Willkommene Hilfe in Sachen Bürokratie

Nach der Ankunft in Deutschland stellt es für Geflüchtete eine Herausforderung dar, sämtliche Formulare auszufüllen, um die nötige Hilfe zu bekommen. An zwei Vormittagen ist die Backnanger Stadtverwaltung Ukrainerinnen und Ukrainern dabei zur Seite gestanden.

Die Veranstaltung im Seniorenbüro der Stadt Backnang war sehr gut besucht. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Die Veranstaltung im Seniorenbüro der Stadt Backnang war sehr gut besucht. Foto: Alexander Becher

Von Carmen Warstat

Backnang. Für Geflüchtete ist es nicht einfach, Fuß zu fassen – sie kommen häufig traumatisiert in Deutschland an, haben harte Wege hinter sich und mussten nicht selten Angehörige zu Hause zurücklassen. Der Weg durch die Ämter der neuen oder vorübergehenden Heimat wird darüber hinaus oftmals als Behördendschungel empfunden, den nicht zuletzt sprachliche Probleme schwer durchdringbar machen können.

Aktuell ist es der Backnanger Stadtverwaltung ein wichtiges Anliegen, ukrainischen Geflüchteten einen reibungslosen Übergang in ihr neues Leben zu gewährleisten und ihnen beispielsweise mit den vielen Formularen, die sie einzureichen haben, behilflich zu sein. Dazu fanden jüngst im Seniorenbüro zwei Vormittage statt, zu denen Frauen mit ihren Kindern sowie einige Männer gekommen waren.

Sandra Amofah, Referentin für Integration und Flucht in Backnang, sowie deren Mitarbeiterin Sonia d’Amore und der Student Dario Scherffig vom Amt für Familie, Jugend und Bildung stellten den Ukrainern mit Hilfe dreier Dolmetscherinnen mehrere wichtige Formulare vor und halfen ihnen beim Ausfüllen.

Beamer und Drucker liefen heiß, und Ganna Ebhardt, Natalya Pozdnyakova – beide leben seit Langem in Deutschland – sowie Oksana Zarmarenko, die erst vor Kurzem in der Bundesrepublik ankam, gingen durch die Reihen und halfen ihren Landsleuten mit praktischen und sprachlichen Fragen, sodass alle alles vor Ort fix und fertig ausfüllen konnten.

Oksana Zarmarenko war bis vor Kurzem in Kiew Hochschuldozentin für deutsche Literatur. Mit ihrer 14-jährigen Tochter war sie im März fünf Tage mit dem Zug durch die Ukraine, Polen und Deutschland unterwegs, bis sie sich, nach der Vermittlung einer Kollegin, von Dresden aus nach Backnang auf den Weg machte.

Ein anderes Schicksal ist das der Familie von Dima Dimitrov, der mit seiner schwangeren Frau und zwei Kindern aus der Nähe von Kiew hierher kam. Nie habe er gedacht, dass der Krieg so schlimm würde und bis in die Kiewer Region vordringe. Die Familie beschloss, sich so schnell wie möglich auf den Weg aus dem Land zu machen. Sie fuhr mit dem Auto zur polnischen Grenze, wartete dort eine gefühlte Ewigkeit in einer langen Schlange und wurde gegen Mitternacht zurückgeschickt wegen der Mobilmachung, die ukrainischen Männern die Ausreise ab sofort verbot.

Die folgenden Tage suchten sie entlang der polnischen Grenze nach einem Übergang, an dem man sie, aus Mitleid vielleicht, passieren lassen würde. Aber sie wurden auch dann noch abgewiesen, als eine Ausnahmeregelung zugunsten von Familien mit drei Kindern in Kraft trat. Das dritte war ja unterwegs, argumentierten sie, die Grenzbeamten jedoch blieben hart.

Ihre Odyssee führte die Familie bis an die rumänische Grenze, wo „gute Menschen, ukrainische Grenzbeamte“ sie endlich durchließen. Kurz darauf sollte es eine neue Ausnahmeregelung geben, die ihnen die zu 100 Prozent legale Ausreise ermöglicht hätte.

Aber sie hatten es bereits geschafft. Ein gesunder Sohn wurde in Winnenden geboren, eine sehr hilfsbereite und großzügige Gastfamilie in Maubach nahm sie auf. Sie fühlen sich „selig, hier zu sein, in vielerlei Hinsicht.“ Dima erzählte das alles auf Englisch, denn die Dolmetscherinnen hatten ordentlich zu tun und unterstützten auch die später hinzugekommenen Jobcenter-Mitarbeiterinnen bei ihrer Arbeit. Die ausgefüllten Formulare wurden von diesen noch einmal überprüft und gleich entgegengenommen.

Denn zum 1. Juni erfolgt ein Rechtskreiswechsel: Bisher erhielten die Geflüchteten ihre Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz über die Landratsämter, in Zukunft hingegen sind die Jobcenter zuständig, und dies verursacht eben bürokratischen Aufwand. Bereits vorab hatte ein Multiplikatorenschultag einige gastgebende Personen und ehrenamtlich Aktive auf die neue Situation vorbereitet.

Nie habe er gedacht, dass der Krieg so schlimm würde und bis in die Kiewer Region vordringe.

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Erstellt:
21. Mai 2022, 06:00 Uhr

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