„Wir sind lange genug hingehalten worden“

Der Backnanger Diözesanrat Klaus Herberts fordert Veränderungen in der katholischen Kirche und hofft auf den „Synodalen Weg“

Die Katholiken an der Basis sind sich einig: „So kann es nicht weitergehen.“ Die Kirche verliert innerhalb der Gesellschaft in dramatischer Weise an Glaubwürdigkeit. Selbst die Kirchenführung räumt inzwischen ein, die Kirche stecke „in einer tiefen, in großen Teilen selbst verschuldeten Krise“. Mit dem sogenannten Synodalen Weg beginnt die katholische Kirche nun einen Reformprozess. Für den Backnanger Diözesanrat Klaus Herberts höchste Zeit, „wir sind lange genug hingehalten worden“.

Einer der Hauptforderungspunkte: Änderungen bei der Forderung nach der Ehelosigkeit der Priester. Weiheämter sollen nicht auf die zölibatäre Lebensform beschränkt werden. Zudem sollen Frauen neue Zugänge zu Ämtern in der Kirche erhalten. Symbolfoto: Stock-Imago/H. Mallaun

© Hannes Mallaun - stock.adobe.com

Einer der Hauptforderungspunkte: Änderungen bei der Forderung nach der Ehelosigkeit der Priester. Weiheämter sollen nicht auf die zölibatäre Lebensform beschränkt werden. Zudem sollen Frauen neue Zugänge zu Ämtern in der Kirche erhalten. Symbolfoto: Stock-Imago/H. Mallaun

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Der „Synodale Weg“ wurde von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken gemeinsam ins Leben gerufen. Die Auftaktveranstaltung zu dem Reformprozess war bereits am ersten Advent im Kloster Reute. Nun gilt es, in den nächsten zwei Jahren konkret Schritte zu erarbeiten. In diesem Zeitraum wird die Synodalversammlung mit etwa 230 Mitgliedern zu vier großen Plenarsitzungen im St.-Bartholomäus-Dom in Frankfurt am Main zusammenkommen.

Klaus Herberts ist Mitglied des Diözesanrats Rottenburg/Stuttgart. Der Backnanger fordert die Stärkung der einzelnen Diözesen und deren Entscheidungsbefugnissen. Bei der Reform geht es um die Dauerbrennerthemen: ganz konkret um die Zulassung von Frauen zum Priesteramt, um den Zölibat, um das klerikale Verhalten von Ordinierten, um die verkrusteten Machtstrukturen sowie um die kirchliche Sexualmoral.

Als praktizierender Katholik steht Herberts nahezu uneingeschränkt hinter den Forderungen nach Erneuerung. Zwei Aspekte bereiten ihm jedoch Sorge. Erstens: Dass die Reformen eventuell zu spät kommen. Zweitens: Dass beim Reformprozess zwar viele Punkte angesprochen werden, am Ende aber schlimmstenfalls konkrete Ergebnisse ausbleiben. „Der Berg kreißt und gebiert eine Maus.“

Für Herberts steht deshalb fest, „es darf keine Hinhaltetaktik mehr geben, es muss sich etwas ändern, wir sind lange genug hingehalten worden“. Es steht für ihn auch außer Frage, dass die Basis mitreden darf, „der Diözesanrat als Gremium ist quasi der Landtag der Katholiken in Württemberg“.

Insofern formulierte der Diözesanrat auch konkret Forderungen, die die Kirchenleitung beachten müsse. So listet er beispielsweise die Entscheidung des Diözesanrats auf, keine Kirchensteuermittel für Entschädigungszahlungen an Opfer sexuellen Missbrauchs durch Geistliche zu verwenden. Herberts möchte nicht falsch verstanden werden, es geht nicht darum, dass die Opfer keine Entschädigung erhalten sollen. Es geht dem Diözesanrat jedoch gegen den Strich, wie in diesem Fall wieder einmal über alle Köpfe hinweg entschieden werden sollte.

Am Anfang stand die Idee von Bischof Stephan Ackermann aus Trier. Der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz wollte Missbrauchsopfer pauschal mit 300000 Euro abfinden. Dazu wollte er Geld aus der Kirchensteuer verwenden. Herberts und die Mehrheit des Diözesanrats meinen hingegen: „Für das Versagen einiger Mitarbeiter und Verantwortungsträger dürfen nicht die Gläubigen als Solidargemeinschaft in Haftung genommen werden.“ Vielmehr forderte er, dass die Schuldigen in Haftung genommen werden sollten. Und dazu zählt er nicht nur die Täter, sondern auch diejenigen, die bei der Überwachung oder Strafverfolgung versagt hätten. Vor allem ärgert sich Herberts darüber, dass der Bischof wieder einmal von oben herab hierarchisch alleine entscheiden will, wie er mit dem Kirchengeld umgehen wird.

