Zentralarchiv zur Geschichte der Juden feiert Umzug

dpa Heidelberg. Sämtliche Spuren jüdischen Lebens wollten die Nationalsozialisten einst vernichten. Es ist ihnen nicht gelungen. Dafür steht unter anderem das neue Zentralarchiv für die Geschichte der Juden in Deutschland. Es will Erinnerung nicht verwahren, sondern bewahren.

Blick in einen Archivgang des Zentralarchivs zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland. Foto: Uli Deck/dpa

Blick in einen Archivgang des Zentralarchivs zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland. Foto: Uli Deck/dpa

Gedenken an das Schicksal der Juden während der Nazizeit und Freude über das längst wiedererwachte jüdische Leben - mit einem Festakt ist in Heidelberg das neue Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland eingeweiht worden. „Das Zentralarchiv birgt einen Schatz: das Gedächtnis der jüdischen Gemeinden“, sagte Josef Schuster, der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, am Dienstag.

Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) würdigte das Archiv als Ort, der nicht nur der Aufbewahrung, sondern auch der Erforschung und Begegnung dienen solle. Jüdisches Leben sei keineswegs einfach da und leider keineswegs selbstverständlich, sondern müsse verteidigt werden, sagte die Ministerin. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der ebenfalls erwartet worden war, hatte wegen anderer Verpflichtungen seine Teilnahme abgesagt.

„Wie hat man aus dem Nichts wieder jüdisches Leben in Deutschland entwickeln können - das spiegelt sich in den Beständen dieser Einrichtung“, sagte Archivleiter Ittai Joseph Tamari. Gefeiert wurde aus Anlass des Umzugs des Archivs, das 1987 in Heidelberg gegründet worden war, in größere und modernere Räumlichkeiten in einer früheren Tabakfabrik. Zuvor waren die Bestände auf verschiedene Standorte in Heidelberg verteilt gewesen. Nun sind sie nach Worten Tamaris erstmals unter einem Dach vereint.

Es gebe sehr viel zu tun: Er wolle das Zentralarchiv erheblich erweitern und möglichst alle Dokumente jüdischer Gemeinden in Deutschland erfassen. Bisher befindet sich etwa ein Drittel des Materials in Heidelberg. „Unser Archiv ist noch längst nicht lückenlos“, sagte Tamari. Die jüdischen Gemeinden seien autonom und nicht immer bereit, ihre Unterlagen zu überlassen. Alle Dokumente, die zum Teil bereits in feuer- und wasserbeständigen Schatullen untergebracht sind, sollen digitalisiert und verschlagwortet werden. Dabei sollen eine neue IT-Abteilung und eine Datenbank helfen.

Auf rund 2000 laufenden Regalmetern sind nun Konvolute, Akten und andere Dokumente vereint, die das Leben der jüdischen Gemeinden in Deutschland überwiegend seit 1945 abbilden. Darunter sind Sitzungsprotokolle, Berichte über jüdische Lehrer oder Gemeindefeiern. Auch Schriftstücke wie etwa Briefe jüdischer Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg oder Berichte über den Gesundheitszustand von Holocaust-Überlebenden in den Jahren unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg werden hier aufbewahrt. „Wer über das Leben etwas erfahren will - wir machen es zugänglich“, auch für Besucher aus dem Ausland, sagte Tamari. Man wolle die Vergangenheit nicht einfach nur verwahren, sondern am Leben erhalten.

Das Zentralarchiv ist dem Zentralrat der Juden unterstellt und wird zu 100 Prozent vom Bundesinnenministerium gefördert. Vom Bund erhält das Archiv rund 900.000 Euro im Jahr.

© dpa-infocom, dpa:210913-99-204607/3

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Erstellt:
14. September 2021, 02:31 Uhr

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