Zu hohe Lasten für Familien
Kitagebühren in der Landeshauptstadt sollen steigen. Die Sparpläne kommen zu einer schlechten Zeit.

© Harald Oppitz/KNA
Kitabetreuung in Stuttgart soll deutlich teurer werden – gerade im Ganztag.
Von Eva-Maria Manz
Stuttgart - Viele Familien mit kleinen Kindern müssen beim Blick auf ihre Finanzen in diesen Zeiten schlucken. Der Wohnraum ist knapp und teuer, die Lebensmittelpreise sind deutlich gestiegen – und jetzt sollen Eltern in Stuttgart auch noch viel mehr Geld für die Kitabetreuung bezahlen. Das zumindest hat die Stadt zur Haushaltskonsolidierung geplant. Bis 2031 würden die Gebühren für städtische Kitas dann auf bis zu 828 Euro im Monat anwachsen. Vor allem bei Ganztagsplätzen ist eine Verteuerung geplant. Vertreter sozialer Verbände befürchten, das könnte wieder mehr Frauen in Teilzeitarbeit oder ganz aus der Erwerbsarbeit heraus drängen.
Zumindest die Befürchtung, dass das vor allem Frauen trifft, ist berechtigt, denn die häusliche Belastung tragen nach wie vor hauptsächlich sie, während sie zugleich meist weniger verdienen als ihre Männer. Auch fast zwei Jahrzehnte nach der Einführung des Elternzeitgesetzes nimmt nur jeder zehnte Vater in Deutschland länger als zwei Monate Elternzeit. Als Ursache werden meist die hohen Lebenserhaltungskosten genannt, auf das höhere Gehalt des Mannes sei man gerade in Großstädten wie Stuttgart angewiesen.
Selbst wenn Familien genau das tun, was der Staat erwartet, wenn nämlich beide viel arbeiten und viele Kinder bekommen, haben sie dadurch keine Vorteile. Der Bund fördert Ehen steuerlich mehr als Familien. In vielen Haushalten wächst die Verzweiflung, man spricht von der „Vereinbarkeitslüge“.
Geschlechterrollen haben sich gewandelt. Mütter kleiner Kinder sind oft gut ausgebildet und mit dem Versprechen aufgewachsen, alles zugleich haben zu können: Karriere und Kinder. Dabei ist Vereinbarkeit längst nicht der Standard. Elternsein und Beruf lassen sich eben nicht problemlos verbinden. Nur die absoluten Topverdiener können es sich leisten, die Alltagsbelastung durch die Anstellung einer Kinderfrau abzufedern. Vereinbarkeit darf aber kein Privileg der Wohlhabenden sein. Zahlreiche Familien reiben sich jeden Tag auf – und ihr System bricht zusammen, sobald einer krank wird oder die Kita wieder verkürzte Öffnungszeiten aufgrund von Personalmangel verkündet.
Gerade im Bereich der Pflege und Betreuung arbeiten oft Mütter minderjähriger Kinder. Als Arbeitskräfte werden sie dringend gebraucht. Wenn sie nun glauben, es lohne sich aufgrund teurer Kinderbetreuung mehr, jahrelang zu Hause zu bleiben statt wieder erwerbstätig zu sein, gibt es ein gesellschaftliches Problem, das weit über das individuelle Schicksal dieser Frauen mit drohender Altersarmut und Abhängigkeit hinausgeht.
Die Politik ist in der Pflicht, Grundlagen zu schaffen, die Familien besser und gezielter als heute zu fördern. Doch die Kommunen, die Länder und der Bund schieben einander den Schwarzen Peter zu. Das Ziel ist mehr Gleichberechtigung, dafür ist verlässliche Betreuung nötig, flexible Arbeitszeitmodelle, mehr finanzielle Unterstützung für die Familien, die es wirklich brauchen. Auf kommunaler Ebene können Entscheidungen wie die über Kitagebühren in einer ohnehin teuren Stadt richtungsweisend sein.
Stuttgart tut viel für Familien. Doch die Sparpläne kommen zu einer schlechten Zeit. Sie könnten nicht nur private und wirtschaftliche, sondern auch politische Konsequenzen haben. Die Verzweiflung der Mütter ist das Schlupfloch, durch das rechtsextreme Kräfte gerade verstärkt versuchen einzudringen, um sich einem wichtigen Wählerklientel anzubiedern. Im Angebot haben sie staatskritische Ideologien und ein überkommenes Rollenmodell, mit dem die Frau ihrer Zerreibung vermeintlich entkommen kann: indem sie einfach wieder Hausfrau wird.