Naturkatastrophe in der Schweiz
Warum die Gefahr im Bergsturz-Gebiet weiter sehr hoch ist
Nach dem Gletscherabbruch fließt das aufgestaute Wasser nun ab, aber normalisiert hat sich die Lage im Lötschental noch längst nicht. Der Krisenstab meldet neue Gefahr im Gebirge.

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Nach der Bildung eines Sees auf den letzten Häusern des Dorfes Blatten wurden Rückhaltedämme für das Wasser der Lonza errichtet, das über Schlamm und Stein fließt.
Von Markus Brauer/dpa
Nach dem Gletscherabbruch in der Schweiz droht im Katastrophengebiet neue Gefahr. „Am Kleinen Nesthorn wird erneut eine sehr hohe Aktivität registriert“, hat der Führungsstab mitgeteilt. „Laut Einschätzungen sind noch immer mehrere Hunderttausend Kubikmeter Fels instabil.“ Die Gefahr im Bergsturzgebiet bleibe „sehr hoch“.
Neue Gerölllawinen können gen Tal stürzen
Weil das Gelände auf einer Höhe von mehr als 2500 Metern sehr steil ist, können sich bei weiteren Abbrüchen neue Gerölllawinen entwickeln, fürchten Experten.
Am vergangenen Mittwoch (28. Mai) passierte dort ein Jahrhundertereignis: über Wochen waren Felsbrocken vom Kleinen Nesthorn auf den darunterliegenden Birschgletscher gestürzt. Unter der Last brach das Eis zusammen und donnerte mit Millionen Kubikmetern Fels, Eis und Geröll in die Tiefe. Das vorher geräumte Dorf Blatten wurde fast vollständig verschüttet.
Schuttberg betreten strengstens verboten!
Der rund zwei Kilometer lange Schuttberg, der auf dem Dorf liegt und das Flussbett der Lonza blockiert, ist nach wie vor instabil und gefährlich.
„Der Schuttkegel kann momentan nicht betreten werden“, warnt Josianne Jaggi vom Führungsstab. Erkundungstrupps der Armee sind bereit, um zu prüfen, ob dort Aufräumarbeiten beginnen können, sind aber zum Abwarten verdammt.
Das gestaute Wasser der Lonza, von den Behörden „Blattensee“ getauft, läuft langsam ab. Dort wurden aus Hubschraubern rote Schwimmbarrieren platziert, um zu verhindern, dass Schwemmmaterial aus den zerstörten Häusern den Abfluss über und durch den Schuttkegel blockiert, wie Jaggi erläutert.
Hohes Risiko von Murgang
Weiter unten im Tal füllt sich der Stausee bei Ferden mit dem durchdringenden Wasser der Lonza. Es führt viel Abrieb und Sand mit sich, der sich auch im Stausee ablagert. Von dort wird ständig Wasser abgelassen, das dann kontrolliert im Flussbett der Lonza Richtung Rhone fließt.
Das Staubecken darf höchstens zu Zweidritteln gefüllt sein, der Pegelstand lag am Sonntag (1. Juni) darunter. „Damit bleibt die Rückhaltefunktion des Sees im Falle eines Murgangs erhalten“, teilt der Führungsstab weiter mit. Ein Murgang entsteht, wenn Wassermassen Geröll und Schlamm wie eine Lawine in Bewegung setzen.
Gewitterwarnung für betroffene Region
Besonders die Wettervorhersage bereitet den Experten Sorge. Der Wetterdienst MeteoSchweiz warnt vor erheblicher Gewittergefahr, mit möglichen Sturmböen. Dazu kommt die Eisschmelze auf den umliegenden Bergen, ebenso wie im Schuttkegel, der das Eis des abgebrochenen Birschgletschers enthält. Das alles kann den Schuttkegel destabilisieren.