Nicole Hoffmeister-Kraut über das Konzept Metaverse
Wofür brauchen wir das Metaverse, Frau Hoffmeister-Kraut?
Digitale Innovationen sollen Baden-Württemberg neue Stärke bringen. Ein Kongress mit Messe zum Thema Metaverse will Chancen aufzeigen. Aber wo steht Baden-Württemberg wirklich? Wir haben nachgefragt – bei Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut.

© Christoph Schmidt/dpa/Archivbild
Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU)
Von Nikolai B. Forstbauer
Am 8. werden die Schleyerhalle und die Porsche-Arena in Stuttgart zu Marktplätzen der digitalen Zukunft. Das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg bittet bei der Veranstaltung „Virtuelle Welten – Chancen im Metaverse erleben“ zu Debatten, Firmenpräsentationen, Workshops und mehr. Mit welchem Hintergrund? Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) gibt Antworten.
Frau Ministerin, aus der 1992 veröffentlichten Metaverse-Fiktion des US-amerikanischen Autors Neil Stephenson ist ein weltweiter Wettlauf um die schnellsten Wege hin zu einer sich selbst immer weiter entgrenzenden digitalen Realität geworden. Wo steht aus Ihrer Sicht Baden-Württemberg in diesem Wettlauf?
Baden-Württemberg ist ein starker Industriestandort, verfügt über eine vielfältige Kreativwirtschaft, eine beeindruckende Forschungs- und Hochschullandschaft sowie eine schlagkräftige Start-up-Szene und ein praxisnahes XR-Netzwerk zu Fragen der erweiterten Realität und ein ebensolches VFX-Netzwerk zur Erarbeitung visueller Effekte. Dazu kommen Kompetenznetzwerke, Anlaufstellen für Künstliche Intelligenz und zahlreiche mutige Unternehmerinnen und Unternehmer auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen.
Sie klingen zuversichtlich ....
Wir haben schon heute auf den Gebieten, die die Wirtschaft von morgen prägen, jede Menge zu bieten. Auf unserer neuen Kompetenz- und Community-Plattform „CyberLänd“ sind bereits rund 850 Unternehmen registriert, die Anwendungsfälle mit Metaverse-relevanten Technologien umsetzen, und die Tendenz ist stark steigend. Ich blicke daher mit großer Zuversicht auf unsere Unternehmen und unseren Standort.
Für die Kreativwirtschaft ergibt eine Studie ein Wachstum von 900 Prozent im Bereich der VR-Technologie – spürbar vor allem im Bereich Special Effects. Entstehen hier belastbar neue Industriezweige?
In der Tat ermöglichen virtuelle Welten innovative Geschäftsmodelle und neue Formen kollaborativer Wertschöpfung, die sowohl für Unternehmen insbesondere auch für Start-ups ein hohes wirtschaftliches Wachstums- und Wertschöpfungspotenzial sowie neue Arbeitsplätze hier am Standort versprechen. Klar ist: Kreativwirtschaft und traditionelle Branchen, aber auch die verschiedenen Technologiebereiche untereinander müssen stärker kooperieren, um bei den rasanten Entwicklungen in diesem Bereich eine gewichtige Rolle zu spielen.
In all diese Dynamik hinein ist der Kongress mit Messe am 8. Mai in der Schleyerhalle sowie in der Porsche-Arena in Stuttgart platziert. Mit welchem Ziel?
Wir wollen mit unserem Kongress „Virtuelle Welten – Chancen im Metaverse erleben“ genau das erreichen: Wir wollen aufzeigen, welche Möglichkeiten das Metaverse für Unternehmen aller Branchen, Start-ups, Fachkräfte, Studentinnen und Studenten, Auszubildende und auch für den Staat bietet und dazu ermutigen, sich aktiv an den Gestaltungsmöglichkeiten zu beteiligen. Am 8. Mai bringen wir Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung mit der Kreativwirtschaft, dem Bereichs Games und den Fachkräften von morgen zusammen. Dadurch sollen für alle Seiten neue Impulse entstehen. Und das nicht nur regional, sondern auch international.
Wer ist dabei?
Als Aussteller und Besucher sind 44 Nationen vertreten. Die EU-Kommission übernimmt einen aktiven Part. Der branchenübergreifende Kongress soll sowohl das Community-Building der Metaverse-Szene in Baden-Württemberg und darüber hinaus vorantreiben als auch Unternehmen und Start-ups dabei unterstützen, Anwendungsfälle mit Metaverse-relevanten Technologien zu entwickeln und in konkrete zusätzliche Wertschöpfung umzusetzen. Abwarten ist bei diesem Zukunftsthema sicher keine gute Idee. Stattdessen gilt: Packen wir’s an!
Eine Veranstaltung dieser Größe ist auch ein Argument für die Notwendigkeit des unmittelbaren Austauschs „face to face“ – oder?
