VW-Aufsichtsratschef: Zweiten Lockdown verhindern

dpa Wien/Wolfsburg. Es sind harte Zeiten in der Autoindustrie. Für die oberste Führung bei Volkswagen zeigt die Viruskrise aber dringenden Handlungsbedarf auch in anderen Feldern. Aufsichtsratschef Pötsch mahnt: Die Politik müsse besonnen bleiben - sonst drohten weitreichende Verwerfungen.

VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch hat an die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft appelliert, einen zweiten Corona-Lockdown und weitere Abschottungen von Märkten in der Krise unbedingt zu verhindern.

Darauf müssten angesichts bereits erheblicher Schäden aus der ersten Pandemie-Welle und wieder steigender Infektionszahlen nun „alle Anstrengungen ausgerichtet“ sein, sagte der oberste Kontrolleur des Wolfsburger Autokonzerns bei einer Veranstaltung der Deutschen Handelskammer in Wien. Der Österreicher Pötsch ist Präsident der Kammer.

Es stelle sich „die Frage, ob die bisher beschlossenen Hilfsprogramme ausreichend sind, um wirtschaftlich gut über die nächsten Monate zu kommen“, meinte Pötsch. Aktuell bleibe die Gesamtlage „mehr als besorgniserregend“. Der Volkswagen-Chefaufseher nannte die „labile bis schwache“ Nachfrage, die Unterauslastung der industriellen Produktion und eine mögliche starke Zunahme von Covid-19-Fällen im Herbst und Winter als zentrale Punkte. „Meine Erwartung an die Politik ist in dieser Situation, sich auf eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einzustellen.“

Auch die laufenden Konjunkturmaßnahmen müssten auf ihre Wirksamkeit geprüft und gegebenenfalls nachjustiert werden: „Es muss alles getan werden, um die Wirtschaft insgesamt und die Autoindustrie im Besonderen robust aufzustellen.“ In der kommenden Woche ist ein weiterer „Autogipfel“ mit Vertretern aus Politik und Branche geplant. Staatliche und durch die Konzerne ergänzte Kaufzuschüsse sollen die tiefe Absatzkrise überwinden helfen. Die Hersteller konnten sich aber nicht mit ihrer Forderung durchsetzen, dass neben Elektro- und Hybridautos auch moderne Verbrenner gefördert werden. In der Industrie und vor allem bei Zulieferern drohen massive Jobverluste.

Pötsch warnte eindringlich vor einem möglichen weiteren Aufflammen protektionistischer Tendenzen, um die jeweils eigene nationale Wirtschaft zu schützen. Man rufe nun nach Renationalisierung der Produktion, sagte er. „Das scheint uns jedoch keine Lösung für die aktuellen Probleme zu sein.“ Offene Märkte seien entscheidend für Wohlstand auch in Krisenzeiten. „In Deutschland hängt jeder vierte Arbeitsplatz am Export, in die Industrie sogar jeder zweite.“

Es habe im Zuge der Pandemie zwar Störungen in global vernetzen Lieferketten gegeben. Aber insgesamt hätten die Lieferbeziehungen dem Druck standgehalten. Er nehme inzwischen auch gute Nachrichten zur Erholung vieler Bereiche wahr, und die Politik habe zügig reagiert. Insgesamt gelte aber aus seiner Sicht: „Die Lage bleibt angespannt.“

© dpa-infocom, dpa:200901-99-393490/2

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Erstellt:
1. September 2020, 19:55 Uhr

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