Wasser ist ein wertvolles Gut

Die anhaltende Trockenheit setzt dem Grundwasserpegel zu. Die Gemeinde Weissach im Tal ruft ihre Bürgerinnen und Bürger deshalb zum Wassersparen auf. Andernorts sind bereits Verbote ausgesprochen worden.

Kämmerer Alexander Holz erklärt: Bei Wasserknappheit füllt das Fremdwasser der NOW (rechts) den Wasserhochbehälter Hohholz (links) automatisch wieder auf. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Kämmerer Alexander Holz erklärt: Bei Wasserknappheit füllt das Fremdwasser der NOW (rechts) den Wasserhochbehälter Hohholz (links) automatisch wieder auf. Fotos: Alexander Becher

Von Melanie Maier

Weissach im Tal. Das Problem ist bei uns angekommen. Vor unserer Haustür, in Deutschland, im Rems-Murr-Kreis: Wasserknappheit. In Norditalien ist der Notstand schon Anfang Juli in einigen Regionen ausgerufen worden. Vielerorts muss das Trinkwasser seither rationiert werden. Da erschien der Mangel noch vergleichsweise weit weg. Doch nur zwei Wochen später, Mitte Juli, warnt der deutsche Städte- und Gemeindebund aufgrund der anhaltenden Trockenheit vor Wasserknappheit auch in Teilen Deutschlands.

Gartenbewässerung und Pools können zum Problem werden

Problematisch sei der drastisch steigende Wasserbedarf nicht nur in der Industrie und in der Landwirtschaft, sondern auch in Privathaushalten, erklärt Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg gegenüber dem „Handelsblatt“. Die Gartenbewässerung und das Füllen großer Pools mit Leitungswasser könne in den Sommermonaten zum echten Problem werden. „Rasensprenger verteilen in einer Stunde bis zu 800 Liter Trinkwasser“, warnt Landsberg. „Das kann die Versorgungsinfrastruktur in manchen Regionen an ihre Grenzen bringen.“ In Einzelfällen könnten kommunale Verwendungsverbote notwendig sein.

Nötige Schritte für die Trinkwasserversorgung

Diese wurden in den zurückliegenden Tagen bereits ausgesprochen. Zum Beispiel in Neuffen, im Landkreis Esslingen. Dort dürfen die Bürgerinnen und Bürger Leitungswasser jetzt schon nicht mehr für ihre Gärten und Pools benutzen. Auch kleine Planschbecken sollen nicht mehr befüllt werden. Außerdem hat die Verwaltung untersagt, Autos zu waschen oder Terrassen abzuspritzen. Der Schritt sei nötig, teilen die Stadt und die Freiwillige Feuerwehr mit, um die Menschen weiter mit Trinkwasser versorgen zu können. Aus Seen, Bächen und Flüssen darf im gesamten Kreis Esslingen kein Wasser mehr entnommen werden.

Nicht einmal mit Eimern oder Gießkannen soll Wasser abgeschöpft werden

Auch das Landratsamt Rems-Murr hat vor einer Woche darum gebeten, das zu unterlassen – nicht einmal mit Eimern oder Gießkannen soll mehr Wasser abgeschöpft werden. Die Wasserstände in den Fließgewässern im Landkreis seien stark gesunken, weil der Regen ausbleibe. „Sollte es in den nächsten Wochen nicht lange und ergiebig regnen, wird die Lage in den allermeisten Flüssen und Bächen im Landkreis in den Sommermonaten für Tiere und Pflanzen bedrohlich“, teilt die Kreisverwaltung mit.

Grundwasserspiegel auf unterdurchschnittlichem Niveau

In ganz Baden-Württemberg liegen rund 70 Prozent der Pegel derzeit unter dem niedrigsten Wasserstand in einem durchschnittlichen Jahr. Der Grundwasserspiegel befand sich der baden-württembergischen Landesanstalt für Umwelt zufolge Ende Juni auf unterdurchschnittlichem Niveau. Von Januar bis Juni fiel nur ungefähr 80 Prozent der langjährigen durchschnittlichen Regenmenge, gleichzeitig war es zu warm.

Dank eigener Quellen und Tiefbrunnen ist Weissach fast autark

Die zugespitzte Wasserlage war kürzlich auch im Gemeinderat von Weissach im Tal Thema. Die Verwaltung rief die Bürgerschaft daraufhin in ihrem Amtsblatt zum freiwilligen Wassersparen auf. Es sei nicht das erste Mal, dass dies gemacht wurde, berichtet Kämmerer Alexander Holz, der in der Tälesgemeinde auch für die Wasserversorgung verantwortlich ist.

