Ziegen sind die Attraktion für Zaungäste

Mitten in einem Rietenauer Wohngebiet haben vier Zwergziegen ihr Zuhause. Sie erfreuen ihre Besitzer, das Ehepaar Müller, ebenso wie Besucher aus dem Dorf und von auswärts. Mehrmals pro Woche gehen sie in der Umgebung spazieren, mit läutender Glocke um den Ziegenhals.

Nicht nur für Heidrun Müllers Enkel Silian (4) und Isalie (2) ein Highlight, sondern auch für die Kinder aus der Nachbarschaft: Die Ziegen bekommen täglich Besuch. Fotos: A. Becher

© Alexander Becher

Nicht nur für Heidrun Müllers Enkel Silian (4) und Isalie (2) ein Highlight, sondern auch für die Kinder aus der Nachbarschaft: Die Ziegen bekommen täglich Besuch. Fotos: A. Becher

Von Nicola Scharpf

Aspach. Hier wohnen Mia und Pia, Malin, Stina und Tjorven: Über der Tür zum Ziegenstall hängen große Bretter beziehungsweise Holzstücke geziert mit den Namen der Ziegendamen, die Zaungäste und Besucher in ihrem Zuhause willkommen heißen. Liebevoll gestaltet ist das dottergelb gestrichene Garagengebäude auf dem Eckgrundstück, dessen hinteren Teil die meckernden Vierbeiner ihr Heim nennen. Es gibt so viele Details zum Entdecken: Die Silhouette einer Ziege aus rostigem Metall, in Zaunlatten gesägte Herzchen, Dekolämmer, deren Platz auf der Gartenbank aus Paletten ist, ein handgeschriebenes Schild „Zuhause ist, wo meine Ziegen sind“, das im Garagenfenster mit seinen roten Vorhängen und der Lichterkette darüber hängt. Aber das alles ist Beiwerk.

Die Hauptattraktion ist das Ziegenquartett, das vor über zehn Jahren ins Rietenauer Wohngebiet Einzug gehalten hat. Seitdem empfangen die Ziegen täglich Zaungäste – ob Groß, ob Klein, ob aus dem Dorf oder von außerhalb. Die Ziegen sind ein Anziehungspunkt.

Und ihre Besitzer, Heidrun und Werner Müller, freuen sich, dass nicht nur sie selbst immer Freude an den Tieren haben, sondern dass sie zum Spaß anderer Menschen beitragen können. „So kommt man mit den Leuten auch ins Gespräch und hat Kontakt“, sagt Werner Müller. „Ich werde täglich auf die Ziegen angesprochen“, sagt Heidrun Müller. Sie und ihr Mann geben gerne Auskunft über ihre Tiere, beantworten bereitwillig die Fragen der Besucher. „Manche haben den Besuch bei den Ziegen fest in ihren Tagesablauf integriert“, erzählt Heidrun Müller. „Den Ziegen gute Nacht zu sagen, ist für Kinder schon zum Abendritual geworden.“

Einmal haben Mia und Pia für zwei Wochen einen Bock zu Gast gehabt

Mia und Pia, zwei westafrikanische Zwergziegenmädchen, gezüchtet auf der Ostalb in Obergröningen, sind im Alter von ein paar Wochen im Jahr 2010 nach Rietenau gekommen. Werner Müller schwebte damals eigentlich vor, Alpakas zu halten. Doch dafür, das wurde schnell klar, reichte der Platz nicht. Also kauften die Müllers Mia und Pia von einem fürsorglichen Ziegenzüchter und kümmern sich seitdem ebenso innig um ihre Tiere. Einmal haben Mia und Pia für zwei Wochen einen Bock zu Gast gehabt. Mit dem Ergebnis, dass im darauffolgenden Frühjahr vier Babyziegen – beide Ziegendamen waren mit Zwillingen trächtig – durch Stall und Auslauf tollten.

