Börsenausblick

Was bringt 2023 für Anleger?

2022 ging es an den Börsen bergab. Warum Analysten trotz aller Rezessionssorgen für das neue Jahr optimistisch sind.

Von seinem Jahrestief hat sich der Dax mittlerweile wieder erholt.

© dpa/Daniel Reinhardt

Von seinem Jahrestief hat sich der Dax mittlerweile wieder erholt.

Von Barbara Schäder

Dem zurückliegenden Jahr werden die meisten Anleger keine Träne nachweinen: Der Deutsche Aktienindex (Dax) verlor zwölf Prozent, und auch international ging es an den Börsen bergab. Was Analysten 2023 erwarten.

Wohin steuert der Dax?

Die Prognosen gehen weit auseinander: Die Dekabank sieht den Leitindex Ende 2023 bei 14 000 Punkten und damit etwa auf dem gleichen Niveau wie jetzt. Die hessisch-thüringische Landesbank Helaba erwartet einen Anstieg auf 16 000 Zähler, was einem satten Plus von 14 Prozent entspräche. Andere Prognosen liegen dazwischen: Die Deutsche Bank und die DZ Bank – das Spitzeninstitut der Volks- und Raiffeisenbanken – sehen den Dax Ende 2023 bei 15 000 Punkten. LBBW und Commerzbank rechnen für das zweite Halbjahr mit einem Indexstand von 15 500 Zählern. Immerhin: Ein neuerliches Verlustjahr erwartet keine der großen deutschen Banken.

Aber wir stehen doch am Beginn einer Rezession?

In der Tat gehen die meisten Ökonomen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft Ende 2022 geschrumpft ist. Vorherrschende Meinung ist aber, dass der Konjunkturmotor im Laufe des neuen Jahres wieder anspringt. „Solch eine Konjunkturbelebung nehmen die Aktienmärkte meist schon Monate im Voraus vorweg, deswegen bin ich verhalten optimistisch für nächstes Jahr“, sagte Sven Streibel, der Chef-Aktienstratege der DZ Bank, unserer Zeitung. Ähnliche Entwicklungen erwartet Ulrich Stephan, der Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank: „Sobald sich eine wirtschaftliche Erholung abzeichnet, sollten die Kurse steigen.“

Dann können Aktien-Anleger also durchatmen?

Ganz so einfach ist es nicht. „Wir denken, dass insbesondere das erste Halbjahr 2023 anspruchsvoll bleiben wird“, warnt Stefan Böhmerle, der Leiter der Stuttgarter Niederlassung der Privatbank Berenberg. Zur Begründung verweist er darauf, dass die großen Notenbanken zwecks Bekämpfung der Inflation die Leitzinsen weiter erhöhen wollen. „Da können die Leitindizes auch noch mal um zehn bis 15 Prozent fallen.“ Unterm Strich erwartet Böhmerle an den Aktienmärkten ein Jahr, das besser wird als 2022, „aber nicht einfacher“. Auch die LBBW erwartet einen schwierigen Start ins neue Börsenjahr, weil die Analysten-Schätzungen zu den Unternehmensgewinnen nach unten korrigiert werden müssten. Eine Trendwende sei erst Mitte des Jahres zu erwarten.

Gibt es Unterschiede zwischen den Branchen? Grundsätzlich gilt, dass Energieversorger und Telekommunikationsunternehmen Preiserhöhungen besonders leicht an die Verbraucher weitergeben können. Schließlich kann auf ihre Dienstleistungen niemand verzichten. Gleichwohl haben in den ersten neun Monaten 2022 auch jene Unternehmen ihre Gewinne steigern können, die traditionell als konjunktursensibel gelten: die Autobauer Volkswagen und Mercedes-Benz zum Beispiel.

„Die großen Aktiengesellschaften besitzen oft hohe Marktanteile und daher Preissetzungsmacht. So können sie ihre Margen schützen. Zudem haben es einige Branchen geschafft, sich im Zuge von Materialknappheit auf die profitablen Produkte zu konzentrieren“, meint dazu DZ-Bank-Analyst Streibel. „Die Autobauer haben zum Beispiel auf den Chipmangel reagiert, indem sie die verbleibenden Chips in die hochpreisigen Autos eingebaut haben.“ Für die kommenden Monate seien zwar auch bei international agierenden Großkonzernen Gewinnrückgänge wahrscheinlich, „aber keine Einbrüche“.

Was sind die wichtigsten Investment-Trends?

„Investieren würden wir nur in Trends, bei denen sich abzeichnet, dass sie auch viele Jahre Bestand haben werden“, sagt Berenberg-Experte Böhmerle. Beispiele: „Der demografische Wandel spricht für Investitionen in Medizintechnik und Pharma-Werte. Der Fachkräftemangel wird Automatisierung und Digitalisierung weiter beschleunigen. Und auch der Trend zur Dekarbonisierung bleibt, auch wenn das in den letzten zehn Monaten anders aussah.“ Auch die Deutsche Bank weist darauf hin, dass die hohen Preise für fossile Brennstoffe durchaus ein „Treiber für die grüne Transformation“ der Wirtschaft sind. Gleichwohl dürften auch Ölkonzerne und Bergwerksbetreiber „gut durch die Rezession kommen“.

Warum überhaupt in Aktien investieren, wenn die Zinsen steigen?

Für Festgeldeinlagen mit zwei Jahren Laufzeit bekämen Sparer mittlerweile im Schnitt einen Zinssatz von über zwei Prozent, meldet das Vergleichsportal Verivox. Die Renditen von US-Staatsanleihen mit zwei Jahren Laufzeit liegen derzeit sogar über vier Prozent. „Die Renditen sowohl bei Staats- als auch bei Unternehmensanleihen sind mittlerweile auf Niveaus, die absolut attraktiv sind“, sagt DZ-Bank-Experte Streibel. Bei Aktien sieht er nach den Kursverlusten im vergangenen Jahr aber ein moderates Aufwärtspotenzial für 2023. Dagegen erwartet die Dekabank vom Dax 2023 lediglich eine Seitwärtsbewegung – auch wegen der Konkurrenz durch Zinsprodukte.

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Erstellt:
30. Dezember 2022, 14:14 Uhr
Aktualisiert:
30. Dezember 2022, 17:57 Uhr

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