Vor der Stichwahl schlagen in Großerlach die Wellen hoch

Am Sonntag steht in Großerlach die Stichwahl für das Bürgermeisteramt an. Auf dem Wahlzettel werden Kevin Dispan und Melih Göksu stehen, der seinen Wahlkampf aber vor der Stichwahl einstellte. Doch Gerüchte und Anschuldigungen sorgen für eine angespannte Stimmung im Ort.

Kevin Dispan (Mitte) spricht mit Bürgerinnen und Bürgern in Grab – Gerüchte über eine AfD-nahe Haltung sind auch Thema. Fotos: Tobias Sellmaier.

© Tobias Sellmaier

Kevin Dispan (Mitte) spricht mit Bürgerinnen und Bürgern in Grab – Gerüchte über eine AfD-nahe Haltung sind auch Thema. Fotos: Tobias Sellmaier.

Von Kristin Doberer

Großerlach. Die vergangenen Wochen und Monate waren ein ziemliches Auf und Ab für die Großerlacher. Lange sah es so aus, als ob sich niemand für den Posten des Bürgermeisters bewerben würde, dann standen doch gleich sechs Personen auf dem Wahlzettel – auch wenn zwei von ihnen noch vor dem ersten Wahlgang zurückgezogen hatten. Und im ersten Wahlgang schrammte Kevin Dispan nur um wenige Stimmen an der absoluten Mehrheit vorbei, was nun die Stichwahl am kommenden Sonntag zur Folge hat.

„Über das Ergebnis habe ich mich natürlich gefreut“, so der Kandidat. Auf seinen 49,5 Prozent möchte sich Dispan aber nicht ausruhen – mit Infoständen ist er vor der Stichwahl weiter in einigen Teilorten der Gemeinde präsent, so zum Beispiel am Sonntag in Grab. Beim ersten Wahlgang war das der einzige Wahlbezirk, in dem er weniger Stimmen als Melih Göksu erhalten hatte. Der Infostand ist trotz trüben Wetters sehr gut besucht. Manche Bürgerinnen und Bürger können sich erst jetzt richtig mit der Wahl auseinandersetzen, andere waren zwar bei den Podiumsdiskussionen, wollen den Kandidaten aber auch „einfach noch persönlich treffen“, berichten die Besucher des Infostands. Wieder andere sind da, weil ihnen etwas auf dem Herzen liegt: Von der Kinderbetreuung über die Infrastruktur bis zur Kläranlage wird über die kommunalpolitischen Themen gesprochen.

Doch auch die zahlreichen Anschuldigungen und Gerüchte, die seit dem Wahlabend durch das Dorf schwirren – und sich gegen beide Kandidaten richten –, werden wiederholt angesprochen. Besonders ein Gerücht beschäftigt einige Graber an diesem Sonntag. „Wir haben gehört, Sie seien ein Kandidat der AfD, stimmt das?“, will ein Bürger ganz direkt wissen. Dispan verneint vehement: „Von der AfD möchte ich mich klar distanzieren“, erwidert er, er sehe sich weit entfernt von der Partei am rechten Rand. „Ich stehe für christliche, demokratische und liberale Werte ein.“ Eine andere Bürgerin verweist auf die Bundestagswahl 2021, bei welcher die AfD in Großerlach über 20 Prozent erreichen konnte. „Aber nur weil ich von diesen Wählern eine Stimme bekommen habe, heißt das ja nicht, dass ich denen angehöre“, sagt Dispan. Ihm sei klar, dass man als Bürgermeister ein dickes Fell haben muss. Doch angesichts dieses Gerüchts „war ich schon sehr erschrocken und auch verletzt“, sagt er. Gleichzeitig ist er froh, wenn die Leute direkt mit ihm über solche Dinge sprechen. „Kommunikation ist für mich das A und O. Es ist wichtig, dass man über diese Ängste und Sorgen sprechen und Licht ins Dunkel bringen kann.“

Auch über Melih Göksu kursieren Gerüchte

Doch auch aus einem anderen Grund wirft er sich weiter mit viel Einsatz in den Wahlkampf. Selbst wenn er als klarer Favorit ins Rennen geht, könne es sein, dass viele seiner Wähler es aufgrund des guten ersten Ergebnisses nicht für nötig erachten, bei der Stichwahl ihre Stimme abzugeben. Bei einer geringen Wahlbeteiligung könne sein „vermeintlicher Vorsprung ein Trugschluss sein“, schreibt er in dem Flyer, den er vor der Stichwahl verteilt.

Auch in Bezug auf den zweiten Kandidaten, Melih Göksu, waren einige Gerüchte unterwegs. Das wohl hartnäckigste betraf seine Mitgliedschaft im Bezirksbeirat Mühlhausen für die Grünen. Immer wieder wurde ihm vorgeworfen, über seinen Austritt gelogen zu haben, auch weil er auf deren Website noch gelistet ist. „Die Mandatsniederlegung war beantragt, aber ich wurde noch nicht offiziell verabschiedet“, erklärt der Stuttgarter. Dass ihm ausgerechnet aus seinem langjährigen kommunalpolitischen Engagement ein Strick gedreht wurde, habe ihn enttäuscht.

