Zwischen Hoffen und Bangen

Contitech-Betriebsrat sieht Perspektiven für einen Erhalt des Standorts Oppenweiler – In der Firma steckt großes Know-how

„Es gibt Perspektiven“, sagt Jörg Schwarz. Perspektiven, die nach Meinung des Betriebsratsvorsitzenden den Erhalt des Conti-Standorts Oppenweiler ermöglichen würden. Er hofft ebenso wie sein Stellvertreter Eberhard Kühner, dass die jüngst verkündete Entscheidung des Konzerns, das Werk zu schließen, noch nicht das letzte Wort war.

Sie kämpfen für den Erhalt des Conti-Standorts Oppenweiler: Betriebsratsvorsitzender Jörg Schwarz (rechts) und sein Stellvertreter Eberhard Kühner. Beide sind seit 1985 im Betrieb beschäftigt und wissen um die Verbundenheit der Belegschaft mit dem Unternehmen. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Sie kämpfen für den Erhalt des Conti-Standorts Oppenweiler: Betriebsratsvorsitzender Jörg Schwarz (rechts) und sein Stellvertreter Eberhard Kühner. Beide sind seit 1985 im Betrieb beschäftigt und wissen um die Verbundenheit der Belegschaft mit dem Unternehmen. Foto: J. Fiedler

Von Armin Fechter

OPPENWEILER. Die Mitteilung, dass das Werk geschlossen werden soll, „hat uns schwer getroffen und überrascht“, blickt Schwarz auf die Versammlung zurück, in der die Unternehmensleitung die Belegschaft über die Pläne informiert hat. Und er ist nach wie vor sauer über die Art und Weise, wie die Bekanntgabe gelaufen ist. Der Betriebsrat hätte seiner Meinung nach früher und vor allem auch umfassend über die Lage unterrichtet werden sollen. „Wir verschließen uns ja nicht der Situation“, pflichtet Kühner bei: Dass die wirtschaftliche Lage seit Jahren schwierig war, sei bekannt gewesen. „Aber deswegen muss man nicht gleich die ganze Firma schließen“, schüttelt er den Kopf.

Die beiden erinnern an die Krise von 2009, als andere Unternehmen schnell dabei waren, Betriebe zu schließen oder zumindest Personal zu entlassen. Damals habe man bei Contitech niemanden hinausgeworfen, stattdessen habe man die kritische Lage mit Kurzarbeit aufgefangen. Das hatte den Vorteil, dass die Firma sofort gut loslegen konnte, als der Konjunkturmotor wieder ansprang. Kühner hofft deshalb eindringlich, dass die sogenannte Transformation – der laufende Wandel in der Autobranche – nicht als willkommener Anlass genutzt wird, um Betriebe kurzerhand abzuwickeln.

Mit Kältemittelleitungen in harter Konkurrenz zu Anbietern im Osten

Klar: Mit dem Produkt, das in Oppenweiler hergestellt wird – Kältemittelleitungen für Autos –, steht Contitech mit Anbietern vornehmlich aus Osteuropa in Konkurrenz. Und dort kann allemal billiger produziert werden als in Deutschland. Andererseits aber, so gibt Schwarz zu bedenken, habe Contitech trotzdem immer wieder Aufträge an Land gezogen, beispielsweise von VW. Da sei nicht der Preis ausschlaggebend gewesen, sondern die Qualität. Außerdem könne Contitech seine Erzeugnisse von der Entwicklung über den Musterbau bis hin zur Fertigung aus einem Guss anbieten.

Nicht ohne Stolz verweist Schwarz auch darauf, dass der Standort Oppenweiler das Kompetenzzentrum für Kältemittelleitungen darstellt. So wurden dort jüngst neue Leitungen für den Betrieb mit CO2 entwickelt. Damit sei Contitech dann als erstes Unternehmen in Serie gegangen. Überdies sei man auch für eine Zukunft mit E-Mobilität gerüstet. Denn auch Elektrofahrzeuge würden mit Klimaanlagen ausgestattet: „Und wo es Klimaanlagen gibt, wird es auch Leitungen geben.“ Damit lägen bei Contitech andere Gegebenheiten vor als etwa bei Mahle, wo Komponenten für Verbrennungsmotoren hergestellt werden und wo kürzlich ebenfalls eine Werksschließung – in Öhringen – angekündigt wurde. „Wir wissen, dass es anders wird, aber wir haben ein Medium für die Zukunft“, gibt sich Schwarz überzeugt.

Im Betrieb herrscht derweil eine starke Verunsicherung, etliche der 340 Beschäftigten seien auch „narrat“, sagt Schwarz: „Sie wissen nicht, was auf sie zukommt.“ Viele Fragen seien offen, und der Betriebsrat könne noch gar nicht viel sagen, weil auch die Informationen vonseiten des Unternehmens noch vage seien. Aber: Es wurde ein Rechtsanwalt beauftragt, der die Belegschaft vertritt, und es wurde das Imu-Institut in Stuttgart, eine arbeitsorientierte Forschungs- und Beratungseinrichtung, eingeschaltet, um die Zahlen näher zu betrachten und die Entscheidung des Vorstands zu überprüfen. Mit im Boot ist dabei auch die IG Metall.

In diesem Zusammenhang erinnern die Betriebsräte auch daran, dass die meisten Kollegen 20 Jahre und länger im Betrieb seien, viele seien sogar schon 57 Jahre und älter. Besonders schwierig sei die Situation für die Beschäftigten in den unteren Lohngruppen: Kommt es tatsächlich zur Schließung, dann hätten Geringqualifizierte die größten Probleme, eine neue Stelle zu finden. Die Stimmung schwanke zwischen Hoffen und Bangen, und viele seien deprimiert.

Dabei konnte Contitech einmal als „Hidden Champion“ gelten, wie Schwarz rückblickend sagt. Keiner kannte die Firma in Oppenweiler, weil sie auch nie groß Werbung gemacht hat. Aber ihre Schläuche waren bei den Autoherstellern hoch geschätzt. Für Porsche hatte Contitech sogar eine Zeit lang einen Exklusivvertrag. Schwarz selbst, ein Backnanger, wurde seinerzeit durch einen Kumpel, der seit 1980 bei Contitech arbeitete und heute noch dabei ist, auf das Unternehmen aufmerksam. Er absolvierte dann eine Ausbildung zum Maschinenbaumechaniker und blieb in der Firma, die auch für Eberhard Kühner zur beruflichen Heimat wurde.

Die Firma hatte in den 80er-Jahren etwa 60 Beschäftigte, die alle aus der näheren Umgebung stammten, darunter auch etliche Nebenerwerbslandwirte. Viele konnten in der einstündigen Mittagspause nach Hause gehen. Damals wurden noch Kolben und andere Motorenteile produziert, beispielsweise Ventilführungen für Großmotoren. Parallel begann auch der Bau von Klimaleitungen. Ende der 90er-Jahre wurde dann komplett umgestellt. Ein einschneidendes Erlebnis für alle war das Hochwasser am 13. Januar 2011, als der Betrieb komplett unter Wasser stand. Mit Müllsäcken um die Beine wateten Mitarbeiter durch die Fluten, um Sachen zu retten. Hinterher ging es in einer großen Gemeinschaftsaktion ans Saubermachen, zum Teil fuhren Betriebsangehörige mit Privatautos los, um Kisten und Materialien einzusammeln, die vom Wasser bis in die Etzwiesen gespült worden waren – für Schwarz ein Beispiel für die große Verbundenheit der Beschäftigten mit dem Unternehmen.

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Erstellt:
13. Juli 2019, 06:00 Uhr

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