Wald oder Supermarkt – was ist wichtiger?

Am Ortsrand von Althütte soll ein Stück Wald weichen, um Platz für einen neuen Lebensmittelmarkt zu machen. In den oberen Stockwerken des Gebäudes soll Wohnraum entstehen. Das Behördenverfahren läuft derzeit, ebenso die Bürgerbeteiligung. Im Ort gibt es Gegner und Befürworter.

Der neue Supermarkt soll seinen Platz am Ortseingang von Althütte haben, von Lutzenberg beziehungsweise Sechselberg her kommend auf der linken Seite der Ortsdurchfahrt (Backnanger Straße/L1120), direkt vor der Feuerwehr. Rot umrandet ist die dafür vorgesehene Fläche (räumlicher Geltungsbereich), übertragen vom Bebauungsplan aufs Luftbild. Archivfoto: F. Muhl

Der neue Supermarkt soll seinen Platz am Ortseingang von Althütte haben, von Lutzenberg beziehungsweise Sechselberg her kommend auf der linken Seite der Ortsdurchfahrt (Backnanger Straße/L1120), direkt vor der Feuerwehr. Rot umrandet ist die dafür vorgesehene Fläche (räumlicher Geltungsbereich), übertragen vom Bebauungsplan aufs Luftbild. Archivfoto: F. Muhl

Von Annette Hohnerlein

Althütte. Wenn eine Gemeinde ein Stück Wald für ein Bauvorhaben abholzen möchte, muss sie ein aufwendiges Verfahren durchlaufen. Diesen Weg geht man im Moment in Althütte beim „Sondergebiet Lebensmittelmarkt“. Denn am oberen Ortseingang neben dem Feuerwehrhaus soll auf einer Fläche von knapp einem Hektar, die jetzt noch mit Wald bedeckt ist, ein neuer Lebensmittelmarkt entstehen.

Die Suche nach alternativen Standorten führte in der Vergangenheit zu keinem Ergebnis, sodass die Verwaltung inzwischen die weiteren baurechtlichen Schritte auf den Weg gebracht hat. Eine Änderung des Flächennutzungsplans wurde beantragt, ein Zielabweichungsverfahren eingeleitet. Parallel dazu haben die Einwohner nun Gelegenheit, den Bebauungsplan einzusehen, der noch bis zum 3. Februar im Rathaus von Althütte ausliegt.

Inzwischen haben sich mehrere Bürger zu Wort gemeldet, die Bedenken gegen die Pläne haben. Michael Appt, der bis 2009 viele Jahre lang Förster und Gemeinderat in Althütte war, will gegen das Projekt Einspruch erheben. Den Lebensmittelmarkt allein hätte er noch akzeptiert; dass aber das Gebäude aufgrund der geplanten Wohnungen mehrere Stockwerke hoch sein wird, geht ihm gegen den Strich. „Einen derartigen Klotz mit 15 Metern Firsthöhe frei in die Natur zu platzieren, kann ich nicht akzeptieren“, schreibt er in der Begründung seines Einspruchs und spricht ironisch von einem „Rechenspitzer-Tower“. Diesen hätte Appt als Anwohner jeden Tag vor Augen. Als alternativen Standort für den Markt schlägt er die Festwiese vor, die bereits früher im Gespräch war.

Michael Appts Sohn Jochen, der im Rheinland lebt, hat ebenfalls schriftlich Stellung bezogen. In einem Schreiben an unsere Zeitung bezieht er sich auf eine Aussage von Bürgermeister Reinhold Sczuka in der jüngsten Gemeinderatssitzung, das betreffende Stück sei „kein wertvoller Wald“. Appt hierzu: „Es geht hier um einen schönen, über viele Jahrzehnte gewachsenen Wald mit Bäumen, die so stark sind, dass es für deren Umarmung zwei Erwachsene braucht.“ Er spricht von einer „klaffenden Wunde“ am Waldrand und befürchtet eine Verschandlung des Ortsbilds. „Ist allen Beteiligten bewusst, wie groß der Eingriff ist – die Erdbewegungen, die Gebäudehöhe – und wie sehr er den Ortseingang und damit das Bild von Althütte verändern wird? Ich glaube, nein.“

„Wir haben uns sehr schwergetan, Wald zu opfern“

Der Bürgermeister spricht in diesem Zusammenhang von einer Gesamtabwägung; „Wir haben uns sehr schwergetan, Wald zu opfern.“ Die Formulierung, hier handle es sich um „keinen wertvollen Wald“, sei unglücklich gewesen, gibt er zu. Aber das betreffende Waldstück sei kein besonders schützenswerter Bestand, das habe das Gutachten eines Büros für Landschaftsökologie und Gewässerkunde von 2018 ergeben, das auf der Homepage der Gemeinde einzusehen sei.

