Wandern – auch im Rollstuhl

Wo kann ich hinaus in die Natur, trotz Rolli oder Rollator? Die inklusiven Wanderbotschafter wissen es. Denn es gibt jetzt vier Touren, die für alle gangbar sind.

Inklusives Wandern auf Wanderbotschafter-Wegstrecken: Zusammen mit Ines Vorberg vom Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter (links vorne) und Simon Maier vom Kreisjugendring (rechts vorne) freuen sich Naturparkgeschäftsführer Bernhard Drixler, Projektkoordinatorin Andrea Bofinger und Berglens Bürgermeister Maximilian Friedrich (von links nach rechts) über vier kartierte Wanderwege, einer davon in Berglen. Foto: B. Beytekin

© Benjamin Beytekin

Inklusives Wandern auf Wanderbotschafter-Wegstrecken: Zusammen mit Ines Vorberg vom Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter (links vorne) und Simon Maier vom Kreisjugendring (rechts vorne) freuen sich Naturparkgeschäftsführer Bernhard Drixler, Projektkoordinatorin Andrea Bofinger und Berglens Bürgermeister Maximilian Friedrich (von links nach rechts) über vier kartierte Wanderwege, einer davon in Berglen. Foto: B. Beytekin

Von Pia Eckstein

BERGLEN. Sie sagt, ihr werde immer vorgehalten, dass sie so an den Toiletten rummache. Aber, erklärt Ines Vorberg, Toiletten, die das Attribut „behindertengerecht“ oder „barrierefrei“ auch wirklich zu Recht verliehen bekommen, seien eine wichtige Grundvoraussetzung dafür, dass Menschen mit Behinderung mitmachen können. Zum Beispiel beim Wandern. Dabei gibt es sogar behindertengerechte Dixiklos. Selten zwar, aber wer wolle, der könne eines aufstellen.

Ines Vorberg weiß, wovon sie redet. Und sie weiß, was Menschen mit Behinderung brauchen. Zumindest jene, die nicht oder nur schlecht laufen können. „Mobilitätseingeschränkt“ lautet das politisch korrekte Wortungetüm, gemeint sind Rollstuhlfahrer oder Rollatorbenutzer, auch An-Krücken-Geher. Aber, sagt Ines Vorberg, natürlich gehören auch diejenigen, die einen Kinderwagen dabeihaben, letztlich zu dieser Personengruppe. Zu den Menschen nämlich, die einen Wanderweg brauchen, der bestimmten Ansprüchen genügt.

Wirklich barrierefreie Wanderrouten gab es bislang nicht.

Ines Vorberg sitzt im Rollstuhl. Sie ist im Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter tätig, sie lebt in Althütte und sie will gern raus in die Natur. Um diesen Genuss auch außerhalb der Zonen zu haben, die bestens erschlossen und durchasphaltiert sind, hat sie im Internet nach barrierefreien Wanderrouten gesucht. Und wurde nicht fündig. Meistens mangelte es, wie schon erwähnt, an den Toiletten. Da beschloss sie: Es müssen neue Routen her. Machbar ist das, auch wenn’s im Rems-Murr-Kreis von der Topografie her nicht ganz einfach ist, schließlich geht’s in dieser Gegend bergauf und bergab. Ines Vorberg suchte sich Partner und fand sie im Verein Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald und im Kreisjugendring. Und natürlich bei der Aktion Mensch, die das inklusive Wanderprojekt drei Jahre lang mit insgesamt 48000 Euro gefördert hat.

Mit diesem Geld wurde alles bezahlt, was im Projekt drinsteckt. Die insgesamt 15 Wanderbotschafter, die dieselben Anforderungen an Wanderwege stellen wie Ines Vorberg und die sich auf Wegsuche machten. Die wetterfeste Ausrüstung für die Wanderbotschafter, die einen Regenschutz, ein Klemmbrett für den Erhebungsbogen und ein kleines Erste-Hilfe-Set umfasste. Außerdem die kleine Aufwandsentschädigung für die Wanderbotschafter.

Nachdem die ersten vier Routen den Ansprüchen der Profis so genügten, dass sie als Wanderbotschafter-Weg ausgezeichnet werden können, wurden Grafiken erstellt, Texte geschrieben, wetterfeste, handliche Wanderkarten gedruckt. Mit Rolli gewandert werden, und das garantiert ohne Einschränkung, kann jetzt bei Althütte, bei Großerlach, in Welzheim und bei Berglen-Ödernhardt.

Die Wanderwege sind nicht länger als fünf Kilometer, sie sind geteert oder fein geschottert, sie können durchaus auf den Berg rauf- und wieder runterführen, es gibt stets eine Einkehrmöglichkeit und immer auch eine Toilette.

Nein, sagt Naturparkgeschäftsführer Bernhard Drixler, bei den vier Routen soll’s nicht bleiben, auch wenn die Projektförderung Ende des Jahres ausläuft. Der Naturpark ist aber sehr daran interessiert, möglichst in allen Mitgliedskommunen wenigstens einen solchen Wanderweg anbieten zu können. Vier weitere Wege sind schon quasi in der Pipeline. 17 zusätzliche Routen sind ausgeguckt. Fehlen, wenn’s wirklich so gelingt, wie sich’s Drixler erträumt, noch 23 Wanderwege. Und Bernhard Drixler will noch mehr: Er könnte sich vorstellen, dass irgendwann einmal die Wanderbotschafter ähnlich wie die Naturparkführer arbeiten. Dass sie also nicht nur Routen auswählen, sondern dann auch andere dazu einladen, gemeinsam mit ihnen zu wandern. Ganz gleich, ob das mit dem Rollstuhl, mit dem Rollator, mit dem Gehstock oder mit dem Kinderwagen ist. Oder ganz ohne irgendeine Hilfe – ist ja schließlich ein inklusives Projekt. Bis das allerdings gestemmt ist, wird wohl, sagt Drixler, noch einige Zeit ins Land gehen.

Hier gibt’s die Informationen

Die Infos zu und Karten von den Wanderbotschafter-Wanderwegen können ab sofort beim Verein Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald kostenlos angefordert werden. Entweder in Papierform bei der Broschürenbestellung unter www.naturpark-sfw.de/informieren/broschueren-bestellung, per E-Mail an die Adresse info@naturpark-sfw.de, per Post an Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald e.V., Marktplatz 8, 71540 Murrhardt, oder telefonisch unter 07192/213-888.

Außerdem gibt’s die Möglichkeit, sich die Karten auf den eigenen Computer oder aufs Handy runterzuladen, und zwar auf www.naturpark-sfw.de/erleben/barrierefreie-angebote/inklusive-wanderbotschafterinnen.

Demnächst sollen Karten und Broschüren auch in den Rathäusern der Kommunen ausliegen, die sich schon über einen Wanderweg freuen können.

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Erstellt:
19. Juni 2020, 06:00 Uhr

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