Bärenpark Schapbach

Wohl umstrittenste Bärin Europas bald im Schwarzwald

Die Bärin Gaia hatte 2023 einen jungen Mann im Trentino getötet. Nun nimmt der Bärenpark Schapbach sie auf. Es wurde extra ein ausbruchssicheres Gehege gebaut.

Die Bärin JJ4 ist knapp 20 Jahre alt – seit zwei Jahren lebt sie gefangen in Trient.

© Stiftung für Bären

Die Bärin JJ4 ist knapp 20 Jahre alt – seit zwei Jahren lebt sie gefangen in Trient.

Von Thomas Faltin

Bald ist es so weit: die Bärin JJ4, die im April 2023 im norditalienischen Trentino den 26-jährigen Andrea Papi getötet hat, soll demnächst in den Alternativen Wolf- und Bärenpark in Bad Rippoldsau-Schapbach (Kreis Freudenstadt) umziehen. Dort wurde extra ein ausbruchssicheres Gehege für die Bärin gebaut. Der Spiegel nannte jetzt den Juli als Zeitraum und bezieht diese Information offenbar aus italienischen Quellen.

Der Park selbst will den Rummel um die Bärin möglichst gering halten und gibt keine Auskunft. „Da wir ein Tierschutzprojekt sind, legen wir höchsten Wert auf die Bedürfnisse des Tieres und somit auf eine möglichst stressfreie Ankunft der Bärin“, betont Projektleiter Raoul Schwarze. Man werde erst später eine Pressemitteilung versenden. Um Enttäuschungen neugieriger Besucher vorzubeugen: Auch sie werden das Tier nicht zu Gesicht bekommen, das Gehege liegt abseits des öffentlichen Bereiches.

Auf der Webseite des Bärenparks stellt die Betreiberin, die Stiftung für Bären, aber ausführliche Hintergrundinformationen zur Verfügung. Vielleicht ist JJ4, die auch Gaia genannt wird, derzeit die umstrittenste Bärin Europas. Ihr wissenschaftlicher Name bezieht sich auf ihre Eltern Jurka und Joze; sie ist das vierte von vier Nachkommen der beiden. Ein anderer Spross ist ebenfalls zu Berühmtheit gelangt: Bruno (offiziell JJ1) war 2006 der erste Bär, der wieder nach Deutschland eingewandert war und bald auf Befehl der bayerischen Regierung abgeschossen worden war.

Bereits die Mutter Jurka, die 1999 im Rahmen eines Wiederansiedlungsprojektes von Slowenien ins Trentino gebracht worden war, habe ihre Scheu vor dem Menschen verloren, nachdem sie mutmaßlich angefüttert worden war, schreibt die Stiftung. Und dieses Verhalten habe sie ihren Nachkommen weitergegeben, was auch diese für Menschen gefährlich machte, weil sich solche Tiere in die Nähe von Siedlungen trauten und Abfalltonnen durchstöberten oder Bienenstöcke plünderten. Jurka ist deshalb gefangen worden und lebt bereits seit 2010 ebenfalls im Bärenpark Schapbach. Wie Bruno sind ihre beiden weiteren Nachkommen 2005 und 2008 getötet worden.

Als Einzige der Familie habe sich JJ4 nicht den Ortschaften genähert, so der Bärenpark. Dennoch hatte sich das 2006 geborene Tier laut der ISPRA, dem italienischen Institut für Umwelt, schon vor der tödlichen Attacke zweimal auf dem Monte Peller in der Adamello-Brenta-Gruppe Menschen genähert. Bereits 2020 sollte es deshalb erschossen werden, was ein Gericht aber untersagte. Stattdessen wurde es mit einem Funkhalsband ausgestattet.

Nach dem dramatischen Tod des Bergläufers Andrea Papi – die Bärin JJ4 hatte zu diesem Zeitpunkt wie auch bei den vorherigen Begegnungen mit Menschen Junge – war die Situation im Trentino emotional und politisch eskaliert. JJ4 selbst wurde wenige Tage später gefangen und sollte eigentlich getötet werden, doch Naturschützer klagten und verhinderten erneut den Tod der Bärin. Seit mehr als zwei Jahren lebt das Tier deshalb vorübergehend in einem Gehege der Forstbehörden in Casteller bei Trient.

