Südwesthandel: Vielen Geschäften droht das Aus

dpa/lsw Stuttgart. Der Handelsverband hat eine Umfrage mit dramatischen Angaben veröffentlicht: Trotz Lockerung der Corona-Maßnahmen berichten viele Händler im Südwesten von ausbleibenden Umsätzen und zurückhaltenden Kunden. Einer großen Anzahl an Geschäften droht demnach das Aus.

Der Handelsverband Baden-Württemberg (HBW) hat seine Mitglieder zur Lage befragt - mit deprimierendem Ergebnis: Viele Geschäfte im Südwesten fürchten wegen der Corona-Krise um ihre Existenz. Davon erfuhr auch Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) am Dienstag aus erster Hand: Bei einem Rundgang in der Stuttgarter Innenstadt mit Besuchen bei Einzelhändlern bekam sie die Sorgen der Menschen zu hören.

In der HBW-Umfrage, die am Dienstag veröffentlicht wurde, stuften knapp 22 Prozent der Händler im Südwesten die Gefahr einer Geschäftsaufgabe als groß oder sehr groß ein. Weitere 26 Prozent bezeichneten sie als mäßig wahrscheinlich. „Das sind katastrophale, höchst besorgniserregende Zahlen, die die Politik aufrütteln müssen“, sagte HBW-Präsident Hermann Hutter.

„Es war der richtige Weg“, verteidigte die Wirtschaftsministerin bei ihrem Besuch des Traditionskaufhauses Breuninger und des alteingesessenen Haushaltswarenfachhändlers Tritschler die harten Corona-Maßnahmen. „Wir müssen unsere Wirtschaft jetzt so unterstützen, dass sie wieder trittfest wird.“

Ein großer Teil der Händler bezeichnet die Einnahmen in der dritten Woche nach Wiedereröffnung als „extrem schlecht“. Die Mehrheit erwirtschafte durchschnittlich nur 20 bis 40 Prozent des Umsatzes des Vorjahreszeitraums, ein Viertel weniger als 20 Prozent. Vor allem in der Textilbranche komme es zu Einbußen, hieß es. Viele Kunden fühlten sich gehemmt beim Einkaufen, weil die Anprobe von Kleidungsstücken erschwert sei und das „Einkaufserlebnis“ ausbleibe.

Tritschler-Geschäftsführer Thomas Breuninger warnte angesichts der vielen Händler in Not: „Wir leiden unter der niedrigen Frequenz. Wir liegen unterhalb der Vorjahresumsätze und kämpfen kräftig“, sagte er. Seinem Laden aber gehe es noch gut - bei Tritschler sind vor allem Haushaltsartikel erhältlich, und diese Produkte seien gefragt, weil viele Menschen zu Hause blieben.

Das fehlende Einkaufserlebnis und die dadurch ausbleibenden Kunden führen viele Händler auch auf die Maskenpflicht zurück. Die Kunden hielten sich deutlich kürzer im Geschäft auf, es gebe kaum Spontankäufe. „Zahlreiche Kunden - vor allem ältere und Brillenträger - fühlen sich durch die Gesichtsmaske extrem gestört oder bekommen Atemnot“, heißt es bei den Einzelhändlern. Insgesamt aber hielten sich die Kunden an die Vorgabe der Landesregierung: Gut 77 Prozent der Händler gaben bei der Umfrage des HBW an, dass die Kunden verständnisvoll seien und sich an die Maskenpflicht hielten.

Auch die Beschäftigten klagten häufig über die Masken. „Für Mitarbeiter ist die Maske eine große Belastung“, sagte Hutter. In anderen Bundesländern dürften Mitarbeiter teilweise auf die Masken verzichten und nur Kunden müssten Mund und Nase bedecken. Das sei auch eine Idee für Baden-Württemberg. Laut Wirtschaftsministerin sind die Beschwerden nachvollziehbar. „Dennoch bitte ich alle Betriebe und Beschäftigten, durchzuhalten“, sagte sie. Denn: „Nur so können erneute Beschränkungen verhindert werden.“

Dass die Branche insgesamt zusätzlich Hilfe braucht, steht nach Ansicht der Händler außer Frage. „Nach äußerst bitteren Wochen mit geschlossenen Ladenflächen gelten für den Handel immer noch massive Einschränkungen“, sagte Holger Blecker, Chef des Kaufhauses Breuninger. Was die Betroffenen und ihre zahlreichen Angestellten brauchten, sei ein konkretes Maßnahmenprogramm, das ankomme und die Händlervielfalt und Arbeitsplätze in den Innenstädten erhalten könne. „Das sollten konkrete Förderprogramme oder Steuererleichterungen sein sowie eine Diskussion über flexiblere Öffnungszeiten“, sagte Becker.

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Erstellt:
12. Mai 2020, 16:09 Uhr

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