Von der Metzgerei auf die Kanzel

Am Sonntag tritt der neue Backnanger Dekan Rainer Köpf sein Amt an. Der 59-Jährige, der zuletzt Pfarrer in Weinstadt-Beutelsbach war, stammt aus einer Handwerkerfamilie. Die Bodenständigkeit hat er sich bis heute bewahrt.

Rainer Köpf an seiner alten Wirkungsstätte in der Beutelsbacher Stiftskirche. In der Remstalgemeinde hat der Pfarrer bleibende Spuren hinterlassen, zum Beispiel einen biblischen Weinwanderweg mit 20 Stationen. Foto: Gabriel Habermann

© Gabriel Habermann

Rainer Köpf an seiner alten Wirkungsstätte in der Beutelsbacher Stiftskirche. In der Remstalgemeinde hat der Pfarrer bleibende Spuren hinterlassen, zum Beispiel einen biblischen Weinwanderweg mit 20 Stationen. Foto: Gabriel Habermann

Von Kornelius Fritz

Backnang. Seinen Abschied hat Rainer Köpf vor drei Wochen in der Beutelsbacher Stiftskirche gefeiert, sein Neustart beginnt diesen Sonntag in der Backnanger Stiftskirche. Der Name der Kirche bleibt also gleich, ansonsten ist der Wechsel vom Rems- ins Murrtal für den 59-Jährigen aber mit großen Veränderungen verbunden. War er als geschäftsführender Pfarrer in Weinstadt bisher nur für seine eigene Gemeinde zuständig, trägt Köpf als Dekan nun die Verantwortung für 22 Gemeinden im Evangelischen Kirchenbezirk Backnang. Und das in einer Zeit, in der sinkende Mitgliederzahlen die Kirche zum Sparen zwingen. Bis 2030 soll in Württemberg jede vierte Pfarrstelle wegfallen, auch Kirchengebäude und andere Immobilien stehen zur Disposition. Die Aufgaben, die den neuen Dekan erwarten, klingen nicht nach purem Vergnügen.

Trotzdem wirkt Rainer Köpf kein bisschen pessimistisch, wenn er über seine künftige Arbeit spricht. „Wir Christen werden zwar weniger, aber unsere Botschaft wird dadurch nicht kleiner“, sagt der 59-Jährige. Außerdem biete jede Veränderung auch Chancen, Dinge neu anzugehen. Braucht wirklich jede Gemeinde ihre eigene Jungschar und einen eigenen Seniorenkreis oder könnte man auch Angebote zusammenfassen? Und gibt es nicht Aufgaben, die Diakone oder Ehrenamtliche genauso gut erledigen können wie eine Pfarrerin?

30 Jahre „Dorfpfarrer“ aus Überzeugung

Als Dekan will Rainer Köpf Strukturen schaffen, die ein lebendiges Gemeindeleben auch in einer schrumpfenden Kirche möglich machen. Als positives Beispiel nennt er die Erfahrungen, die er während eines Weiterbildungssemesters in Greifswald gesammelt hat. In der Plattenbausiedlung, in der er dort wohnte, seien nur acht Prozent der Bewohner evangelisch gewesen. „Trotzdem habe ich dort ein ganz aktives Gemeindeleben erlebt.“ Seine Rolle als Dekan sieht er deshalb nicht darin, die Kirche abzuwickeln, sondern sie neu zu gestalten. „Dabei möchte ich auch Mutmacher sein.“

Der Nachfolger von Wilfried Braun bezeichnet sich selbst als Anhänger einer „seelsorgerlichen Kirche, die nicht zu jedem politischen Thema etwas sagen muss“. Köpf selbst ist aber dem konservativen Kirchenlager zuzurechnen, was sich auch daran zeigt, dass er für die pietistische geprägte „Lebendige Gemeinde“ in der Landessynode sitzt. Mit der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare hat er deshalb etwa seine Probleme: „Ich selbst würde es nicht tun, weil ich dafür kein Mandat sehe“, sagt er. Mit dem gefundenen Kompromiss, dass die Gemeinden vor Ort selbst darüber entscheiden dürfen, könne er aber leben.

