Wenn Getreide krank macht

Für Zöliakiebetroffene ist eine strikt glutenfreie Ernährung der einzige Weg – Murrhardter Familie erzählt von ihrer Tochter

Rund 800000 Menschen in Deutschland leiden an Zöliakie. Der einzige Weg, um gesundheitliche Beschwerden wie Bauchschmerzen, Durchfall, Kopfschmerzen bis hin zu Mangelerscheinungen zu vermeiden, ist, strikt auf glutenhaltige Lebensmittel zu verzichten. Ein Dinkelbrötchen oder ein Stück Kuchen sind absolut tabu.

Für Zöliakiebetroffene ist der Verzicht auf Gluten keine freiwillige Entscheidung. Sie müssen dem Klebeeiweiß lebenslang entsagen, um gesundheitliche Beschwerden sowie Langzeitfolgen zu vermeiden. Symbolfoto: Adobe Stock/ferkelraggae

© ferkelraggae - stock.adobe.com

Für Zöliakiebetroffene ist der Verzicht auf Gluten keine freiwillige Entscheidung. Sie müssen dem Klebeeiweiß lebenslang entsagen, um gesundheitliche Beschwerden sowie Langzeitfolgen zu vermeiden. Symbolfoto: Adobe Stock/ferkelraggae

Von Christine Schick

MURRHARDT. Im Alltag gibt es dabei aber oft Hürden und Probleme, die sich Nicht-Betroffene nur schwer vorstellen können und auf die auch die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft im Rahmen einer Aktionswoche aufmerksam macht. Was es bedeutet, mit Zöliakie zu leben, davon berichten Cornelia und Harald Reusten aus Murrhardt. Bei ihrer Tochter Marie (alle Namen von der Redaktion geändert) wurde die chronische Erkrankung des Dünndarms aufgrund von Glutenunverträglichkeit festgestellt, als sie drei Jahre alt war. Das Klebeeiweiß Gluten kommt vor allem in den Getreidesorten Weizen, Roggen, Dinkel und Gerste vor, aber auch einer Reihe weiterer Lebensmittel.

Nicht sofort war klar, was Marie fehlt. „Es ging ihr gesundheitlich schlecht, sie war weinerlich, müde und hatte oft Bauchschmerzen“, erzählt Cornelia Reusten. Allmählich fiel auf, dass Marie immer nach dem Essen Probleme bekam, irgendwann auch schon nach dem Frühstück spuckte. „Der Bauch war aufgebläht und sie hat stetig abgenommen.“ Schließlich kam Zöliakie in den Blick und ein Bluttest zeigte, dass Marie zu 99 Prozent an der Systemerkrankung leidet. Letzte Gewissheit musste eine Dünndarmbiopsie bringen. Die fünf Wochen bis zum Termin waren keine einfachen, denn Marie durfte bis zur Untersuchung die Ernährung noch nicht umstellen. Cornelia Reusten nutzte die Zeit aber bereits, um sich umfassend zu informieren, saß nächtelang vor dem Computer, besorgte sich Bücher und meldete sich bei der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft an.

Maries Erkrankung war zu diesem Zeitpunkt so ausgeprägt, dass der Darm keine Vitamine mehr aufnehmen konnte und die Dreijährige bereits eine Immunschwäche entwickelt hatte. Glutenhaltige Lebensmittel waren nach der eindeutigen Diagnose tabu. „Wenn man das strikt einhält, kann man gut mit Zöliakie leben“, sagt Cornelia Reusten. Die Eltern erlebten, was die Umstellung bewirkte. „Sie ist mehrere Zentimeter gewachsen und hat sich auch insgesamt verändert, war viel fröhlicher.“ Genauso stark hat sich allerdings auch der Familienalltag verändert. Im Mittelpunkt steht dabei die Tatsache, dass schon kleinste Mengen an Gluten wieder starke Beschwerden bei Marie auslösen, sprichwörtlich jeder Krümel zum Problem werden kann. „Wir leben deshalb zu Hause alle glutenfrei“, sagt die Mutter. Schon eine gemeinsam benutzte Butter auf dem Frühstücktisch bedeutet möglichen Kontakt mit besagten Krümeln oder Spuren von Gluten, würden die Eltern zu herkömmlich hergestelltem Brot greifen. Nur außerhalb oder wenn die beiden alleine unterwegs sind, holen sie sich beispielsweise mal eine Brezel. Auch das Einkaufen musste ganz neu organisiert werden. „Unsere Lebensmittelkosten haben sich verdoppelt“, stellt Cornelia Reusten fest. Vieles bekommt sie in der Umgebung, bei Backwaren greift sie auf einen Fachhändler in Augsburg zurück.

Aber auch ganz generell muss die Familie beim Einkaufen absolut genau sein. Nicht jedem sagt Zöliakie etwas, und so trifft Cornelia Reusten mit ihren Nachfragen manchmal auf Unverständnis. Denn sie muss wissen, ob bei einem Metzger, der die Geschichte der Familie nicht kennt, die glutenfreie Wurst mit einem frischen Messer und mit Handschuhen geschnitten werden kann. „Entweder wir kaufen abgepackte oder die Mitarbeiter müssen die Maschine auseinandernehmen und reinigen“, erzählt sie. „Manchmal kann man das auch so lösen, dass man vorbestellt, dann wird das geschnitten, bevor der Betrieb losgeht.“

Auch im Kindergarten sind Verständnis und Rücksichtnahme von großer Bedeutung. Und: „Wenn ein Kindergeburtstag ansteht, kann ich ja auch vorher backen und gebe das Marie dann mit“, sagt sie. Es ist nicht selbstverständlich, dass jemand jenseits eines Zöliakiealltags daran denkt, dass Arbeitsfläche, Geräte und Messer gut gereinigt sein müssen, um kein Risiko einzugehen. So haben die Reustens Toaster und Rührgerät neu angeschafft und Arbeitsflächen aus Holz ausgetauscht. Im Herbst kommt Marie in die Schule, aber die Eltern denken, dass es mit Essen in der Mensa zu schwer werden wird.

Zum Artikel

Erstellt:
17. Mai 2019, 11:30 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Stadt & Kreis

Gesellinnen und Gesellen im Rems-Murr-Kreis werden ausgezeichnet

In dieser Woche hat die Lossprechungsfeier der Kreishandwerkerschaft Rems-Murr stattgefunden. In der Barbara-Künkelin-Halle in Schorndorf sind bei dieser Gelegenheit auch die Auszeichnungen an die besten Junghandwerkerinnen und Junghandwerker verliehen worden.

Stadt & Kreis

Das Bildhafte der Kinderkreuzwege spricht Kinder im Herzen an

Viele Kirchengemeinden im Raum Backnang organisieren Kinderkreuzwege und versuchen so, die Leidensgeschichte Jesu auf kindgerechte Art und Weise zu vermitteln. Der Schwerpunkt der Verkündigung liegt dabei nicht auf der grausamen Passion, sondern auf der frohen Osterbotschaft.

Maria Török ist eine von über 100 Pflegekräften im Staigacker. Sie kümmert sich liebevoll und gern um die Bewohner. Foto: Alexander Becher
Top

Stadt & Kreis

Personalnotstand setzt Pflegeheimen im Raum Backnang zu

Weil offene Stellen nur schwer besetzt werden können oder Pflegekräfte krankheitsbedingt ausfallen, kommt es in Pflegeeinrichtungen immer wieder zu Personalengpässen. Trotzdem muss die Versorgung weiterlaufen. Heime greifen deshalb auf Zeitarbeitsfirmen oder Springer zurück.