vorgelegt. Das Infrastrukturpaket hatte im August nach langen Verhandlungen den Senat passiert. Es fehlte aber noch das abschließende Votum im Repräsentantenhaus. Dies verzögerte sich enorm, da Demokraten aus dem linken Parteiflügel die Abstimmung als Druckmittel nutzten in den Verhandlungen über das zweite, noch größere Paket mit Investitionen in Soziales und Klimaschutz, das innerhalb der Partei auf einigen Widerstand traf. Angesichts der sehr knappen Mehrheiten der Demokraten in beiden Kongresskammern ist Biden auf Geschlossenheit in den eigenen Reihen angewiesen, um seine Pläne durchzusetzen. Daran hakte es über Monate.

Das zweite Billionen-Paket sieht einen Ausbau der Sozialleistungen im Land und große Summen für den Kampf gegen die Klimakrise vor - finanziert durch Steuererhöhungen für Konzerne und Spitzenverdiener sowie das konsequentere Eintreiben fälliger Abgaben. Gemäßigte Demokraten hatten wegen der hohen Ausgaben jedoch Bedenken angemeldet und gefordert, das Paket zusammenzustreichen. Demokraten vom linken Flügel, die möglichst große Investitionen in Soziales und Klima durchsetzen wollten, drohten damit, das Infrastrukturpaket zu blockieren, sofern nicht zugleich das größere zweite Paket gesichert sei. Der Patt zwischen den Parteiflügeln zog sich über Monate hin.

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Hat reichlich Grund für gute Laune: US-Präsident Joe Biden freut sich über seinen Coup. Foto: Alex Brandon/AP/dpa

Hat reichlich Grund für gute Laune: US-Präsident Joe Biden freut sich über seinen Coup. Foto: Alex Brandon/AP/dpa

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Erstellt:
6. November 2021, 04:44 Uhr

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