Die gute Resonanz auf unseren Kongress und die Messe zeigen, dass die Menschen Begegnungen im realen Leben nicht missen wollen. Vielmehr ist es die Chance darauf, eben face to face mit einem Unternehmen aus einer anderen Branche zusammenzutreffen, sich mit Expertinnen und Experten aus einem anderen Fachgebiet auszutauschen und echte Anwendungsfälle zu erleben.
An wen richtet sich dieser Kongress?
Trotz der vielversprechenden Potenziale von Metaverse-Anwendungen zeigt eine Studie des Digitalverbands Bitkom eine ambivalente Haltung der Unternehmen beim Thema Metaverse und vor allem eine große Gruppe Unentschlossener. Ein ähnliches Bild zeichnet die Studie CyberLÄND, die 2023 im Auftrag meines Hauses erarbeitet wurde. Während die Potenziale des Metaverse von Unternehmen in allen Branchen erkannt werden, spiegeln diese sich nicht in den tatsächlich getätigten Investitionen der relevanten Technologien wider. Es ist wichtig, dass wir hier schnell Impulse schaffen und die Unternehmen und Menschen im Land ermutigen, engagiert und zuversichtlich an diesen wichtigen Entwicklungen mitzuwirken. Mit dem Kongress wollen wir einen Anstoß zur Zusammenarbeit bei zentralen Zukunftsfragen geben.
Wie viele Besucherinnen und Besucher erwarten Sie?
Die Resonanz auf den Kongress ist sehr groß! Stand heute haben sich mehr als 3700 Interessierte aus 44 Ländern über das Anmeldeportal registriert. Wir erwarten Aussteller an 160 Ständen und haben eine lange Warteliste! Auch das Programm und die hochkarätigen Speakerinnen und Speaker sprechen für das Veranstaltungsformat.
Die Veranstaltung findet parallel zum Internationalen Trickfilm-Festival Stuttgart und parallel zur FMX als einem der weltweit führender Branchentreffs der VR- und AR-Landschaft an. Hinweise auf diese Dopplung sind jedoch nicht zu finden. Sehen Sie keine Verbindungen?
Im Gegenteil, wir sehen hier eine ganz klare Verbindung und sind deshalb bereits frühzeitig auf die Veranstalter zugegangen. Wir haben unseren Kongress, die Animation Production Days, das Internationale Trickfilm-Festival Stuttgart und die FMX – Film & Media Exchange, die alle ebenfalls in Stuttgart stattfinden, bewusst gemeinsam unter dem Label „Stuttgart Animation Week meets Virtual Worlds“ vermarktet.
Mit dem Ziel größerer Sichtbarkeit?
Mit unserem Kongress und der Messe stellen wir die Vernetzung der Industrie mit der Kreativbranche, etwa auch Animation und Games, in den Vordergrund. So entsteht ein branchenübergreifender Austausch – wie wir ihn etwa vom South by Southwest Film Festival kennen, das jährlich in Austin in Texas stattfindet und das ich 2024 besucht habe. Das spricht auch die Besucher der anderen Veranstaltungen an und es lohnt sich einmal mehr, in der kommenden Woche nach Stuttgart zu kommen.
Bereits vor 20 Jahren warb die Digitalindustrie mit der baldigen Zukunft, jedwede Fläche zu Screens zu machen. Davon sind wir noch immer weit entfernt. Ist vielleicht auch das sich selbst entwickelnde Internet noch weit entfernt?
Natürlich sind wir noch nicht am Ziel. Viele Unternehmen und Start-ups haben sich schon auf den Weg gemacht und entwickeln das Internet der Zukunft bereits ganz konkret. Dafür müssen wir aber auch politisch die richtigen Weichen stellen: Wir brauchen innovationsfreundliche Rahmenbedingungen für Investitionen von Unternehmen in Technologien, welche die Nutzung virtueller Welten ermöglichen und die notwendige technologische Weiterentwicklung unterstützen. Diesen Appell richte ich auch an die neue Bundesregierung und die Europäische Union. Zudem müssen wir die wirtschaftlichen Potenziale der virtuellen Welten noch besser bekannt machen. Hierbei kann Politik unterstützen. Auch das ist ein Ziel unseren Kongresses.
Zahlreiche Mittelständler und Start Ups sind an dem Kongress beteiligt. Wie identifiziert das Land Projekte, die es jetzt unmittelbar zu begleiten gilt?
Der Kongress ist nur der Beginn einer breit angelegten Initiative meines Hauses. Er ist ein wichtiger Schritt zur Fortsetzung der CyberLÄND-Initiative des Wirtschaftsministeriums, mit der wichtige Metaverse-relevante Technologien wie Digitale Zwillinge, VR, AR und XR, Games, Blockchain, Cybersicherheit, Künstliche Intelligenz und andere branchenübergreifend genutzt und weiterentwickelt werden sollen.
Können sie das konkretisieren?
