Von der Vielfalt der Aufgaben fasziniert

Der Jurist Peter Zaar ist seit Juli Erster Landesbeamter im Rems-Murr-Kreis – Schon seit 2013 im Landratsamt tätig

Der Mann hatte schon allerhand gesehen, ehe er im Rems-Murr-Kreis angekommen ist: Karlsruhe, Konstanz, Heidelberg, Berlin, Stuttgart – Uni, Promotion, Bundes- und Landtag, Regierungspräsidium. Und nach mehreren Jahren als Dezernent im Landratsamt jetzt Erster Landesbeamter im Kreis. Peter Zaar sieht sich aber nicht als typischen Beamten: Ihn fasziniert die Aufgabenvielfalt.

Hat die Luft im Bundestag und im Landtag geschnuppert und fühlt sich im Rems-Murr-Kreis und in Backnang wohl: Peter Zaar. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Hat die Luft im Bundestag und im Landtag geschnuppert und fühlt sich im Rems-Murr-Kreis und in Backnang wohl: Peter Zaar. Foto: J. Fiedler

Von Armin Fechter

BACKNANG/WAIBLINGEN. Von der Unterwasserarchäologie im Bodensee bis zur Einschulungsuntersuchung reichen die Themen, mit denen sich Peter Zaar schon befassen musste. Mal als Leiter der Pressestelle im Regierungspräsidium Stuttgart, mal als Dezernent im Landratsamt, der unter anderem für den Bereich Gesundheit verantwortlich ist. „Den Menschen ist oft nicht bewusst, wie viel Arbeitskraft dahintersteckt, einen reibungslosen Tagesablauf zu gewährleisten“, macht er deutlich. Alle Themen seien spannend, wenn man sich erst einmal eingehend damit befasst, findet Zaar und verweist auf den öffentlichen Personennahverkehr: Der Fahrgast löst ein Ticket und erwartet, dass der Bus fährt. Aber damit das funktioniert, müssen überhaupt erst die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen werden, von den Finanzen ganz zu schweigen: „Es ist eine wirkliche Herausforderung, die Leistung auf die Straße zu bringen.“

Der gebürtige Karlsruher hat eine glänzende Karriere hingelegt: Er besuchte die Europäische Schule in der badischen Metropole und legte nach zwölf Jahren das Abitur ab. Dass es ein 1,1er-Abi war, verrät er erst auf Nachfrage. Danach studierte er an der Uni Konstanz Rechtswissenschaften und schien damit in die Fußstapfen seines Vaters – ebenfalls Jurist – treten zu wollen. Später schlug er jedoch das Angebot, in dessen Kanzlei einzutreten, aus. „Das ganze Leben das Gleiche zu tun – der Gedanke hat mich immer erschreckt“, erklärt er.

Sozialer Auslandsdienst als Beitrag zum Zusammenwachsen Europas

Nach dem Ersten Staatsexamen rief ihn die Dienstpflicht. Diese erfüllte er in Form eines Friedensdienstes im südfranzösischen Sète, nahe Montpellier, wo er in einem Familienzentrum 16 Monate lang mal Kinder, mal Senioren zu betreuen hatte und ganz nebenbei sein Französisch aufpolieren konnte. „Ich bin ein glühender Europäer“, bekennt Zaar, im Rückblick glücklich darüber, dass er mit seinem Dienst einen Beitrag zum Zusammenwachsen Europas leisten konnte.

In Heidelberg absolvierte er dann den juristischen Vorbereitungsdienst und legte das Zweite Staatsexamen ab, um anschließend nach Berlin zu gehen und an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel die Promotion abzulegen. Das Thema war im Verfassungsrecht angesiedelt, aber es berührte auch andere wissenschaftliche Disziplinen bis hin zur Theologie: Es ging um die Frage, wann die im Artikel 1 des Grundgesetzes festgeschriebene Menschenwürde beginnt – bei der Befruchtung oder bei der Geburt.

Parallel zur Doktorarbeit war Zaar als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Bundestag tätig. Sein Aufgabengebiet: Rechts-, Innen- und Europapolitik. Dieses Engagement fiel in aufregende Zeiten: Bundestag und Regierung waren eben erst nach Berlin umgezogen. Vieles befand sich noch im Aufbau. In dieser Zeit konnte er unter anderem Klaus Kinkel zuarbeiten, dem ehemaligen deutschen Außenminister. 2004 zog es den Badener aber zurück ins Ländle, wo er für die FDP/DVP-Landtagsfraktion in den Bereichen Wirtschaft, Soziales und Gesundheit sowie Entwicklungszusammenarbeit tätig wurde.

