Mehrwegpflicht: verschiedene Lösungen im Rems-Murr-Kreis

Ab 2023 müssen Kundinnen und Kunden bei Essen und Trinken to go Mehrweggeschirr als Auswahlmöglichkeit bekommen. Unternehmen wie Recup bieten ein bundesweites Pfandsystem an, das immer mehr Abnehmer findet. Aber es gibt auch individuelle Lösungen und Ausnahmen.

Linda Maier vom Gasthaus Löwen in Nassach ist begeistert und überzeugt von den Rebowls. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Linda Maier vom Gasthaus Löwen in Nassach ist begeistert und überzeugt von den Rebowls. Foto: Alexander Becher

Von Kristin Doberer

Rems-Murr. Einweggeschirr und To-go-Verpackungen machen in Deutschland laut Bundesumweltministerium im Jahr mehr als 346000 Tonnen Abfall aus. Um diese Menge an Müll einzudämmen, wurde ein neues Verpackungsgesetz verabschiedet. Was beim Plastikbecher für den Coffee to go schon verbreitet ist, kommt nun auch für Kunststoffschalen und Plastikboxen für Speisen zum Mitnehmen: Demnach darf es Essen und Trinken in Gastronomien, Cafés, Bistros und Co. ab 1. Januar 2023 nicht mehr nur allein in Einwegkunststoffverpackungen geben. Stattdessen müssen sie ihren Kundinnen und Kunden eine alternative Mehrwegpackung anbieten.

Verschiedene Größen mit Unterteilungen

Für die betroffenen Unternehmen gibt es verschiedene Möglichkeiten, um damit umzugehen. Eine davon ist es, sich einem bestehenden Mehrwegsystem anzuschließen. Eines der deutschlandweit am meisten verbreiteten bietet die aus München stammende Firma Recup/Rebowl an. Das Gasthaus Löwen in Nassach nutzt das Pfandsystem dieser Firma nun schon seit einiger Zeit. „Ich bin davon total begeistert, die Idee ist wirklich super“, erzählt Linda Maier, die den Löwen gemeinsam mit ihrem Mann Thomas betreibt. „Damit kann man unglaublich viel Müll einsparen.“ Die Bowls in verschiedenen Größen und mit unterschiedlichen Unterteilungen können ihre Gäste für Pfand befüllt mit nach Hause nehmen und entweder beim nächsten Besuch wieder zurückgeben, eine saubere Schüssel wieder auffüllen lassen oder die Rebowl in einem ganz anderen teilnehmenden Betrieb abgeben. „Es ist super, dass man das deutschlandweit abgeben kann. Unsere Gäste kommen ja auch aus dem Kreis Ludwigsburg, aus dem Kreis Heilbronn und dem Kreis Crailsheim“, berichtet Maier.

Die Kosten für die Mehrwegbehälter können eine sinnvolle Investition sein

Die meisten ihrer Gäste nutzen die Mehrwegbehälter, um nicht geschafftes Essen mit nach Hause zu nehmen. Etwa 40 Rebowls seien bei ihr gerade im Umlauf. „Da musste ich sogar schon nachbestellen“, erzählt sie. Viele bringen die Schüsseln zu ihrem nächsten Besuch auch wieder mit, Maier lässt diese mit durch die Spülmaschine laufen und dann kommen sie zurück in den Gebrauch. Jede Tasse von Recup kostet einen Euro Pfandgebühr, jede Bowl fünf Euro. Dazu kommt für die Unternehmen ein monatlicher Nutzungsbetrag zwischen etwa 25 und 45 Euro, je nach Menge des bestellten Geschirrs und nach Vertragslaufzeit. „Natürlich kostet uns das Mehrweg erst mal Geld, aber das ist eine sinnvolle Investition, die längerfristig etwas bringt“, sagt Maier. Auch die Aluschüssel koste sie schließlich Geld. „Und die schmeiße ich nach der Nutzung sofort weg.“ Außerdem ist die Wirtin aus Spiegelberg begeistert von der Zusammenarbeit mit Recup. Benötige sie doch weniger Behälter, könne sie diese einfach wieder zurückgeben und ihr Pfand wiederbekommen. „Auch beschädigte Bowls kann ich einfach einschicken und bekomme dafür Ersatz“, erklärt sie.

