Keine Windräder für die Kreisdeponien

Ein Fachbüro hat die vier Standorte auf Backnanger, Kaisersbacher, Winnender und Schorndorfer Gemarkung unter die Lupe genommen. Laut dieser Machbarkeitsstudie eignen sie sich nicht zur Errichtung von Windkraftanlagen. Energie wird dort aber trotzdem erzeugt.

Auf der Deponie Backnang-Steinbach hat die AWRM noch einiges vor. Windkraftausbau gehört allerdings nicht dazu. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Auf der Deponie Backnang-Steinbach hat die AWRM noch einiges vor. Windkraftausbau gehört allerdings nicht dazu. Foto: Alexander Becher

Von Bernhard Romanowski

Rems-Murr. Im Rems-Murr-Kreis konnten bisher nur wenige Windräder in Betrieb genommen werden, obwohl es gute Bedingungen gibt. So zumindest sieht es die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Rems-Murr-Kreistag. Deshalb stellten die Grünen seinerzeit den Antrag zu untersuchen, ob es möglich ist, auf den Deponieflächen oder anderen Randflächen Windkraftanlagen zu errichten. Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie, die von der Abfallwirtschaft Rems-Murr (AWRM) in Auftrag gegeben wurde, liegen mittlerweile vor. Um es vorwegzunehmen: Die Studie hat ergeben, dass auf den Deponiestandorten im Rems-Murr-Kreis keine ausreichende Eignung für die Windenergienutzung besteht.

Die AWRM betreibt im Kreisgebiet vier Deponien. Die Deponien „Eichholz“ bei Winnenden, „Lichte“ bei Kaisersbach und die Deponie Schorndorf befinden sich bereits in der Stilllegungsphase. „Die Rekultivierung dieser Deponien ist teilweise bereits abgeschlossen, befindet sich derzeit im Bau oder wird aktuell geplant“, teilt die Kreisverwaltung dazu mit. Auf der Deponie Backnang-Steinbach findet weiterhin ein aktiver Deponiebetrieb statt. Auf allen vier Standorten betreibt die AWRM Entsorgungszentren für die Annahme von Abfällen und Wertstoffen, die von externen Dienstleistern für die weitere Verwertung übernommen werden.

„Der Standort der Deponie Backnang-Steinbach verfügt über ein vergleichsweise geringes Winddargebot. Eine östlich gelegene topografische Erhöhung beeinflusst möglicherweise das kleinräumige Windfeld am Standort. Der Deponiestandort weist einen mittleren Abstand zum nächstgelegenen Wohngebiet von rund 500 Metern auf“, heißt es in der Machbarkeitsstudie der Ingenieurgruppe RUK GmbH aus Stuttgart. Der Backnanger Standort befinde sich innerhalb eines Naturparks und nicht innerhalb eines Vorranggebiets für Windenergie, stellen die Ingenieure fest. „Aufgrund der bei der Untersuchung ermittelten Ergebnisse und unter Berücksichtigung eines erhöhten Bauaufwands für eine Windkraftanlage auf einem Deponiekörper wird die Eignung des Standorts als gering bewertet“, so das Fazit der Stuttgarter Fachleute.

Die Wirtschaftlichkeit ist zu gering

Ähnlich lautet das Fazit zu den drei anderen Deponiestandorten im Kreisgebiet. Aufgrund des geringen Windangebots und angesichts der vergleichsweise hohen Kosten für die Gründung auf einem Deponiestandort ist eine Wirtschaftlichkeit offenbar nicht gegeben beziehungsweise zu gering. Hinzu kommt, dass sich drei der vier Standorte am Hang oder am Fuß einer angrenzenden Erhöhung befinden und damit ungeeignet erscheinen. „Als weiterer Faktor sprechen die geringen Abstände zur Wohnbebauung gegen eine Standorteignung. Aufgrund der Ergebnisse der Machbarkeitsstudie wird von weitergehenden Untersuchungen wie Windmessungen und darauf aufbauenden Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen abgesehen“, schlussfolgert man entsprechend im Waiblinger Kreishaus. „Stattdessen werden die Flächenpotenziale der Deponien weiter für die Errichtung von Solaranlagen genutzt, um einen Beitrag zur Energiewende zu leisten“, so die Kreisverwaltung (siehe Infokasten). Für die Errichtung von fotovoltaischen und solarthermischen Anlagen eignen sich die rekultivierten Oberflächen von Deponien demzufolge deutlich besser, da „die Module über flach aufliegende Streifenfundamente gut mit dem Oberflächenabdichtungssystem kombinierbar sind“. Letzteres wird also nicht durch die Geräte oder bauliche Maßnahmen bei ihrer Errichtung beeinträchtigt.