Vom Landtag wechselte er fünf Jahre später ans Regierungspräsidium. Dort erwartete ihn als Pressesprecher die gesamte inhaltliche Palette aller neun Abteilungen – von Bildung bis zu Verkehr und S21. „Das war Learning by Doing“, blickt Zaar auf die für ihn damals völlig neue Aufgabenstellung zurück – „Lernen durch Handeln“. Viereinhalb Jahre später kam der Moment, in dem er sah, dass im Rems-Murr-Kreis eine interessante Stelle frei wurde: Richard Sigel, damals noch Dezernent im Landratsamt für Recht und Ordnung, wechselte nach Böblingen.

Zaar bewarb sich 2013 erfolgreich um die Nachfolge und war dann auch für den öffentlichen Personennahverkehr, das Veterinäramt, die Lebensmittelüberwachung und das Justiziariat des Landkreises verantwortlich. Mit Sigels Rückkehr in den Rems-Murr-Kreis, nun als Landrat, änderten sich die Aufgaben und der Zuschnitt der Dezernate. Zaar wurde nun Leiter des Technischen Dezernats, zu dem unter anderem Umwelt und Straßenbau, aber auch nach wie vor der ÖPNV gehörten. Dann, nach einer erneuten Umstellung im Frühjahr dieses Jahres, wurde er Dezernent für Ordnung, ÖPNV und Gesundheit und seit 15. Juli zusätzlich Erster Landesbeamter. Den Wechsel von Stuttgart nach Waiblingen hat der Jurist nicht bereut. Im Gegenteil: „Ich fühle mich besonders wohl im Landratsamt. Es hat mich nicht weitergezogen.“ Und mittlerweile verbindet ihn, obwohl er in Stuttgart heimisch geworden ist, vieles mit den Örtlichkeiten zwischen Rems und Murr. Wenn er etwa die vielen BK-Kennzeichen in der Stadt sieht, denkt er mit Genugtuung daran zurück, dass deren (Wieder-)Einführung eine seiner ersten Taten im Kreis war.

Auch viele andere Aufgaben galt es für ihn in den letzten sechs Jahren zu bewältigen, beispielsweise im Zusammenhang mit der Remstal-Gartenschau. Rund 100 genehmigungsrechtliche Entscheidungen waren im Vorfeld zu treffen, und keine wurde beanstandet, sagt er mit Stolz – obwohl das Gesamtprojekt durchaus die Bevölkerung polarisiert habe.

„Schläge von allen Seiten – dann hat man die Mitte ganz gut getroffen“

Kontrovers diskutiert wurde allerorten auch das Thema Windkraft, bei dem das Landratsamt teils von Befürwortern, teils von Gegnern Kritik einstecken musste. Zaar bleibt gelassen: „Wenn man die Schläge von allen Seiten bekommt, hat man die Mitte ganz gut getroffen.“

Ein großer Erfolg sei die VVS-Tarifzonenreform, an deren Zustandekommen er beteiligt war: „Ganz, ganz dicke Bretter“ habe man da bohren müssen. Auch die Neuausrichtung der Angebote im Busverkehr trägt Zaars Handschrift. Bezüglich der Situation in und um Backnang sei, so kündigt er an, für Anfang September ein Termin anvisiert, um noch bestehende Probleme aufzuarbeiten und zu prüfen, wo Verbesserungen möglich sind. Schwierigkeiten bereite derzeit die Ausschreibung von Ruftaxi-Leistungen: Das Interesse der Betreiber sei gering, weil den hohen Vorhaltekosten geringe Erlöse gegenüberstehen.

Eine Erfahrung macht der 44-Jährige bei alledem immer wieder: „Die Ereignisse bestimmen unsere Tätigkeit.“ Das sagt er im Rückblick auf die Flüchtlingskrise, zu deren Bewältigung er als stellvertretender Leiter des Koordinierungsstabs im Landratsamt beitrug, aber auch im Blick auf die Insolvenz des Schorndorfer Busunternehmens Knauss, das im Auftrag des Landkreises im Raum Schorndorf den Linienverkehr betreibt.

Gleichzeitig macht Zaar deutlich, dass viele weitere Aufgaben in der Kreisverwaltung anstehen. Themen wie Mobilität und Klimawandel werden den Landkreis weiter beschäftigen, auch die Verwaltungsmodernisierung und Digitalisierung, die den Bürgern Behördengänge ersparen soll, die aber in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt. Und schließlich werde die Haushaltskonsolidierung ein Dauerbrenner bleiben. Im Moment sei zwar Geld da. Aber es gibt Anzeichen für eine Konjunkturschwäche, und die schlägt über kurz oder lang auf die öffentlichen Haushalte durch.

Und was macht Peter Zaar, wenn er mal nicht amtet? Einen Ausgleich sucht und findet der passionierte Läufer in der Natur, und als leidenschaftlicher Europäer zieht es ihn im Urlaub „jedes Jahr in eine andere Stadt“. Heuer hat er Marseille besucht, in den vergangenen Jahren waren es auch schon Bari und Valencia.

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Erstellt:
3. September 2019, 06:00 Uhr

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