Männer/Frauen/Jahrgänge
Wer muss zur Musterung – und wann?
Die geplante neue „Bedarfswehrpflicht“ und ein mögliches „Zufallsverfahren“ haben weitreichende Konsequenzen – vorerst aber nur für Männer. Kommt ein „Gesellschaftsjahr“?
© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa
Freiwillige Soldatinnen der Bundeswehr – werden in Zukunft sogar Frauen zwangsverpflichtet?
Von Michael Maier
Schon 2026 soll in Deutschland das neue „Wehrdienst-Modernisierungsgesetz“ in Kraft treten. Während die klassische Wehrpflicht weiterhin ausgesetzt bleibt, kommt auf junge Menschen etwas Neues zu - allerdings mit Geschlechterunterschied: Für Männer gibt es zusätzliche Pflichten, für Frauen bleibt alles freiwillig.
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Das ist auch verfassungsrechtlich so garantiert und könnte nur mit Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag geändert werden.
Selbst wenn irgendwann einmal eine hypothetische 50-Prozent-Mehrheit aus autoritären Abgeordneten eine allgemeine Dienstpflicht oder einen Arbeitsdienst einführen wollte, wäre das nicht ohne Weiteres möglich. Auch nicht von Grünen und CDU/CSU oder von Moralapostel Frank-Walter Steinmeier freundlich als „Gesellschaftsjahr“ verkleidet.
Dienstpflicht nur für Landesverteidigung möglich
Entgegen steht einem „Gesellschaftsjahr“ nicht nur das Grundgesetz (hier möglicherweise sogar mit seiner „Ewigkeitsgarantie“), sondern auch das Zwangsarbeitsverbot aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK).
Die Einführung eines Frauen-Wehrdiensts zur Landesverteidigung wäre hingegen mit Zweidrittel-Mehrheit durchaus möglich, also zum Beispiel mit der Zustimmung der Linken. Das wiederum gilt aufgrund der Mehrheitsverhältnisse bislang als eher unwahrscheinlich.
Da sich aktuell selbst bei Männern aus Gewissensgründen eine Quote an Kriegsdienstverweigerern von über 50 Prozent abzeichnet, würde es dann auf einen allgemeinen Ersatzdienst als Zivildienst hinauslaufen. Dieser dürfte laut Grundgesetz-Wortlaut eigentlich nicht länger als der Wehrdienst dauern – was im Kalten Krieg aber von Gesetzgebern und Richtern mit fadenscheiniger Begründung einfach ausgehebelt wurde.
Musterung 2026/2027: Wer bekommt Post?
Ab Januar 2026 erhalten alle 18-Jährigen ein Schreiben mit QR-Code zur digitalen Erfassung. Während Männer – wohl ab Jahrgang 2008 – verpflichtend eine Bereitschaftserklärung ausfüllen müssen, können Frauen das gleiche Formular einfach ignorieren.
Wer muss 2027 zur Musterung?
Diese ungleiche Behandlung setzt sich bei der Musterung fort: Voraussichtlich ab 1. Juli 2027 beginnen verpflichtende Musterungen - aber nur für Männer. Auch ältere Jahrgänge könnten im Rahmen der Wehrgerechtigkeit womöglich noch herangezogen werden – nicht nur im Kriegsfall und theoretisch sogar bis zu einem Alter von 32 oder gar 45 Jahren.
Nach einer Einigung zwischen Union und SPD ist jedenfalls erst einmal eine flächendeckende Musterung aller 18-jährigen Männer vorgesehen. Das umstrittene Losverfahren vor der Musterung wurde verworfen. Die Wehrpflicht bleibt damit (vorerst) reine Männersache.
Kreiswehrersatzamt überwacht Auslandsaufenthalte
Die Wehrpflicht endet grundsätzlich mit Ablauf des Jahres, in dem man 45 Jahre alt wird. Für Unteroffiziere und Offiziere verlängert sich die Wehrpflicht bis zum 60. Lebensjahr.
Damit verbunden ist auch eine Wehrüberwachung durch die kaum noch bekannten Kreiswehrersatzämter. Bei diesen sind zum Beispiel Auslandsaufenthalte melde- oder sogar genehmigungspflichtig.