„Das pure unbeschwerte, unbefangene Leben“, sagt Heidrun Müller und erinnert sich sichtlich gerne an die Luftsprünge und Tollkühnheit der Jungziegen. Pia hat eines ihrer Jungen früh verloren. „Sie hat sehr um ihr Junges getrauert“, sagt Heidrun Müller. Inzwischen lebt sie selbst nicht mehr. Pia ist am gleichen Tag gestorben, an dem die Enkelin von Ehepaar Müller getauft wurde. „Wir saßen in der Kirche und haben so geheult. Warum heulen die so? Das haben sich die anderen bestimmt gefragt. Aber Pia hat uns viel gegeben. Sie war die, die am sozialsten war.“

Auch die anderen haben ihre Eigenheiten. Malin hat eine andere Farbe als die anderen drei. Sie ist die Schönste und weiß das auch. Morgens nach dem Aufstehen nutzt sie erst ausgiebig die Walze mit Bürste, die zur Haarpflege im Stall angebracht ist. Stina steht im Auslauf auf einem der übereinandergestapelten Steinklötze und scheint alles um sich herum ausgeblendet zu haben. „Stina ist wieder auf Stand-by“, lacht Heidrun Müller. Und Mia? Sie ist die Einzige, die bei den Spaziergängen in die Umgebung, die die Müllers mehrmals pro Woche mit ihren Ziegen unternehmen, eine Glocke um den Hals trägt. Die anderen akzeptieren das nicht. Das Läuten kündigt die Herde dadurch schon von Weitem an. „Die Glocke ist hauptsächlich wegen der Fahrradfahrer. Damit sie hören, dass da was kommt“, erklärt Werner Müller.

Die Ziegen sind ein pflegeleichter, liebesbedürftiger Streichelzoo

Seinen „Streichelzoo, den man dennoch respektieren muss“, charakterisiert er als pflegeleicht, liebesbedürftig, futterneidisch, mitunter zickig und auch eifersüchtig. „Wenn man die eine streichelt, kommt die andere und schubst sie weg“, schildert seine Frau. Sie haben ihre Rangordnung und verstehen Ehepaar Müller als Teil der Herde. Bei den Spaziergängen bewegen sie sich nur wenige Meter von ihren Zweibeinern fort. „Wenn Gefahr ist, dann stehen sie zu einem hin“, so Heidrun Müller. Sie spüren, wenn jemand nervös ist oder Angst hat. Und sie wirken ausgleichend. „Wenn du mal narret bist, gehst du zu den Ziegen. Danach bist du wieder klar im Kopf“, sagt Werner Müller.

Zum Fressen bekommen die Wiederkäuer, die 40 bis 50 Kilo wiegen, Heu und Gras, im Winter auch Apfelschnitze und gelbe Rüben. Als Betthupferl bekommt jede Ziegendame außerdem eine Handvoll geschroteter Gerste – ohne lassen sie sich abends nicht in den Stall locken, wo jede ihren Platz zum Liegen hat. „Sie brauchen ihre Rituale“, erklärt Heidrun Müller. Ihr Mann ergänzt: „Ihre Lieblingsspeise sind Schuhbändel und Kittel. Nur Klauenschneiden, das mögen sie gar nicht.“ Im Moment knabbern sie gerne an ausrangierten, ungespritzten Weihnachtsbäumen, die die Nachbarn ihnen geschenkt haben. Rund zehn Exemplare verwerten die Ziegen auf diese Weise. Den Rest, also den Stamm, verwenden Müllers anschließend, um Erbsen daran hochklettern zu lassen, bevor er schließlich im Ofen verfeuert wird.

Ziegen können 15 bis 20 Jahre alt werden. Müllers Tiere haben alle ein ähnliches Alter. Also stellt sich auch die Frage, was in ein paar Jahren sein wird. „So, wie es jetzt ist, ist es gerade richtig“, findet Heidrun Müller. „Die Zeit, die du die Ziegen hast, musst du genießen. Es hat alles seine Zeit.“

Malin ist die Schönste und weiß das auch. Täglich pflegt sie ihr rotbraunes Haar.

© Alexander Becher

Malin ist die Schönste und weiß das auch. Täglich pflegt sie ihr rotbraunes Haar.

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Erstellt:
27. Januar 2022, 06:00 Uhr

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