Die Flächen ehemaliger Hausmülldeponien zeichnen sich nämlich durch besondere Eigenschaften des Baugrunds aus, die sich von natürlichen Standorten unterscheiden. Die Deponien unterliegen auch lange nach Ende der Ablagerungsphase den fortschreitenden Zersetzungsprozessen, die mit Setzungen des Deponiekörpers verbunden sind. Um die statischen und dynamischen Lasten der Windkraftanlage aufnehmen zu können, muss man baulich anders an die Sache herangehen als auf natürlich gewachsenen Standorten. Die Fundamente müssen demzufolge erheblich größer hergestellt werden. Eine Besonderheit stellen zudem die auf ehemaligen Deponien vorgeschriebenen Oberflächenabdichtungen dar, die zur Minimierung der Deponiegasemissionen und Sickerwasseraufkommen beitragen und auf den Deponien im Rems-Murr-Kreis bereits gebaut wurden oder noch gebaut werden. Die Funktionsfähigkeit der technischen Abdichtung darf durch den Windradbau nicht beeinträchtigt werden.

Von der Windleistungsdichte her käme nur die Deponie Kaisersbach infrage

Das Windangebot zählt zu den wichtigsten Faktoren, die über die Eignung eines Standorts zur Windkraftnutzung entscheiden. Eine geeignete Kenngröße zur Beurteilung des Windangebots stellt die sogenannte „mittlere gekappte Windleistungsdichte“ dar. Diese Größe bezieht sowohl die Windgeschwindigkeit und deren Häufigkeit als auch die Abschaltung bei hohen Windgeschwindigkeiten mit ein.

„Im Windatlas Baden-Württemberg wird eine Windleistungsdichte von mindestens 215 Watt pro Quadratmeter in 160 Metern Höhe als ein Richtwert angegeben, ab dem ein Standort hinsichtlich des Windangebots als geeignet angesehen werden kann“, zitiert die Kreisverwaltung. Für die Deponien Backnang-Steinbach und Schorndorf liegt dieser Wert demnach gemäß Windatlas im Bereich 145 bis 190 W/m². Auf der Deponie „Lichte“ bei Kaisersbach liegt die Windleistungsdichte im Bereich von 190 bis 250 W/m² und damit etwas höher. Auf der Deponie „Eichholz“ bei Winnenden liegt die Windleistungsdichte in geringen Teilen ebenfalls im Bereich von 190 bis 250 W/m², zum überwiegenden Teil jedoch bei 145 bis 190 W/m2.

Unter dem Gesichtspunkt des Windangebots käme demnach lediglich der Standort der Deponie „Lichte“ bei Kaisersbach grundsätzlich für eine weitergehende Betrachtung infrage, so die Folgerung. Doch hierzu heißt es in der Machbarkeitsstudie: „Aufgrund der bei der Untersuchung ermittelten Ergebnisse und unter Berücksichtigung eines erhöhten Bauaufwands für eine Windkraftanlage auf einem Deponiekörper wird die Eignung des Standorts als eher gering bewertet.“

Das Windangebot zählt zu den wichtigsten Faktoren mit Blick auf die Eignung eines Standorts.
Aktuelle und künftige Erzeugung von Energie auf den AWRM-Deponien

Standort Backnang Auf der Deponie Backnang-Steinbach wird das Deponiegas für den Betrieb eines Blockheizkraftwerks für die Stromerzeugung genutzt. Dieser Strom wird über einen eigenen Anschluss der Deponie in das Mittelspannungsnetz eingespeist. Hier ist ein Fördervorhaben vorgesehen, um aus den rückläufigen Deponiegasmengen mit angepasster Technik auch zukünftig die noch verbleibenden Potenziale zur Strom- und Wärmeerzeugung zu nutzen. Der dabei erzeugte Strom kann als Eigenstrom für den Betrieb der stromintensiven Sickerwasserreinigungsanlage und die Wärme für die Beheizung der Betriebsgebäude verwendet werden.

Standort Kaisersbach Auf der Deponie „Lichte“ bei Kaisersbach wird eine Fotovoltaikfreiflächenanlage mit einer Leistung von 650 kW betrieben. Weitere Dachanlagen auf den Betriebsgebäuden belaufen sich auf eine Leistung von weiteren rund 130 kW. Auf dieser Deponie will die AWRM zudem eine zusätzliche Fotovoltaikanlage mit einer Leistung von bis zu einem Megawatt bauen.

Standort Winnenden Auf der Deponie „Eichholz“ bei Winnenden wird aus dem Deponiegas Wärme erzeugt. Diese wird in ein Nahwärmenetz eingespeist. Im Zuge der Rekultivierung der Deponie „Eichholz“ soll eine weitere Freiflächenanlage für Fotovoltaik im Umfang von rund drei bis vier Hektar errichtet werden. Für die Nutzung des erzeugten Stroms soll hier im Rahmen eines Fördervorhabens die Wasserstofferzeugung mit Fotovoltaik geprüft werden. „Die im Zuge der Wasserstoffherstellung entstehende Wärme könnte effizient in das bestehende Nahwärmenetz eingespeist werden“, so die AWRM.

Nachnutzung In der aktuell bereits erstellten Vorplanung für die Oberflächenabdichtung und Rekultivierung der Deponie wurde die solare Energieerzeugung bereits in das Nachnutzungskonzept des Standorts integriert. Für eine Untersuchung stehen bereits Fördermittel des Bundes zur Verfügung.

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Erstellt:
4. Juli 2022, 06:00 Uhr

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