Rentendebatte bei „Hart aber fair“
„Wir steuern auf einen Eisberg zu“
Der junge CDU-Abgeordnete Johannes Volkmann bekräftigt in der ARD seine Blockadedrohung fürs Rentenpaket der Bundesregierung.
© IMAGO/Klaus W. Schmidt
Der junge CDU-Abgeordnete Johannes Volkmann zu Gast bei „Hart aber fair“ am 27. Oktober 2025.
Von Christoph Link
Fällt es der älteren Generation leichter, ihre politischen Interessen in Deutschland durchzusetzen? Gleich zu Anfang der ARD-Talkrunde „Hart aber fair“ zum Thema „Ist die Rente unbezahlbar“ kam auf diese Frage von Moderator Louis Klamroth eine klare Bestätigung von der Wissenschaft: Ja, behauptete Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). 59 Prozent der Wähler seien über 50 Jahre alt, 30 Prozent seien unter 30 Jahren. Und die Bundesregierung habe das im Blick. „Sie macht eine Politik für die Älteren.
Das zeigt sich bei der Rentengarantie, der Mütterrente, den riesigen Schulden für die Verteidigung, die die Jungen abzahlen müssen und an den fehlenden Ausgaben für Bildung. Die Interessen der Älteren werden mehr berücksichtigt.“ Marcel Fratzscher ist der Forscher, der kürzlich mit Ideen für einen Soli für Babyboomer und einem sozialen Pflichtjahr für Ältere Aufsehen erregte.
Bei „Hart aber fair“ erntete er mit seinen Ansichten heftigen Widerspruch von Andreas Bovenschulte (SPD), dem Bürgermeister von Bremen. Die Bundesregierung habe alle Generationen im Blick, meinte Bovenschulte. Auch das Sondervermögen für Infrastruktur komme der jungen Bevölkerung zugute, vorgesehen seien darin auch 100 Milliarden Euro für die Länder, die sie in Bildungseinrichtungen stecken könnten. Es gehe nicht an, hier die Jungen gegen die Älteren auszuspielen.
„Mit Zahlen wird Propaganda gemacht“
Energisch verteidigte Bovenschulte das Rentenpaket von SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas, das eine Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent bis 2031 vorsieht und in den Folgejahren bis 2040 allenfalls ein Absinken um ein bis zwei Prozent vorsieht. Eine Gruppe von 18 jungen Unions-Abgeordneten will im Bundestag dagegen votieren und das Vorhaben stoppen. Einer von ihnen, Johannes Volkmann (28), saß im Studio und erneuerte seine Blockadedrohung, falls im parlamentarischen Prozess nichts korrigiert werde: „Angesichts unserer demografischen Entwicklung funktioniert das Rentenpaket so nicht mehr. Wir wollen keine Kürzung der Rente, sondern nur eine weniger starke Steigerung als die des Lohnniveaus.“ Es sei die SPD gewesen, die einmal den Nachhaltigkeitsfaktor bei der Rente eingeführt habe, jetzt soll er wieder fallen.
Volkmann nannte hohe Milliardensummen, mit denen der Bundesetat durch das Rentenpaket belastet werde. Das sei ein Beispiel, „wie mit Zahlen Propaganda gemacht wird“, erwiderte daraufhin Bürgermeister Bovenschulte. Die nominalen Zahlen sagten doch nichts. Tatsache sei, dass der Anteil der Rentenzuschüsse in den letzten Jahren gemessen an der Entwicklung des Bundesetats, der Wirtschaftsleistung und der Steuereinnahmen gesunken sei.