Im Zentrum des Sturms steht Landeshauptmann Maurizio Fugatti, der eine harte Linie fahren möchte. Seit 2014 soll es neun Bärenattacken in der Provinz gegeben haben, zuletzt war im Sommer vergangenen Jahres ein französischer Tourist verletzt worden. Drei Problembären wurden nun bereits offiziell erschossen, illegal kam es zu weiteren Tötungen. Fugatti hat es nun auch durchgesetzt, dass in diesem und im nächsten Jahr je acht Bären getötet werden dürfen, um den Bestand zu dezimieren.

Tatsächlich sind viele Menschen im Trentino der Meinung, dass es dort mittlerweile zu viele Bären gebe. Zwischen 1999 und 2002 waren zehn Tiere im Projekt Life Ursus ausgesetzt worden, heute sind es rund 100. Die Landesverwaltung ist der Meinung, die Hälfte sei mehr als genug. Umgekehrt haben Tierschützer erst vor wenigen Tagen mit Transparenten und Fackeln vor dem Bärengehege Casteller protestiert, wo neben JJ4 noch ein weiterer Bär lebt. Es handelt sich um M49, genannt Papillon, für den sich bisher kein Abnehmer gefunden hat. Die Tierschützer kritisieren die schlechten Lebensbedingungen der Tiere.

Auch bis nach Südtirol wandern immer wieder Bären aus dem Trentino. Jüngst wurde etwa ein Tier am Reschenpass fotografiert. Dominik Trenkwalder vom Amt für Wildtiermanagement der Provinz Südtirol gibt aber Entwarnung: „Es gibt derzeit keine Hinweise, dass es sich um Problemtiere handelt“, sagte er der örtlichen Presse.

Die Landesregierung in Baden-Württemberg rechnet derzeit nicht mit zuziehenden Bären, obwohl es schon welche bis in die Schweiz geschafft haben. „Im Moment gibt es deshalb auch keine Strategie“, sagt Claudia Hailfinger, Sprecherin am Umweltministerium. Man würde aber ähnlich wie beim Wolf vorgehen: „Ohne auffälliges Verhalten bliebe es zunächst beim Monitoring.“

Wie kompliziert die Debatte um Bären allgemein und um JJ4 im Besonderen ist, zeigt sich auch an der Haltung des Bärenparks Schapbach. Da Tiere, die frei gelebt haben, in Gefangenschaft immer leiden würden, wäre es besser gewesen, JJ4 zu töten, heißt es dort. „Dass sie jetzt in Gefangenschaft leben muss, ist die Hölle für sie“, sagte ein Sprecher vergangenes Jahr. Dennoch hatte sich der Park bereit erklärt, JJ4 aufzunehmen. Das Gehege kostet rund eine Million Euro, wird aber ausschließlich über Spenden finanziert. Weder Umwelt- noch Forstministerium wissen jedenfalls von öffentlichen Zuschüssen.

Da die Bärin einen großen Freiheitsdrang besitzt, mussten ein spezieller zwei Meter tiefer Untergrabungsschutz eingebaut werden, ebenfalls gibt es einen verstärkten und auf 3,5 Meter erhöhten Zaun. Das macht das Gehege teuer. Perspektivisch sollen dort auch andere Tiere, die in freier Wildbahn gelebt haben, aufgenommen werden. Bisher gebe es kaum geeignete Aufnahmeplätze für verletzte oder verwaiste Großbeutegreifer in Deutschland, betont die Stiftung Bären. Ob Gaia irgendwann mit anderen Tieren des Parks zusammenleben kann, werde sich zeigen.

Insgesamt wandern laut WWF in Europa noch rund 17 000 Bären durch Wälder und Berge, die meisten davon in den rumänischen Karpaten, aber es gibt auch welche in Schweden, Slowenien und der Slowakei. Zwischenfälle kommen immer wieder vor. Die Fachzeitschrift Nature kam 2019 zum Ergebnis, dass in Europa im Zeitraum von 2000 bis 2015 insgesamt 291 Menschen von Bären angegriffen wurden, 19 davon starben.

Zuletzt war im Juli vergangenen Jahres eine junge Frau in Kroatien von einem Bären getötet worden, im Mai dieses Jahres wurde ein Mann in Slowenien schwer verletzt. Viele Länder verschärfen deshalb gerade ihre Gesetze. Die slowakische Regierung etwa hat nach einer tödlichen Bärenattacke im März dieses Jahres entschieden, ein Viertel des Bestandes – 350 Tiere – abschießen zu lassen. Auch private Jäger können sich offenbar daran beteiligen. Im Internet bieten schon jetzt spezielle Reiseanbieter Bärenjagden in Kroatien oder Rumänien an – mit „großartigen Erfolgsaussichten“.

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Erstellt:
20. Juni 2025, 15:50 Uhr

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