Dass auf dem Lebensmittelmarkt Wohnungen entstehen sollen und das Gebäude somit eine gewisse Höhe bekommt, hält Sczuka für unverzichtbar. „Nur so ist das für den Investor wirtschaftlich darstellbar.“ Wer das sein wird, sei im Moment noch offen, möglicherweise würde der Betreiber des zukünftigen Markts selbst als Investor fungieren. Im Übrigen gebe es mittlerweile zwei Discounter, die sich für den Standort interessieren, neben der Firma Netto habe auch die Firma Norma Interesse bekundet, so der Bürgermeister.

Reinhard Pfeil, Gemeinderat der Freien Wählervereinigung und stellvertretender Bürgermeister, führt näher aus, wie sich die Kosten für das Projekt seit dem Planungsbeginn in 2017 stark erhöht haben. Nicht nur die Arbeiten zum Auffüllen und Verfestigen des Geländes, auch der Stromanschluss und die Zufahrt mit Abbiegespur seien deutlich teurer geworden als ursprünglich angenommen. Dazu kämen noch die stark gestiegenen Baukosten in den letzten zwei Jahren. Man sei fast beim Dreifachen dessen herausgekommen, was ein Investor bereit sei, für den Bauplatz zu bezahlen.

Die Konsequenzen? „Entweder muss die Gemeinde erheblich drauflegen; das geht nicht. Was können wir dann noch machen? Das Grundstück besser ausnützen“, sagt Pfeil. Das heiße, über dem Markt entstehen Wohnungen, darunter eine Tiefgarage. „Nur so ist das machbar, aber so richtig wohl ist uns nicht damit.“ Den Standort auf der Festwiese hätte der Gemeinderat aus zwei Gründen verworfen. Zum einen wegen der Altlasten durch einen früheren Müllplatz, zum anderen würde das Areal für Veranstaltungen gebraucht, erläutert Pfeil und deutet an, dass man angesichts der Einwände und der Kosten die Entscheidung nochmals überdenken müsse.

Ein Bürger, der das Projekt Lebensmittelmarkt befürwortet, ist Bernd Aldinger, erster Vorstand vom BUND Althütte. „Jeder Baum ist wichtig. Aber das Opfer muss gebracht werden“, so seine Einschätzung. Es gebe viele ältere Menschen in Althütte, die gar nicht oder nur unter Schwierigkeiten in die Nachbarorte zum Einkaufen fahren könnten. Für sie müsse es eine Versorgung vor Ort geben. Im Gegenzug fordert Aldinger von der Gemeinde, die vorgeschriebene Ausgleichsfläche nachhaltig zu gestalten. „Ich möchte, dass man Geld in die Hand nimmt und für die geopferte Fläche nicht nur ein paar Fichten aufforstet, sondern ein Biotop anlegt, mit dem die Artenvielfalt gefördert wird.“

Das Kreisforstamt ist derzeit nicht zu einer Stellungnahme bereit, wie Amtsleiterin Dagmar Wulfes mit Hinweis auf das laufende Verfahren mitteilt. Da das betreffende Waldstück Staatswald ist, wäre für einen möglichen Verkauf die Organisation ForstBW zuständig. Martin Röhrs vom Forstbezirk Schwäbisch-Fränkischer Wald in Welzheim sagt zu dem geplanten Vorhaben: „Das ist ein sehr naturnaher Wald, der typisch für den Schwäbisch-Fränkischen Wald ist. Über eine Abholzung darf man nicht vorschnell entscheiden, da müssen alle Optionen ernsthaft geprüft werden.“

Planentwurf liegt aus

Einsichtnahme Der Bebauungsplanentwurf „Sondergebiet Lebensmittelmarkt“ und das Artenschutzgutachten des Büros Scheckeler liegen bis einschließlich Donnerstag, 3. Februar, im Rathaus von Althütte aus und können während der üblichen Dienststunden eingesehen werden.

Stellungnahmen Innerhalb dieser Frist können beim Bürgermeisteramt Stellungnahmen vorgetragen werden. Die Unterlagen finden sich auch auf der Internetseite der Gemeinde (www.althuette.de/index.php/Bekanntmachungen.html).

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Erstellt:
26. Januar 2022, 06:00 Uhr

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