Wenn dieKuh fliegt

Täglich neu: Landestypisches für Einheimische und Reigschmeckte

Albrecht Hartmann aus Schwäbisch Gmünd ist einigen sprachlichen Fragen nachgegangen, die in jüngster Zeit aufgeworfen wurden: „Herr Seeger aus Gäufelden-Öschelbronn fragt, ob jemand die Redewendung ‚was isch dees für a Kuahfliagats‘ kennt. Etwa 15 Kilometer in nordwestlicher Richtung von Öschelbronn liegt mein Geburtsort Oberhaugstett. Ich erinnere mich, dass wir bei einem aufsehenerregenden, eigentlich sensationellen Ereignis gerne von der ‚Kuahfliagade‘ gesprochen haben. Es ist allerdings nicht so, dass bei einer ‚Kuhflieget, Kuhfliegete, Kuhfliegetze‘ irgendwelche Fliegen zur Kuh oder zu einem Kuhfladen fliegen. Vielmehr fliegt die Kuh selbst. Hermann Wax schreibt in seiner ‚Etymologie des Schwäbischen‘ hierzu: ‚Wenn tatsächlich eine Kuh dahergeflogen käme, so wäre dies ein aufsehenerregendes, Auflauf hervorrufendes Ereignis, eine Sensation.‘“

Auch dem Ausdruck ‚i ben übermachet!‘ („Auf gut Schwäbisch“ vom 14. Dezember) ist Herr Hartmann nachgegangen: „Ministerpräsident Kretschmann hatte im Dezember zu einer Dialekttagung ins Neue Schloss eingeladen. Bei der Gelegenheit zitierte er den schwäbischen Ausdruck ‚i ben übermachet‘. Wenn ein Schwabe sagt, er sei ‚iebermach(e)t‘ – die Betonung des Wortes liegt auf der Silbe ‚mach(e)t‘ –, dann hat er eine Sache viel zu heftig betrieben, so dass er jetzt überanstrengt und kaputt ist, also so richtig ,hee‘, wie der Schwabe sagt.

Bei Grimm ist zu erfahren, dass dieses ‚übermachen‘ in unserer früheren Hochsprache auch die Bedeutung von ‚etwas übertreiben‘ hatte. Folgendes Zitat, das ich dort auffinden konnte, verdeutlicht dies: ‚ein mönch auf der kanzel erzeigt sich wie ein hawendt schwein, und strampffet mit den füssen sein, doch übermachte er die sach, dasz unter ihm der boden brach.‘

Längst sind ‚übermachen‘ und ‚übermacht‘ in dieser Wortbedeutung aus unserer Schriftsprache verschwunden. Doch glücklicherweise leben die Wörter in unserer Umgangssprache weiter, so dass sicherlich noch viele Schwaben Sätze wie diese verstehen: ‚Jetz henr aber scho arg viel gschafft. Aber dean eich bloß net so iebermacha! Sonschd schmeckt eich des guade Veschber nochher nemme.‘

Nach all dem Gesagten sollten wir darauf achtgeben, dass wir nicht stetig nur arbeiten und schuften, gemäß unserem schwäbischen Leitspruch: ‚Schaffa, schaffa, Häusle baua!‘, sondern auch immer wieder erholsame Arbeitspausen einstreuen. Nicht dass der eine oder die andere dr ganza gschlagane Obad so richtig hee, iebermach(a)t ond zammagschafft – en Gmend saget se ,zeemagschafft‘ – uff am Sofa romliega muaß.“ Der schwäbische Spruch des Tages lautet: „Beim Schaffa friera ond beim Essa schwiddza, des senn mr dia Rechde.“ (jan)

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Erstellt:
24. Januar 2019, 03:14 Uhr

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