Melih Göksu: „Sollte ich doch gewählt werden, müsste ich erst das Gespräch mit Vereinen suchen und sehen, ob die Zusammenarbeit funktionieren kann.“

© Tobias Sellmaier

Melih Göksu: „Sollte ich doch gewählt werden, müsste ich erst das Gespräch mit Vereinen suchen und sehen, ob die Zusammenarbeit funktionieren kann.“

Weitere Themen

Ein Drittel der Stimmen konnte Melih Göksu im erstem Wahlgang auf sich vereinen. Er habe gehofft, mehr Menschen erreichen und von sich überzeugen zu können, sagt er. Das Ergebnis habe ihn enttäuscht, auch weil er seiner Ansicht nach im Wahlkampf gute Leistungen gebracht habe. Auch habe er viel positives Feedback bekommen. „Ich wüsste nicht, was ich hätte besser machen können.“ Gleichzeitig ist er auch stolz auf die Leistung: „Ich habe mir jeden Prozentpunkt hart erkämpft, da ich ja auch keine Bekannten im Ort hatte“, so der Kandidat. Wenige Tage nach dem ersten Wahlgang hatte er bekannt gegeben, seinen Wahlkampf einzustellen. Der Grund: Das Ergebnis im ersten Wahlkampf erfülle seine Anforderungen für eine Fortsetzung des Wahlkampfs nicht.

Ein Rückzug ist jetzt nicht mehr möglich

Trotzdem wird sein Name am Sonntag auf dem Wahlzettel stehen, denn ein Rückzug ist nach dem 2023 geänderten Kommunalwahlrecht nicht mehr möglich (siehe Infotext). Sollte er nun in der Stichwahl doch gewählt werden, müsse er überlegen, ob er die Wahl annehmen könne. „Ich müsste zunächst das Gespräch mit Vereinen und anderen gesellschaftlichen Gruppen suchen und sehen, ob die Zusammenarbeit funktionieren kann. In einer so kleinen Gemeinde wie Großerlach muss der Bürgermeister wirklich mit anpacken, da hat man keine Zeit, sich mit Grabenkämpfen zu beschäftigen.“ Weder sich selbst noch der Gemeinde tue er einen Gefallen, wenn er letztlich einen beachtlichen Teil der Bürgerinnen und Bürger gegen sich habe, so der Kandidat.

Und was, wenn dieser Fall nun eintritt? Die Gesetzesbegründung des „Gesetzes zur Änderung kommunalwahlrechtlicher und anderer Vorschriften“ vom April 2023 führt für den Fall, dass der gewählte Bewerber die Wahl nicht annimmt, Folgendes aus: „Wird jemand in der Stichwahl zum Bürgermeister gewählt, der trotz seines Wahlerfolgs das Amt nicht mehr anstrebt, kann er die Annahme der Wahl ablehnen. In diesem Fall muss neu gewählt werden.“

Der scheidende Bürgermeister Christoph Jäger betont mit Blick auf Stimmung in der Gemeinde: „Großerlach kann froh sein, dass es gleich mehrere ernsthafte Bewerber gab.“ Er hoffe, dass nach der Wahl wieder etwas Ruhe im Ort einkehrt und dass die gesamte Bevölkerung den neuen Bürgermeister unterstützen wird. „Ich wünsche mir einen fairen Umgang miteinander – vor und nach der Wahl“, sagt Jäger. Schließlich handle es sich um eine demokratische Entscheidung, die dann auch akzeptiert werden müsse. Dass die angespannte Stimmung im Dorf auf die beginnende Amtszeit des neuen Bürgermeisters überschwappt, das könnte nun durchaus passieren. Kevin Dispan möchte – sollte er die Stichwahl für sich entscheiden – dann aber ebenfalls in den Austausch gehen. „Ich will keinen Groll hegen, sondern auch den Leuten die Hand reichen, die vielleicht nicht für mich gestimmt haben“, sagt er.

Das neue Kommunalwahlrecht lässt einen Rückzug nicht mehr zu

Stich- statt Neuwahl Bis 2023 galt der zweite Wahlgang einer Bürgermeisterwahl formal als Neuwahl. Das heißt, Kandidaten konnten ihre Bewerbung zurückziehen, neue Bewerber konnten sich auf den Wahlzettel schreiben lassen. Das hat sich 2023 geändert. Laut neuer Rechtslage gibt es nach dem ersten Wahlgang eine Stichwahl statt einer Neuwahl.

Die Gesetzesänderung In der Stichwahl treten nur noch die beiden bestplatzierten Kandidaten an. Alle Bewerber verpflichten sich mit der Bewerbung, im Zweifel über zwei Urnengänge im Rennen zu bleiben, ein Rückzug ist also nicht mehr möglich. Außerdem fällt bei der Stichwahl die leere Zeile auf dem Wahlzettel weg.

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Erstellt:
13. Februar 2024, 06:00 Uhr

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