Auch der aktuelle Wohn- und Aufenthaltsort im Inland muss in der Regel mitgeteilt werden. Für reiselustige Angehörige der Generation Z wohl eher eine Art Damoklesschwert, wie es auch für ältere Generationen bis 2011 durchaus über den Köpfen schwebte.
Musterungs- und Einberufungspflicht (Wehrüberwachung)
- Ungediente und Mannschaftsdienstgrade: bis zum 32. Lebensjahr
- Unteroffiziere: bis zum 45. Lebensjahr
- Offiziere: bis zum 60. Lebensjahr
- Im Spannungs- oder Verteidigungsfall bis zum 60. Lebensjahr
Musterung: auch nachträgliche Kriegsdienstverweigerung möglich
Jeder, der tauglich gemustert wurde oder noch ungemustert ist, kann übrigens auch nachträglich noch den Wehrdienst verweigern, um sich dem Staat zu entziehen oder um seine Missbilligung für Krieg und Militarismus zu verdeutlichen.
Wie sieht der neue Wehrdienst aus?
Der neue Wehrdienst ist flexibel gestaltet. Die Mindestverpflichtungszeit beträgt sechs Monate, längere Zeiträume sind möglich - bis zu 23 Monate oder sogar bis zu 25 Jahre als Zeitsoldat. Beim Führerschein (Pkw und Lkw) sowie eventuell bei der Besoldung soll es eine Besserstellung ab 12 Monaten geben.
Die Rede war bislang von mindestens 2600 Euro brutto für alle Freiwilligen – also weniger als das Durchschnittseinkommen der deutschen Arbeitnehmer, denn für einen vollen Rentenpunkt wird im Jahr 2026 ein Brutto-Einkommen von etwa 52.000 Euro benötigt.
Zivile TvÖD-Tarifbeschäftigte liegen in den unteren Gehaltsklassen zwar teilweise darunter, bekommen nach mindestens fünf Jahren aber immerhin eine Zusatzrente über das Versorgungswerk des Bundes und der Länder (VBL) in Karlsruhe. In der Bundeswehr gibt es im Gegensatz dazu immer noch Befehl und Gehorsam sowie gewisse Einschränkungen für freie Gewerkschaften wie ver.di.
Geringe Rente für Wehrdienst-Veteranen?
Alle die unter 52.000 Euro Jahresbrutto liegen, erhalten für ihre Beiträge im Alter dann möglicherweise eine unterdurchschnittliche Rente für das Dienstjahr. Zu Zeiten der „alten Wehrpflicht“ bis 2011 wurde von der DRV allerdings ein voller Entgeltpunkt (EP) gutgeschrieben.
Wurde daran gedacht, oder ist bei der heutigen Bundesregierung die Wertschätzung für Freiwillige trotz großer Worte eher gering ausgeprägt? Die Behandlung von einigen kriegsversehrten Afghanistan-Veteranen schien in der Vergangenheit auf Letzteres hinzudeuten. Manch einer von ihnen fühlt sich mit seinen physischen und psychischen Wunden nun abgespeist wie ein Söldner.
Kommt die Wehrpflicht per Losverfahren doch noch?
Zunächst setzt die Bundesregierung allein auf Freiwillige. Sollte deren Zahl nicht ausreichen, kann der Bundestag über eine „Bedarfswehrpflicht“ entscheiden. Nur als letztes Mittel könnte dann ein Zufallsverfahren per Los angewendet werden.
Die Bundeswehr soll auf 260.000 aktive Soldaten anwachsen, ergänzt durch 200.000 Reservisten. Diese Zahlen sollen durch den neuen Wehrdienst erreicht werden.
Frauen im Generalsrang
Über 80 Prozent der Deutschen haben sich indes gegen ein Losverfahren ausgesprochen. Die neue Regelung entspricht diesem Wunsch - bleibt indes bei einer traditionellen Rollenverteilung, in der die Landesverteidigung primär Männersache ist.
Frauen können sich aber schon seit Langem freiwillig zur Bundeswehr melden und dort bis in die Generalsränge aufrücken. Das wäre in früheren Zeiten nicht möglich gewesen.
