Viel Solar: Kommunen schnüren Klimaschutz-Pakete

dpa/lsw Stuttgart. „Klimanotstand“ in Konstanz, ein Sparpaket zum Klimaschutz in Heidelberg, Pläne in Karlsruhe - und nun holt auch Stuttgart zum klimaschützenden Rundumschlag aus. Mit einem millionenschweren Paket will sich die Landeshauptstadt in der Klimadebatte besser aufstellen.

Fritz Kuhn (Grüne), Oberbürgermeister von Stuttgart, spricht während einer Pressekonferenz. Foto: Marijan Murat/Archivbild

Fritz Kuhn (Grüne), Oberbürgermeister von Stuttgart, spricht während einer Pressekonferenz. Foto: Marijan Murat/Archivbild

Grüner soll es werden und leiser, sauberer, nachhaltiger, mehr von diesem und weniger von jenem - getrieben nicht zuletzt auch durch die „Fridays-for-Future“-Bewegung schnüren immer mehr Großstädte in Baden-Württemberg millionenschwere Pakete für den Klimaschutz. Nun will sich auch die Stadt Stuttgart nach dem Willen ihres Oberbürgermeisters besser für die Energie- und Verkehrswende aufstellen.

Das neue 200 Millionen Euro schwere Paket von Rathauschef Fritz Kuhn (Grüne) ergänzt einen schon veröffentlichten „Masterplan“ und greift auch auf Forderungen von Umweltverbänden zurück. Der Gemeinderat der schwäbischen Metropole muss noch darüber entscheiden.

„Die Diskussionen der vergangenen Monate machen deutlich, dass wir zusätzlich etwas machen sollen und wollen“, sagte Kuhn am Donnerstag. Sein „Aktionsprogramm Klimaschutz“ sieht unter anderem Änderungen beim Bau, bei der Stadtbepflanzung, bei der Nutzung des Solarstroms und im Straßenverkehr vor.

Ähnlich wie andere baden-württembergische Kommunen könne Stuttgart eigene Neubauten klimaneutral gestalten, Flachdächer begrünen und die Zuschüsse an den öffentlichen Nahverkehr erhöhen sowie neue Buslinien mit eigenen Fahrspuren einrichten. Die Infrastruktur soll nach Kuhns Wünschen für die Elektro-Mobilität ausgebaut und sogenannte Heizpilze verboten werden, weil die neben Wärme etliche Kilogramm Kohlendioxid (CO2) pro Stunde in die Luft pumpen. „Ich lasse zudem rechtlich prüfen, ob wir eine Solardachpflicht für Neubauten einführen können“, sagte Kuhn.

Ebenfalls geplant: ein höherer Bioanteil in den städtischen Kantinen und in den Schulen sowie ein umgerüsteter städtischer Fuhrpark. Pro Doppelhaushalt sollten zudem 1000 Bäume und 25 Kilometer Hecken gepflanzt werden.

In Stuttgart ist der Klimawandel vor allem im Sommer geradezu körperlich zu spüren: die Stadt kämpft dann mit Hitze und schlechter Luft, wiederholt gibt es Feinstaubalarm im Stuttgarter Kessel. Einen großen Anteil des Energieverbrauchs macht der Verkehr aus.

Ähnliche sichtbare Zeichen für den Klimaschutz haben andere Städte im Südwesten schon gesetzt. In Konstanz und Heidelberg wurde zum Beispiel schon der „Klimanotstand“ ausgerufen, Karlsruhe will sich am 16. Juli entscheiden.

Ähnlich wie Stuttgart sollen auch Konstanzer Neubauten klimaneutral werden. Zudem prüft die Kommune seitdem jede Entscheidung des Gemeinderats auf ihre Klimarelevanz - dies hat Stuttgart ebenfalls vor. Die Anregung für den Beschluss kam von der Klimaschutzbewegung „Fridays for Future“. Der Notstand sei zwar kein Notstand im eigentlich rechtlichen Sinne, erklärte die Gruppe damals. Durch die Ausrufung erkenne der Gemeinderat den Klimawandel aber als akute Bedrohung an und erkläre „die Eindämmung der Klimakrise und ihrer schwerwiegenden Folgen zur Aufgabe von höchster Priorität“. Die Stadt sei auf einem guten Weg, sagten Vertreter der Konstanzer Ortsgruppe kürzlich.

Auch Heidelberg möchte die Emission von klimaschädlichem Kohlendioxid herunterfahren, bis 2050 im Vergleich zu 1990 um 95 Prozent. Schrittweise will die Stadt ihre Energieversorgung auf erneuerbare Quellen umstellen. „Wir haben mit unserer Klimaschutz-Politik bereits vieles erreicht“, sagte Oberbürgermeister Eckart Würzner der dpa. „Von der Reduzierung des CO2-Ausstoßes von über 50 Prozent für kommunale Liegenschaften über den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs bis hin zur Stadt in Baden-Württemberg mit dem höchsten Radverkehrsanteil.“ Das höchste Einsparpotenzial brächten die Bereiche Bauen/Wohnen, die Verkehrswende und die Energieträgerumstellung, sagte der OB.

In Tübingen ist das Thema fast schon ein alter Hut: Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) brachte nach seinem Amtsantritt 2007 die städtische Klimaschutzinitiative „Tübingen macht blau“ auf den Weg. Ihre Etappenziele zur Reduzierung von Treibhausgasen hat die Stadt seither alle erreicht. Die „Fridays for Future“-Bewegung habe aber noch einmal einen Impuls durch alle politischen Gremien hinweg gesetzt, sagte Palmer. Am Montag beschloss der Tübinger Gemeinderat einstimmig, das Programm zu forcieren: Ziel ist ein klimaneutrales Tübingen von 2030 an. Das heißt, die Stadt soll keine energiebedingten Kohlenstoffdioxid-Emissionen mehr verursachen.

Palmer zufolge betrifft das die Bereiche Verkehr, Wärme und Strom. Er selbst will unter anderem den städtischen Busverkehr kostenfrei anbieten. Mittragen sollen das die Autofahrer: Palmer will flächendeckende Parkgebühren von 30 Euro monatlich erheben. Außerdem fordert Palmer eine Photovoltaik-Anlage auf allen Neubauten der Stadt und mehr Holzbauweise. Insgesamt ein kostspieliges Programm: Palmer schätzt, dass die Stadt bis zur Klimaneutralität im kommenden Jahrzehnt eine Milliarde Euro investieren muss.

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Erstellt:
11. Juli 2019, 14:12 Uhr

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