Zeit für Gematschtes und Püriertes

Die Breiphase, in der Babys das Essen lernen, dauert zwar nur wenige Monate. In ihr lernen Kleinkinder aber die Lebensmittelgruppen kennen, die sie ihr Leben lang begleiten. Vielen Eltern scheint diese Bedeutung bewusst zu sein. Vorträge zur Beikost sind regelmäßig ausgebucht.

Ein Löffelchen Brei fürs Baby: Der Mensch muss das Essen erst lernen. Wie sich der Beginn dieses Lernprozesses optimal gestalten lässt, haben überwiegend Mütter bei einem Online-Seminar zur Beikosteinführung erfahren. Foto: stock.adobe.com/Reicher

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Ein Löffelchen Brei fürs Baby: Der Mensch muss das Essen erst lernen. Wie sich der Beginn dieses Lernprozesses optimal gestalten lässt, haben überwiegend Mütter bei einem Online-Seminar zur Beikosteinführung erfahren. Foto: stock.adobe.com/Reicher

Von Nicola Scharpf

Backnang. Was kommt nach dem Stillen? Diese Frage betrifft alle Eltern mit Säuglingen. Und die Antwort darauf ist womöglich nicht so einfach und eindeutig. Jedenfalls scheint der Bedarf an Aufklärung groß zu sein: Die Backnanger BeKi-Referentin Petra Scharberth-Zender hat kürzlich den 40. Online-Vortrag seit Ende März 2021 über die Einführung von Beikost gehalten. Ihre Veranstaltungen sind regelmäßig ausgebucht, sodass sie fortlaufend, in kurzen Abständen weitere Termine anbietet. „Es ist eine erfolgreiche Sache.“

Ein Säugling habe einen Saugreflex. Mit dem Beginn des Fütterns von Brei komme der Zeitpunkt für einen neuen Abschnitt, so die Lehrkraft der Landesinitiative Bewusste Kinderernährung (BeKi). Mit der Einführung der Beikost beginne die Zeit, die dem Baby jene Lebensmittelgruppen näherbringt, die es sein komplettes Leben über begleiten werden. Das Einführen der Beikost und das Ausschleichen selbiger betreffe zwar nur ein paar Lebensmonate des Kindes. Aber es ist die Basis für eine ausgewogene Ernährung. „Der Mensch muss das Essen lernen“, sagt die Mutter von zwei erwachsenen Töchtern. Umso wichtiger sei es, den Beginn dieses Lernprozesses so optimal zu gestalten wie möglich.

An diesem Abend wohnen 17 Teilnehmer dem Online-Vortrag bei und aus der Vorstellungsrunde geht hervor: Es ist eine heterogene Gruppe von – großteils – Müttern. Eine Teilnehmerin ist sich unsicher, ob sie für ihr Kind mit der Beikost starten soll, aus ihrem sozialen Umfeld hat sie dazu unterschiedliche Ratschläge bekommen. Eine andere schildert, dass ihr Sohn großes Interesse am Essen hat und den ersten Karottenbrei bereits bekommen hat. „Er is(s)t begeistert“, sagt sie. Die nächste Mutter wartet noch ab, weil ihr Kind stark mit Koliken beschäftigt ist. Für eine weitere ist es wichtig zu erfahren, wie sie bei der Beikost mit der Kuheiweiß-Intoleranz ihrer Tochter umgehen soll. Aus den Wortbeiträgen der Teilnehmerinnen hört Scharberth-Zender eine gewisse Verunsicherung heraus. Es gehe viel um die Frage: Was ist richtig? „Ich erfahre oft von Müttern, dass sie sich in eine Ecke gedrängt fühlen. Wir bewegen uns aber in einer Wissenschaft“, verdeutlicht sie. „Als meine Töchter klein waren, standen noch ganz andere Sachen im Raum als heute.“ Wichtig sei auf alle Fälle: „Sie und Ihr Kind sind ein Team. Wichtig ist, dass es weiterhin gut funktioniert zwischen Ihnen. Das kann man nicht an Zahlen festmachen.“ Um den Prozess des Essenlernens positiv zu unterstützen, sei einerseits ein lernwilliges Kind wichtig, andererseits „muss man selbst auch bereit dafür sein“. Wenn das Füttern oder Essen unterschwellig negativ besetzt sei, werde das vom Kind abgespeichert und es könne eine Zwiespältigkeit entstehen. „Das darf man nicht unterschätzen.“

Irgendwann zwischen dem fünften und siebten Lebensmonat des Babys wird er also höchstwahrscheinlich kommen, der Zeitpunkt, an dem es – parallel zum Stillen oder zum Fläschchen – mit Gematschtem, Musiertem oder Püriertem losgeht. Der Beginn der Mahlzeitenstruktur, der Ritualisierung des Essens ist damit gesetzt. „Ich baue einen Rhythmus auf, den das Kind übernimmt.“ Im Fokus stehen laut Scharberth-Zender drei Breie: der Brei aus Gemüse, Kartoffel, Fleisch/Fisch/Ei und Fett als Geschmacksträger; der aus Milch und Getreide; der aus Obst und Getreide. „Sie merken, da passiert eine ganze Menge“, wendet sich die Referentin an ihre Zuhörer. Die Lebensmittel werden in gegarter Form eingeführt, weil der Körper dadurch viel mehr an Nährstoffen aufnehmen kann. Die Verhältnismäßigkeit aus drei Teilen Gemüse, zwei Teilen Beilage und einem Teil Fleisch/Fisch soll gewählt werden. „Weil diese Verhältnismäßigkeit in der Ernährung auch weiterhin aufrechterhalten bleiben soll.“ Was sich auch durch die Ernährung zieht: Das aufgenommene Fett sollte zu zwei Dritteln pflanzlichen und zu einem Drittel tierischen Ursprungs sein.

Es geht über die Rolle der Kuhmilch in der Beikost

Im Laufe ihres Vortrags deckt Scharberth-Zender ein riesiges Themenspektrum ab. Es reicht von der Frage, ob Selbstgekochtes oder gekaufte Gläschen zu bevorzugen sind. Es geht über die Rolle der Kuhmilch in der Beikost, da diese zu einem kritischen Thema geworden ist. Es geht außerdem auch über vegetarische oder sogar vegane Säuglingsernährung, wobei von Letzterem abgeraten werde, so die Referentin. Und es geht bis hin zum baby led weaning, bei dem man den Kleinkindern gekochte, stückige Lebensmittel statt Brei anbietet und was vor allem in anglophilen Ländern verbreitet ist. Nach anderthalb Stunden geballter Information sind die Kursteilnehmer auf jeden Fall klüger, wie eine ausgewogene Babyernährung, wie ein gesunder Start in die Welt des Essens gelingen kann. Wobei manches auch hier schon Geschmackssache ist. Petra Scharberth-Zender: „Es gibt nicht das eine Verbot. Es sind Empfehlungen. Was ich daraus mache, ist meine Entscheidung.“

Zeit für Gematschtes und Püriertes

„Der Mensch muss das Essen lernen. Es schmeckt uns das, was wir essen und nicht: Wir essen das, was uns schmeckt.“

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Erstellt:
10. Januar 2022, 06:00 Uhr

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