Die Informationskampagne läuft fast nur online ab

Das einzige Problem, das sie sieht: Eigentlich komme das Angebot grundsätzlich gut an, doch gerade bei älteren Menschen sei die Mehrwegmöglichkeit noch viel zu unbekannt. Zwar bekomme man als Vertragspartner auch kleine Aufsteller für die Tische, doch laufe die Informationskampagne fast nur online ab. „Das Tolle ist ja, dass man sie bei allen Vertragspartnern wieder abgeben kann. Aber viele ältere Menschen können nicht schnell den QR-Code scannen oder im Internet nachschauen, wer noch dabei ist.“ Sie fände hier eine Liste mit den Vertragspartnern in der Region gut, um diese dann an ihre Gäste weiterzugeben.

Im Löwen hat man sich übrigens nicht aufgrund der Mehrwegpflicht für die Rebowls entschieden, sondern um Müll zu sparen. „Die Menge an Alu und Plastik, die man mit zum Beispiel vier Mahlzeiten produziert, ist einfach wahnsinnig“, so Maier. Sie sei durch eine Informationsveranstaltung des Landratsamts auf die Recups und Rebowls aufmerksam geworden und könne das System nur weiterempfehlen.

Das Landratsamt nämlich versucht seit einiger Zeit, die Unternehmen über die Möglichkeiten des Mehrwegsystems zu informieren. Seit Anfang 2020 arbeiten das Umweltamt und die Abfallwirtschaft Rems-Murr an Überlegungen, wie ein vernünftiges Mehrwegpfandsystem im Bereich Gastronomie für den Kreis aussehen kann, unter anderem, indem es Infoveranstaltungen zu Recup gab – weitere sind im kommenden Jahr geplant. Die drohende Mehrwegpflicht scheint etwas Schwung in die Sache gebracht zu haben. Laut Recup haben sich im Herbst 2022 allein rund 800 zusätzliche Bäckerfilialen in Deutschland für das System von Recup angemeldet. Und auch im Rems-Murr-Kreis sind die Teilnehmerzahlen gestiegen. Waren es im Juli noch etwas über 50 Unternehmen, so sind es mittlerweile laut Recup knapp 100 im Kreis. Während die Rebowls bisher noch seltener sind, gibt es die Recups mittlerweile bei vielen Bäckereien, Imbissen und Tankstellen.

Andere Betriebe setzen auf ganz eigenes Mehrweggeschirr

Wie genau das Mehrwegsystem aussehen wird, das bleibt den Betrieben grundsätzlich selbst überlassen. Manche setzen schon länger auf ein eigenes Geschirr. So gibt es zum Beispiel in den Filialen der Bäckerei Mildenberger eigene Kaffeebecher mit dem Firmenlogo. In der Metzgerei Hinderer in Rudersberg kommen sogar Glasbehälter zum Einsatz.

Und auch die Firma Häußermann Obst und Gemüse setzt bei ihrem Mittagstisch in Backnang schon seit etwa sieben Jahren auf eigenes Mehrweggeschirr aus Hartplastik. Nicht nur der Umwelt zuliebe, sondern „auch der Kosten wegen. Ein weiterer Pluspunkt ist die Kundenbindung“, so Michael Häußermann. Sechs Euro Pfand kostet ein dreigeteilter Menüteller mit Deckel, zwei Euro eine Salatbox. Mittlerweile nutzen das etwa 80 bis 90 Prozent der Kunden. In den Filialen der Metzgerei Kühnle soll es ab 2023 Mehrweggeschirr geben, das vom bisherigen Verpackungshersteller kommt. Je nach Akzeptanz der Kunden könne man das System später auch noch wechseln.