Ein weiteres Thema ist das sogenannte „Konzil von unten 2020“. Dieses Konzil soll ebenfalls ein Weckruf an die Kirchenleitung sein. Immer mehr Katholiken resignieren. Auch solche, die eigentlich seit Jahren ehrenamtlich engagiert sind. Viele erwägen einen Kirchenaustritt oder vollziehen ihn gar. Die Veranstalter des Konzils, die Aktionsgemeinschaft Rottenburg als Solidaritätsgruppe von Priestern und Diakonen, der Bund der Deutschen Katholischen Jugend, der Deutsche Katholische Frauenbund und die Initiative Pro Concilio, sie alle haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, „weil uns die Kirche wichtig ist“. Im Programm der Konzilbewegung heißt es: „Es ist höchste Zeit, den jahrzehntealten kirchlichen Reformstau zu beenden und in den Ortskirchen und auf der Weltebene die notwendigen Entscheidungen herbeizuführen.“ Im Konzil von unten wollen die Akteure in einem breit angelegten Prozess alle reformwilligen Kirchengemeinden und Organisationen vernetzen und mit möglichst vielen Mitchristen Reformforderungen beschließen. Damit wollen sie ein Zeichen für ein synodales Miteinander setzen. Und eben diese Forderungen in den Synodalen Weg der Kirche einbringen.

Dass Konzil ein großes Wort ist, das ist auch den Organisatoren bewusst. Ihnen ist aber gleichzeitig klar, dass der „deutsche Synodale Weg allein nicht ausreicht, um die notwendigen strukturellen und inhaltlichen Reformen der Kirche auf den Weg zu bringen“. Daher fordern sie ein Weltkonzil. Allerdings eines, das sich unterscheidet von den bisherigen. Bei einem künftigen Konzil sollen der Papst und Bischöfe nicht unter sich bleiben. Vielmehr sollten dann Stimmberechtigte aus allen Lebensbereichen und Altersstufen vertreten sein.

Die Akteure wollen alte Machtstrukturen überwinden und fordern mehr synodale Strukturen und transparente Entscheidungsprozesse, dezentralere Entscheidungskompetenzen sowie eine verständliche und ansprechende Verkündigung. Damit wieder mehr Gläubige in die Kirchen kommen, gelte es, die Glaubensinhalte neu zu erschließen und eine Vielfalt von Formen der Liturgie und Verkündigung zuzulassen. Vor allem die Rolle der Frau müsse reformiert werden. „Wir brauchen neue Zugänge zum kirchlichen Amt und eine Gleichstellung der Geschlechter.“ Weiheämter dürften nicht auf die zölibatäre Lebensform beschränkt werden. Eine weitere Forderung: „Monarchische Entscheidungsstrukturen müssen überwunden werden.“ Unter anderem solle das Volk Gottes bei der Besetzung von Bischofsämtern beteiligt werden. Die erstarrte Sexualmoral der Kirche müsse überwunden werden. Menschen dürften nicht wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Und wiederverheiratete Geschiedene sollten in voller Gemeinschaft mit der Kirche verbleiben können. Auch fordern die Konzilplaner, die Trennung zwischen den Kirchen zu überwinden: „Die Zukunft des Christentums ist ökumenisch.“

„Jetzt muss sich etwasverändern. Wir sindlange genughingehalten worden.“Klaus HerbertsDiözesanrat aus Backnang

© Foto Korb

„Jetzt muss sich etwas verändern. Wir sind lange genug hingehalten worden.“ Klaus Herberts Diözesanrat aus Backnang

Info
Vier Foren bei der Synodalversammlung und das „Konzil von unten“

Die Synodalversammlung mit über 200 Frauen und Männern ist das höchste Gremium des Prozesses und wird erstmals vom 30. Januar bis zum 1. Februar in Frankfurt tagen. Die weiteren Termine sind 3. bis 5. September 2020, 4. bis 6. Februar 2021 und 30. September bis 2. Oktober 2021.

Für die thematische Erarbeitung der Vorlagen für die Synodalversammlungen sind die vier Synodalforen zuständig. Sie bestehen aus Mitgliedern der Synodalversammlung sowie weiteren Expertinnen und Experten.

Die vier Diskussionsforen werden jeweils von einem Bischof und einem Laien geleitet. Sie haben bereits getagt und erste Arbeitspapiere verfasst, siehe www.dbk.de, Stichwort Synodaler Weg.

Die Themen der Foren lauten:

– Macht, Partizipation und Gewaltenteilung. Leitung: Claudia Lüding-Michel, Vizepräsidentin des ZdK, und Bischof Karl-Heinz Wiesmann aus Speyer

– Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche. Leitung: Dorothea Sattler, Theologieprofessorin in Münster, und Bischof Franz-Josef Bode aus Osnabrück

– Sexualmoral. Leitung: Birgit Mock, Vizepräsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbunds, und Bischof Georg Bätzing aus Limburg

– Lebensform für Priester. Leitung: Stephan Buttgereit, Geschäftsführer des katholischen Verbands für soziale Dienste in Deutschland, und Bischof Felix Glenn aus Münster

Parallel möchte sich das „Konzil von unten“ in den Synodalen Weg mit einbringen. Getragen wird es von folgenden vier Organisationen:

– Aktionsgemeinschaft Rottenburg (Solidaritätsgruppe von Priestern und Diakonen)

– Bund der Deutschen Katholischen Jugend, Diözese Rottenburg/Stuttgart

– Katholischer Deutscher Frauenbund, Diözesanverband Rottenburg/Stuttgart

–Initiative „Pro Concilio“, Reforminitiative in der Diözese Rottenburg/Stuttgart

Das Konzil soll am Samstag, 7. November 2020, in der Festhalle in Rottenburg stattfinden.

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Erstellt:
21. Januar 2020, 06:00 Uhr

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