Der neue Dekan spielt Klavier, Orgel und Trompete

Der Beruf des Pfarrers wurde Rainer Köpf nicht in die Wiege gelegt. Seine Eltern besaßen eine Metzgerei in Marbach am Neckar, die der Sohn übernehmen sollte. „Ich bin in der Dialektik zwischen Geist und Fleisch aufgewachsen“, sagt er schmunzelnd. Über die Kinderkirche und seine Liebe zur Musik – Köpf spielt Klavier, Orgel und Trompete – kam er als Jugendlicher in Kontakt mit einem sehr engagierten Gemeindepfarrer. Als dieser ihn fragte, ob das nicht auch ein Beruf für ihn wäre, entschied sich der junge Rainer gegen die Metzgerei und für ein Theologiestudium in Tübingen – zur großen Enttäuschung seines Vaters.

Bis heute ist Rainer Köpf überzeugt, dass es die richtige Entscheidung war: „Pfarrer ist der schönste Beruf, den es gibt“, findet er. Die Bodenständigkeit des Metzgersohns hat er sich aber bewahrt: „Ich kann mit den normalen Leuten schwätzen“, sagt er. Das Adjektiv „volkstümlich“ hat für ihn ebensowenig einen negativen Klang wie die Bezeichnung „Dorfpfarrer“, mit der er sein bisheriges Wirken beschreibt. 16 Jahre lang war Rainer Köpf im hohenlohischen Satteldorf tätig, zuletzt 13 Jahre im ebenfalls recht ländlichen Beutelsbach.

Sein Ziel war bei diesen Stationen immer, die Kirche als festen Bestandteil im Ortsleben zu verankern. Als Pfarrer war es für ihn deshalb nicht nur selbstverständlich, dass er sich bei Vereinsfesten und Hocketsen blicken ließ, sondern er trug auch selbst aktiv zur Dorfgemeinschaft bei.

Der halbe Ort spielte bei seinem Theaterstück mit

So verfasste er in Beutelsbach zum 500-Jahr-Jubiläum des Bauernaufstands „Armer Konrad“ ein schwäbisches Theaterstück, bei dem der halbe Ort mitspielte. Außerdem initiierte er einen biblischen Weinwanderweg, der in 20 Stationen durch den Ort und die Weinberge führt. Finanziert wurde das Projekt ausschließlich mit Spenden und ohne einen Euro Kirchensteuer, wie Rainer Köpf stolz betont. Auch als Reiseleiter ist der Theologe immer wieder im Einsatz: Für seine Gemeinden, aber auch für die Leserschaft des Evangelischen Gemeindeblatts hat er schon Reisen nach England und Amerika organisiert. Immer wieder zieht es ihn auch in den Osten Deutschlands auf den Spuren von Paul Gerhardt.

Über den Dichter vieler bekannter Kirchenlieder hat der Pfarrer auch schon ein Buch geschrieben, ein weiteres über den Reformator Martin Luther. Aber es gibt von ihm nicht nur Theologisches zu lesen. Zusammen mit seiner Frau Mechtild hat Rainer Köpf ein Büchlein mit „Kochrezepten aus dem Beutelsbacher Pfarrhaus“ herausgegeben. Auch das passt für ihn durchaus zum Auftrag eines Pfarrers, denn Gottes gute Gaben dürfe man ruhig genießen.

Investitur Der Festgottesdienst zur Investitur von Dekan Rainer Köpf findet am Sonntag, 12. November, um 14.30 Uhr in der Backnanger Stiftskirche statt. Im Anschluss an den Gottesdienst gibt es in der Kirche einen Stehempfang mit Grußworten.

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Erstellt:
9. November 2023, 06:00 Uhr

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