Wir laden alle Unternehmen und Start-ups dazu ein, sich auf der CyberLänd-Plattform zu vernetzen und gemeinsam an neuen Wegen der virtuellen und physischen Kollaboration zu arbeiten. Das wird mein Haus, auch mit den bereits angestoßenen Fördermaßnahmen wie etwa den MetaverseChecks und unserem Reallabor zum Industrial Metaverse, kontinuierlich begleiten. Ferner werden wir am 8. Mai einen InvestBW-Förderaufruf mit den zwei Themenschwerpunkten „Virtuelle Welten, Digitale Zwillinge, Blockchain und Cybersicherheit“ – und damit Metaverse-relevanten Technologien sowie „Maschinenbau, Robotik, Sicherheit und Verteidigung“ veröffentlichen. Hier können Unternehmen – alleine oder in Kooperation mit Partnern aus Wirtschaft und Forschung – staatliche Förderung für Innovationsvorhaben erhalten.
Braucht es nicht mehr Breitenwirkung?
Gerade Breitenwirkung muss inhaltlich und strukturell belastbar sein. Hier nenne ich die Förderung über Games BW, mit der wir gezielt die Games-Branche als großen Innovationsbeschleuniger auch für andere Branchen fördern. Und wir verschaffen den immersiven Technologien mehr Sichtbarkeit, indem es beim Design Preis „Focus open“ und bei den „KI-Champions BW“ in diesem Jahr erstmals immersive Kategorien gibt.
Und welcher Thementeil des Kongresses interessiert Sie selbst am meisten? Wo wollen Sie unbedingt dabei sein?
Wo fange ich da nur an? Von hochkarätigen internationalen Speakerinnen und Speakern auf unserer Hauptbühne bis zu den neuesten Metaverse-Technologien von Hidden Champions auf unserer Ausstellungsfläche ist alles dabei. Metaverse-Pionier Collin Croome , Solomon Rogers als Global Director von Innovation Magnopus, Bundesverfassungsrichter Martin Eifert und Anne Bajart als Projektleiterin bei der EU-Kommission werden Impulse auf unserer großen Bühne geben. Bei den Ausstellern wird von brillenlosen Technologien für virtuelle Welten bis zu Robotern für die Medizintechnik eine ganze Bandbreite an Produkten und Möglichkeiten vorgestellt.
Das hat alles eine recht hohe Flughöhe ..
Inhaltlich schon, aber genau deshalb gibt es in den Workshop-Räumen und bei kleineren Formaten einiges zu erleben – ich sage nur Business Speed Matching und MetaverseChecks. Toll finde ich persönlich auch noch unseren Avatar Joseph von Fraunhofer, der unsere Gäste als Leitsystem durch die vielen Räumlichkeiten navigieren wird. Das finale Highlight, auf das ich mich ebenfalls sehr freue, ist die Preisverleihung der KI-Champions BW an großartige Start-ups und Unternehmen: In diesem Jahr zum ersten Mal mit einer Metaverse-Kategorie.
Die Ministerin und das Metaverse
Wer?Nicole Hoffmeister-Kraut wurde 1972 in Balingen geboren. Nach ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre in Tübingen promovierte sie 2001 an der Universität Würzburg. In der Folge arbeitete Hoffmeister-Kraut bei der Investmentbank Morgan Stanley, danach bis 2005 als Analystin bei Ernst & Young in London und Frankfurt. Sie ist seit 1999 Gesellschafterin der Bizerba SE & Co. KG in Balingen. Dort war sie von 2014 bis zu ihrem Amtsantritt als Ministerin im Mai 2016 Mitglied des Aufsichtsrats. Seit Mai 2016 ist sie Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg, am 12. Mai 2016 wurde Nicole Hoffmeister-Kraut zur Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau des Landes Baden-Württemberg ernannt. Am 12. Mai 2021 wurde Hoffmeister-Kraut zur Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus des Landes Baden-Württemberg ernannt. Bis Mai 2016 war sie Mitglied des Gemeinderats der Stadt Balingen und Mitglied im Kreistag des Zollernalbkreises.
Was?Am 8. Mai 2025 lädt das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg gemeinsam mit dem Virtual Dimension Center - Kompetenzzentrum Virtuelle Realität und Kooperatives Engineering w. V. zum Metaverse-Kongress 2025 in Stuttgart ein. Beim Metaverse-Kongress dreht sich alles rund um das Thema Virtual und Augmented Reality sowie um digitale Zwillinge. Unter dem Motto „Virtuelle Welten – Chancen im Metaverse erleben“ vereint dieser Tag Kongress und Messe und bietet Keynotes, Pitches und Talks, Workshops, Vernetzungsmöglichkeiten und Beratungsangebote. Am 9. Mai schließt sich im Hotel Maritim in Stuttgart der Branchentreff XR EXPO Kongress an. Die Abkürzung XR (Extended Reality/Erweiterte Realität) bezieht sich auf alle kombinierten realen und virtuellen Umgebungen und Mensch-Maschine-Interaktionen.