Verlobte geschlagen und Polizisten angepöbelt

Backnanger Amtsgericht verurteilt 26-jährigen Produktionshelfer zu Bewährungsstrafe – Ausweichende Aussagen der Beteiligten

Symbolbild: Fotolia

© Romolo Tavani

Symbolbild: Fotolia

Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Die Anklage lautet auf Körperverletzung und Beleidigung. Die Staatsanwältin trägt die Anklageschrift vor. Bereitwillig gibt der Angeklagte, ein 26-jähriger Produktionshelfer aus Backnang, zu dem Vorfall Auskunft. Schließlich sei er doch dazu vor dem Amtsgericht erschienen.

An einem Oktobertag vergangenen Jahres kommt die Verlobte des Angeklagten, eine 27-jährige Hausfrau, mit ihren Kindern nach Hause. Sie hat eingekauft. Stunden später kommt ihr Verlobter dazu. Er hat den Umweg über eine Kneipe gemacht und sich für den Feierabend in Stimmung getrunken. Als der junge Mann den Einkauf seiner Künftigen prüft, fällt ihm auf, dass nur Bier da ist. Dabei wollte er doch auch... Er stellt sie zur Rede. Aber sie will nicht nochmals los, um seine Wünsche zu erfüllen.

Da gerät er in Rage. Und weil die Zunge durch den Alkoholgenuss gelöst ist, fallen dem jungen Mann nicht nur Koseworte ein, sondern auch ganz andere. „Du Hure, du Schlampe“ muss sie sich anhören. Sie rät ihm, doch besser zu gehen. Er nimmt diesen Vorschlag auf und räsoniert darüber, zu seiner Ex-Freundin nach Aachen zu fahren. Vielleicht war es an dieser Stelle, dass sie ihn provozierte.

Zumindest gibt die Verlobte dies später in der Gerichtsverhandlung an. Aber er zeigt ihr nun, dass er auch anders kann. Erst zieht er sie an den Haaren, dann verpasst er ihr Ohrfeigen. Sie stolpert gegen ein Regal, das daraufhin mit ihr zu Boden geht. Die Auseinandersetzung verlagert sich in einen anderen Teil der Wohnung. Auch dort setzt es Schläge gegen Kopf und Oberkörper der 27-Jährigen. Da greift sie zum Telefon und ruft die Polizei. Während die noch unterwegs ist, macht er sich davon.

Wegen des lauten Geschreis zu Beginn der Auseinandersetzung ist eine Nachbarin herbeigeeilt. Sie ist Zeugin der unschönen Auseinandersetzung und nimmt sich der beiden Kinder des Paars an.

Die Polizeibeamten haben genug von den Unflätigkeiten des Manns

Mit der Polizei trifft auch ein Rettungswagen ein. Die Polizisten nehmen auf, was geschehen ist, die Rettungssanitäter wollen die junge Frau ins Rems-Murr-Klinikum bringen. Da taucht ihr Verlobter auf. Ganz und gar nicht ist er über den zahlreichen Besuch in seiner Wohnung erfreut. Und kommt erneut in Rage. Er schreit, pöbelt die Beamten an, ist davon überzeugt, dass ihm Unrecht geschehe. Um dies zu beweisen, will er alles mit seinem Handy filmen. Aber die Beamten haben genug von seinen Unflätigkeiten, belehren ihn und nehmen ihn in Gewahrsam. Es geht zur Polizeiwache. Im Polizeiwagen, bei der Ankunft im Polizeirevier und beim Einschließen in der Zelle, die für ihn die nächsten Stunden sein Aufenthaltsort sein soll, schreit der Angetrunkene laut herum. Er nennt die Polizeibeamten „Hurenböcke“, „Asoziale“ und „Arschlöcher“. Und weil das noch nicht genug ist, reckt er den rechten Arm in die Luft und schreit: „Heil Hitler!“

Als er nun Monate später vor der Amtsrichterin sitzt, spielt der Angeklagte die Sache herunter. Die Verletzungen seiner Zukünftigen seien „inszeniert“. Die Verlobte des Angeklagten wird in den Zeugenstand gerufen. Und – oh Wunder – sie sagt, dass ihre Verletzungen daher rühren, dass sie an dem Tag im Treppenhaus ausgerutscht und hingefallen sei. Sie habe „geschauspielert, dass er sie geschlagen habe“. Dass sie die Polizei rief, bedeutete, dass sie ihm eins auswischen wollte, da er sich mit dem Gedanken trug, zu seiner Ex-Freundin zu fahren. Merkwürdig, bemerkt die Richterin, sie, die Verlobte, habe doch ihr gegenüber erst vor ein paar Tagen angegeben, dass sie vor ihm Angst habe. Weil sie erneut die Polizei gerufen hatte und scheinbar Tätlichkeiten drohten, war der 26-Jährige in Untersuchungshaft gekommen.

Eine 16-jährige Schülerin, Nachbarin und Zeugin des Geschehens, wird vernommen. Und erneut staunen die Verfahrensbeteiligten. Äußerst wortkarg gibt sich die junge Frau. Als die Richterin ihr die Vernehmung bei der Polizei vorhält, will sie von dem ganzen Geschehen keine Ahnung mehr haben. Sie dreht und windet sich. Erst ganz zum Schluss, als die Staatsanwältin nochmals nachfragt, gibt sie kleinlaut zu, dass ihre Aussage bei der Polizei richtig ist.

Die Richterin führt das Vorstrafenregister des Angeklagten an. Zwölfmal ist er aktenkundig geworden. Darunter waren allein drei Fälle, bei denen er seine Beziehungen zum anderen Geschlecht damit krönte, dass er den ihm ergebenen Frauen Schläge verpasste.

Die Staatsanwältin hält den Tatvorwurf für erwiesen. Denn entgegen den Einlassungen der Betroffenen vor Gericht schenkt sie den Vernehmungsprotokollen der Polizei mehr Glauben. Sie fordert neun Monate auf Bewährung. Nach kurzer Beratungszeit macht die Richterin daraus acht Monate auf Bewährung. Verbunden mit der Bewährungszeit von zwei Jahren. Dazu der Nachweis von fünf Gesprächen bei der Suchtberatung und fünf Terminen bei der Gewaltprävention. Der Haftbefehl des Angeklagten wird aufgehoben. Der Richterin erging es wie der Staatsanwältin: Sie vertraute auf die Richtigkeit der Vernehmungsprotokolle. Die Aussagen der Betroffenen in der Hauptverhandlung waren für sie „Theater“. Und dabei hatte der Berichterstatter dafür nicht mal Eintritt gezahlt.

Zum Artikel

Erstellt:
20. Mai 2019, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Stadt & Kreis

Kaffeebohnen in Backnang von der Rösterei nebenan

Cindy Schubert betreibt das Café Explorer in Backnang. Dort lässt sich nicht nur wunderbar speisen, sondern auch Kaffee kaufen, geröstet von ihrem Mann Christoph Schubert. Die Rösterei in Winnenden-Höfen ist eine von rund 1300 in Deutschland.

Die Mitarbeiter der Stadt sind im Dauereinsatz, um rund um die Container wenigstens das Gröbste aufzuräumen.Archivfoto: Edgar Layher
Top

Stadt & Kreis

Mehr Container in Backnang für Altglas und Papier

Die Zahl der Recyclingcontainer steigt im Backnanger Stadtgebiet auf insgesamt 210. Neue Standorte gibt es im Aurelis-Areal, an der Oberen Bahnhofstraße oder an der Manfred-von-Ardenne-Allee. Gleichzeitig fallen aber intensiv genutzte Standorte weg, etwa beim Wasserturm.