Höhere Rente in Österreich
Bovenschulte hält die durchschnittliche Altersrente von 1500 Euro nach 45 Jahren Arbeit in Deutschland für zu niedrig, er orientiert sich lieber am Modell Österreichs, wo die Altersbezüge um 1000 Euro höher liegen, dort sei der Abstand zwischen Arbeitsleben und Rente viel geringer: „In Deutschland ist die Abbruchkante im Ruhestand hoch.“ Die Österreicher hätten aber auch ein anderes System mit höheren Beiträgen und Steuerzuschüssen. Vom Rentenpaket profitierten im übrigen auch die Jüngeren, so Bovenschulte, gerechnet auf den gesamten Lebenszyklus sei dann auch ihre Rente stabilisiert.
Der CDU-Politiker Volkmann wollte das nicht glauben: „Wir steuern auf einen Eisberg zu. Immer weniger zahlen in die Rentenkasse ein.“ Vom Ökonomen Fratzscher wurde das bestätigt: In zehn Jahren werden fünf Millionen mehr Babyboomer in Rente gehen als erwerbsfähige Menschen nachkommen. Für die Jüngeren werde die Belastung steigen, höhere Beiträge werden ihren wirtschaftlichen Wohlstand tangieren. Dass es aber auch Altersarmut in Deutschland gibt, jeder vierte ist betroffen, war in der Talkrunde unumstritten. „Mit einer Rente von unter 1800 Euro kann man in einer Stadt wie München heute gar nicht mehr leben“, meinte Patricia Riekel, ehemalige Chefredakteurin von „Bunte“.
Bei der Aktivrente fallen viele „hinten runter“
Dass mehr Rentner im Ruhestand arbeiten, das ist ein Anliegen der ab 2026 möglichen „Aktivrente“ mit Steuerfreibeträgen für sozialversicherungspflichtige Beschäftigte bis 2000 Euro im Monat. „Das war nicht der große Wurf“, meinte Marcel Fratzscher hierzu. Es profitierten schätzungsweise 310.000 Rentner davon, aber 270.000 Selbständige „fallen hinten runter“. Nur vereinzelt gab es in der Talkrunde Einwände gegen Fratzschers Vorschlag mit einem Boomer-Soli. Es gebe in der Babyboomer-Generation einige mit „extrem hohen Vermögen“, so Fratzscher. Die Umverteilung solle nicht von Alt nach Jung, sondern innerhalb einer Generation von Reich zu Arm stattfinden. Damit könnten die Einkünfte von 40 Prozent aller Personen mit geringen Renten um zehn bis elf Prozent erhöht werden. Mit so einer Maßnahme bestrafe man diejenigen, die privat fürs Alter vorgesorgt hätten, warf Johannes Volkmann da in die Debatte ein.
„Ich hätte Sie gerne als Enkel“
Wenig Gegenliebe erzeugte Fratzschers Idee eines verpflichtenden sozialen Jahres für 65 bis 70-Jährige – als Antwort auf all die Lasten, die man den Jungen aufschultere von den hohen Schulden bis zur Wehrpflicht. Er habe schon 20 Monate als Rettungssanitäter und drei Monate im Grundwehrdienst abgeleistet, meinte daraufhin der 60 Jahre alte Bovenschulte, und die Frührentnerin und ehemalige Busfahrerin Cordula Kersbaum, 63 Jahre alt, ergänzte : „Um Gottes Willen, nein! Ein Jahr weiter arbeiten, das würde ich gar nicht schaffen.“
Nicht festlegen auf die Pflicht wollte sich der 18-jährige Quentin Gärtner, Geschäftsführer der Bundesschülerkonferenz. Er plädierte allgemein für eine weitsichtige Politik, die dazu führe, dass auch die spätere Generation mal eine gute Rente habe. Die Jungen seien eine „Schaffergeneration“, es sei nicht die Generation „nörgelnd“ oder „Waschlappen“ und man sei bereit Probleme aus dem Weg zu räumen, allerdings müsse auch die Lastenverteilung stimmen und es müsse in Bildung und Gesundheit investiert werden. „Ich hätte Sie gerne als Enkel“, meinte daraufhin begeistert die Ex-Chefredakteurin Riekel. Gärtner sei ein Vertreter einer Verantwortung tragenden Jugend.