Weissach im Tal bezieht sein Trinkwasser aus Quellen und aus Tiefbrunnen. Durch diese beiden Rohre fließt deren Wasser ins zentrale Wasserwerk, wo es aufbereitet wird.

© Alexander Becher

Weissach im Tal bezieht sein Trinkwasser aus Quellen und aus Tiefbrunnen. Durch diese beiden Rohre fließt deren Wasser ins zentrale Wasserwerk, wo es aufbereitet wird.

Dabei steht Weissach im Tal im Vergleich zu anderen Kommunen noch sehr gut da, was die Wasserversorgung betrifft: Dank eigener Quellen und Tiefbrunnen ist die Gemeinde fast autark. Das Fremdwasser des Zweckverbands Wasserversorgung Nordostwürttemberg (NOW), der zum Beispiel Backnang, Allmersbach im Tal, Aspach, Burgstetten, Leutenbach und Oppenweiler mit Trinkwasser versorgt, soll nur bei eventuellen Versorgungsengpässen oder Notfällen genutzt werden. So heißt es zumindest auf der gemeindeeigenen Webseite. In der Realität muss das NOW-Wasser immer häufiger hinzugezogen werden, um den Verbrauch der Gemeinde zu decken, sagt Holz. „Wie jetzt zum Beispiel.“

Der Trinkwasserverbrauch hat in den vergangenen Jahren zugenommen

Das Problem, sagt er, seien nicht einmal so sehr die heißen Sommer, sondern die zu milden Winter. Neues Grundwasser bilde sich durch eine möglichst dicke Schneedecke, die langsam durch den Boden sickere. „Starkregenereignisse im Sommer bringen dem Grundwasserspiegel nichts, das meiste Wasser wird in die Kanalisation gespült“, erklärt Holz. Dazu kommt: „Seit Corona steht in jedem zweiten Garten ein Pool“, spitzt der Kämmerer zu. Der Verbrauch von Trinkwasser hat auch in Weissach im Tal deutlich zugenommen, schon durch die steigende Einwohnerzahl. „Die Situation wird immer herausfordernder“, sagt Holz. Und in den kommenden Jahren könnte sie sich noch massiv verschärfen. „Wir sind zwar von einem Schreckensszenario weit weg, aber wir müssen auf alle Fälle gegensteuern“, betont er.

Die Wassermeister behalten alle Vorgänge in Echtzeit im Blick

Gerüstet hat sich die Gemeinde in den vergangenen Jahren bereits mit dem Bau des zentralen Wasserwerks Hohholz am gleichnamigen Hochbehälter. Die zentrale Anlage zur Wasseraufbereitung gilt als das Herzstück der Eigenwasserkonzeption. Dort läuft das Rohwasser aus den Quellen und Tiefbrunnen der Gemeinde zusammen. Das hochmoderne Werk ist mit Ultrafiltrationstechnik und einer UV-Desinfektion ausgestattet. Mithilfe eines Prozessleitsystems können die beiden Wassermeister Manfred Philipp und Fabian Winizuk auf PC, Tablet und Handy alle Vorgänge in Echtzeit im Blick behalten – was etwa dabei hilft, Rohrbrüche schnell zu lokalisieren. „Bei einem Bruch einer Hauptleitung können Sie dabei zuschauen, wie sich der Hochbehälter leert“, sagt Holz. Wie das Trinkwasser in Sekundenschnelle verloren geht.

Die Trinkwasserversorgung hat höchste Priorität

Die Gemeinde hat wenig Spielraum, um mehr Wasser zu gewinnen. Aktuell wird mit einer Probebohrung geprüft, ob ein neuer Tiefbrunnen in unmittelbarer Nähe des Wasserhochbehälters Hohholz erschlossen werden kann. Außerdem könnte der NOW-Zulauf erhöht werden. Abgesehen davon kann nur ein geringerer Gesamtverbrauch die Lage verbessern. Aber wie gut klappt das mit dem Wassersparen bisher in der Tälesgemeinde? „Das ist noch sehr ausbaufähig“, sagt Holz. „Meiner Meinung nach ist es noch nicht in den Köpfen angekommen, dass die Ressource Wasser endlich ist.“ Wird sich die Problematik Wassermangel in den kommenden Jahren verschlimmern, sei auch ein temporäres Wassernutzungsverbot als letztes Mittel nicht ausgeschlossen, so der Kämmerer. Die Trinkwasserversorgung habe höchste Priorität. „Aber wir hoffen natürlich auf die Vernunft der Menschen.“

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Erstellt:
29. Juli 2022, 06:00 Uhr

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