Ausnahmen für kleinere Betriebe

Im Biomarkt Fischermühle in der Backnanger Annonaystraße gibt es das Mittagsgericht schon länger in komplett recycelbaren Behältern ohne Kunststoffbeschichtung, auch wenn die mit 55 Cent teurer sind als handelsübliche Plastik- oder Aluverpackungen. Über ein Mehrwegsystem wie Recup/Rebowl habe man hier zwar auch nachgedacht, heißt es von dem Biomarkt, allerdings vermute man eine zu geringe Nachfrage. „Grundsätzlich ist das eine gute Idee, aber es ist fraglich, ob unsere Kunden dafür extra Pfand zahlen würden. Die Stammkunden essen und trinken ohnehin eher vor Ort“, heißt es. Übrigens: Das Gesetz gilt auch für Fast-Food-Riesen. McDonalds etwa hat ein Mehrwegpfandsystem für Eis und Getränke eingeführt, auf Nachfrage gibt es die Behältnisse für zwei Euro Pfand.

Kleinere Betriebe sind von der Pflicht ausgenommen (siehe Infotext), diese müssen ihren Kunden aber anbieten, das bestellte Essen in selbst mitgebrachte Behältnisse zu füllen. Dabei müssen bestimmte Hygienevorschriften bedacht werden. Und obwohl man im Löwen in Nassach von Rebowl begeistert ist, nutzen einige Gäste auch diese Möglichkeit. „Gerade wenn Leute Essen für mehrere Personen abholen, wollen sie nicht gleich 25 Euro Pfand zahlen“, erklärt Linda Maier. Aber auch mitgebrachten Schüsseln freuen sie, schließlich lasse sich auch so Verpackungsmüll sparen.

Das neue Verpackungsgesetz, die Mehrwegpflicht und Ausnahmen

Mehrwegpflicht Nach dem Verbot von Einwegplastiktüten und der Ausweitung der Pfandpflichten im Jahr 2022 kommt ab dem 1. Januar 2023 eine neue Mehrwegpflicht. Wer dann Speisen und Getränke zum Mitnehmen anbietet, muss für die Einwegbecher und Einwegbehälter aus Kunststoff eine Mehrwegalternative parat haben und auf diese auch ausdrücklich hinweisen. Alternativ sollen Kundinnen und Kunden auch die eigenen Behälter mitbringen können. Wichtig ist nur, dass das Nutzen der Mehrwegoption nicht teurer sein darf als die Einwegoption.

Betroffen An die Verordnung, die im Verpackungsgesetz geregelt ist, müssen sich alle „Letztvertreibenden“ halten. Letztvertreibende sind diejenigen, die befüllte To-go-Verpackungen verkaufen, also in der Regel die Gastronomiebetriebe, wie zum Beispiel Restaurants, Cafés, Bistros, aber auch Kantinen, Tankstellen und Cateringbetriebe. Für Lieferdienste, die unabhängig von einem einzelnen Restaurant agieren, gilt die Pflicht zum Mehrwegangebot nicht.

Ausnahmen Von der Pflicht ausgenommen sind kleinere Geschäfte wie Imbisse, Spätkaufläden und Kioske, in denen insgesamt fünf Beschäftigte oder weniger arbeiten und die eine Ladenfläche von nicht mehr als 80 Quadratmetern haben. Diese Betriebe müssen jedoch ausdrücklich darauf hinweisen, dass ihre Kundinnen und Kunden eigene mitgebrachte Mehrwegbehältnisse befüllen lassen können, zum Beispiel mit einem entsprechenden Schild.

Strafe Die Mehrwegpflicht kann ab Januar durch die Behörden kontrolliert werden. Eine Nichteinhaltung kann mit einem Bußgeld bestraft werden.

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Erstellt:
29. Dezember 2022, 06:00 Uhr

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