Wenn es immer wärmer wird
Was blüht der deutschen Landwirtschaft?
Wer an die Zukunft der Landwirtschaft denkt, muss sich klarmachen: Der Klimawandel kommt – und verändert, was auf den Feldern passiert. Sind die deutschen Höfe darauf vorbereitet?

© Rebekka Wiese
Noch wird in der deutschen Landwirtschaft nur wenig bewässert – doch der Trend ist klar: Es wird immer mehr.
Von Rebekka Wiese
Sie ist nur etwas größer als eine Murmel. Doch Nils Tolle klingt zufrieden, als er die kleine Kugel aus ihrer Hülse pult. Seine Finger ziehen eine Erbse hervor, gleichmäßig rund und ockerfarben. „Das ist eine schöne Größe“, sagt er und drückt auf die Schale. „Und schön hart.“ Auf seiner Handfläche liegt eine Kichererbse, gewachsen in Fürstenwald in Hessen.
Auf deutschen Feldern ist die Kichererbse bisher eine Ausnahme. Doch das könnte sich ändern. Kaum eine Branche ist so unmittelbar von der Erderwärmung betroffen wie die Landwirtschaft. Wer sich die Zukunft der deutschen Höfe vorstellt, muss auf die Projektionen der Klimaforschung schauen. Sie gehen von mehr Extremen aus, von mehr Dürren, mehr Überflutungen und Stürmen. Wie gut sind die Betriebe darauf vorbereitet?
Klimaanpassung: Jetzt kommt das Thema bei mehr Höfen an
Mit dieser Frage beschäftigt sich Juliane El Zohbi. Sie ist Wissenschaftlerin am Climate Service Center Germany in Hamburg, das darauf spezialisiert ist, Wissen aus der Klimaforschung in die Praxis zu bringen. El Zohbi spricht mit Bauern darüber, was der Klimawandel für sie bedeutet. Vor gut zehn Jahren, als sie damit anfing, war die Wissenschaftlerin überrascht, wie wenig präsent das Thema auf den Höfen war. „In der Landwirtschaft gibt es viele Beratungsangebote. Aber zur Klimaanpassung gab es bislang wenig“, sagt sie. „Doch jetzt kommt das Thema bei immer mehr Betrieben an.“
Der Hof von Nils Tolle hat seit 2022 eine Klimastrategie – was eine Ausnahme ist. Tolle, 32 Jahre alt, hat den 60 Hektar großen Bio-Betrieb von seinen Eltern übernommen. Er führt ihn, auch das ist ungewöhnlich, zusammen mit drei Freunden. Sie alle haben noch andere Jobs. Das erlaubt ihnen, mehr auszuprobieren.
Weniger Erträge – aber auch weniger Risiko
Seit vier Jahren bauen Tolle und seine Kollegen Gemüse an. In engen Reihen wachsen Mangold, Pak Choi und weitere Sorten, unter Folientunneln wuchern Tomatenstauden. 45 verschiedene Kulturen wurden dieses Jahr angepflanzt. Die Idee dahinter: Wenn es einer Sorte zu trocken ist, gedeiht eine andere gerade gut. Das bedeutet zwar insgesamt einen Ertragsverlust. Aber es senkt das Risiko für Totalausfälle.
Ein sparsames Tröpfchensystem hält die Beete feucht. 2022 wurden laut Statistischem Bundesamt nur 3,3 Prozent der landwirtschaftlichen Freifläche in Deutschland bewässert – eigentlich nicht viel. Allerdings waren das 49 Prozent mehr als noch 2009. Ein klarer Trend.
Was der Bauernverband zur Klimaanpassung fordert
Viele Landwirte spüren, was das neue Wetter für ihre Arbeit bedeutet. „Extremwetterereignisse wie Hagel, Dürre und Starkregen gefährden zunehmend die Ernten“, sagt Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied. „Wir Bauern brauchen daher wirksame Instrumente zur Risikovorsorge.“ Eine bundeseinheitliche Mehrgefahrenversicherung sei überfällig. Außerdem fordert Rukwied eine steuerliche Risikoausgleichsrücklage.
Nils Tolle setzt auch auf Einkommensquellen jenseits von Acker und Feld. Zum Beispiel Pferdehaltung: Wer ein Tier besitzt, kann es gegen Miete auf dem Hof unterstellen. Tolle will außerdem landwirtschaftliche Flächen anlegen, auf denen zugleich Solarpanele stehen.
Neues Klima: Den Kühen wird zu warm
Wissenschaftlerin Juliane El Zohbi betont, dass sich noch mehr verändern wird. Auch die Viehhaltung. Kühe zum Beispiel fühlten sich eigentlich zwischen fünf und 15 Grad wohl, erklärt sie. „Künftig werden wir Ställe mit Ventilatoren und mit Sprühnebel zur Kühlung brauchen.“ Tolle hat sich für eine Rinderrasse entschieden, die besser mit Hitze zurechtkommt. Als Milchkuh taugt sie allerdings nicht.
Auf dem Hof Tolle wird klar: Um in Zukunft zu bestehen, hilft es, wenn Betriebe sich möglichst breit aufstellen. Doch viele stehen ohnehin unter ökonomischem Druck – und kommen kaum dazu, sich langfristige Gedanken zu machen. El Zohbi beobachtet, dass sich in der Branche mehr bewegt, seit das Klimaanpassungsgesetz 2024 in Kraft getreten ist. Sie sagt aber auch: „Die Politik kann zwar Leitplanken und Gesetze vorgeben. Aber es liegt dann an den Höfen, ins Handeln zu kommen.“
Bauernpräsident Rukwied klingt trotzdem zuversichtlich. „Wir Bauern haben uns immer an die Bedingungen angepasst, die uns die Natur und die klimatischen Bedingungen geboten haben“, sagt er. „Das wird uns auch in Zukunft gelingen.“