Zwischen Sorgenfalten und Gelassenheit

Während einige Unternehmen im Raum Backnang ihre Kapazitäten reduzieren, bleiben andere auf Wachstumskurs

Bei Harro Höfliger ist man auch angesichts der aktuelle Wirtschaftslage noch entspannt. Die meisten Projekte seien langfristig angelegt und würden nicht so einfach gestoppt. Foto: Harro Höfliger

Bei Harro Höfliger ist man auch angesichts der aktuelle Wirtschaftslage noch entspannt. Die meisten Projekte seien langfristig angelegt und würden nicht so einfach gestoppt. Foto: Harro Höfliger

Von Kornelius Fritz

Von der aktuellen Konjunkturschwäche sind die Unternehmen in der Region unterschiedlich stark betroffen. Während einige den Nachfragerückgang unmittelbar spüren, ist bei anderen der langfristige Wachstumstrend stärker als kurzfristige konjunkturelle Einflüsse. Ein Überblick über die großen Industriebetriebe im Raum Backnang:

Tesat: Die Raumfahrt hat ihre eigene Konjunktur. Das bekam der Spezialist für Satellitenkommunikation schon vor zwei Jahren zu spüren: Während die Wirtschaft landauf, landab brummte, brachen die Aufträge bei Backnangs größtem Arbeitgeber damals ein, das Unternehmen musste Kurzarbeit anmelden. Jetzt ist es genau umgekehrt: Während viele Unternehmen mit Problemen kämpfen, läuft es bei Tesat wieder rund. Geschäftsführer Marc Steckling spricht sogar von einem „Raumfahrt-Hype“. Deutschland habe sein jährliches Raumfahrt-Budget auf über eine Milliarde Euro erhöht, die USA planten 2024 eine bemannte Mondmission, und auch neue kommerzielle Anbieter ziehe es ins Weltall. So will etwa der Online-Händler Amazon mit mehr als 3000 Satelliten einen weltweiten Breitband-Internetzugang bereitstellen. „Es macht gerade Spaß, in der Raumfahrt zu arbeiten“, sagt Steckling. Für die nächsten zwei Jahre rechnet der Tesat-Chef mit stabilen Umsätzen und ist deshalb froh, dass es vor zwei Jahren gelungen ist, mit einer Beschäftigungssicherung alle Mitarbeiter an Bord zu halten.

Harro Höfliger: Auch beim Allmersbacher Maschinenbauer ist die Stimmung noch sehr entspannt: „Wir haben einen sehr guten Auftragsbestand und planen auch nächstes Jahr mit einem Wachstum“, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende Markus Höfliger. Dass das Plus wohl etwas geringer ausfallen wird als in den vergangenen Jahren, sieht Höfliger nicht als Nachteil: „Nach so einem rasanten Wachstum braucht man auch mal eine Phase der Konsolidierung, um die Strukturen anzupassen.“ Weil das Unternehmen mit seinen Spezialmaschinen für die Pharma- und Medizintechnikbranche in einer Nische tätig ist und zudem einen hohen Exportanteil hat, sei man insgesamt weniger krisenanfällig, sagt Markus Höfliger: „Die meisten Projekte sind bei uns langfristig angelegt und werden dann auch nicht plötzlich gestoppt.“

Lorch Schweißtechnik: „Wir fahren gerade extrem auf Sicht“, sagt Geschäftsführer Wolfgang Grüb vom Maschinenbauunternehmen aus Auenwald-Mittelbrüden. Nach einem ordentlichen ersten Halbjahr blieben die Auftragseingänge im Juli und August um 15 Prozent hinter den Planwerten zurück. Wegen der kurzen Lieferzeiten bekommt Lorch es immer sehr rasch zu spüren, wenn sich Unternehmen mit Investitionen zurückhalten. Um für alle Fälle gerüstet zu sein, hat Lorch deshalb für das vierte Quartal Kurzarbeit angemeldet, allerdings war eine Reduzierung der Arbeitszeit bis jetzt dann doch nicht nötig: „September und Oktober waren wieder besser als befürchtet“, berichtet Grüb. Für die kommenden Monate sieht der geschäftsführende Gesellschafter aber weiterhin erhebliche Konjunkturrisiken. „An unserer generellen Wachstumsstrategie ändert sich dadurch aber nichts.“

Stoba: Als Zulieferer der Automobilindustrie verzeichnet auch Stoba Präzisionstechnik am Standort Backnang seit August 2019 einen spürbaren Auftragsrückgang und liegt damit im Branchentrend. Stoba produziert unter anderem Präzisionsteile für Dieseleinspritzsysteme. „Wir haben die Überhitzungsphase, welche noch bis ins erste Halbjahr 2019 hineinreichte, verlassen und müssen uns auf eine Normalisierungsphase mit geringem Wachstum einrichten“, erklärt Geschäftsführer Rüdiger Schneider. Als erste Maßnahme hat die Geschäftsleitung deshalb eine dreiwöchige Betriebsruhe am Standort Backnang über den Jahreswechsel beschlossen. Aktuell sei noch nicht abzusehen, wann die Talsohle erreicht ist, erklärt Schneider. Er geht aber davon aus, dass sich die Auftragslage im Laufe des ersten Quartals 2020 auf einem schwächeren Niveau stabilisieren wird. 2019 war insgesamt dennoch kein schlechtes Jahr für das Backnanger Unternehmen: „Trotz aktuell schwachem Automobilmarkt kann die international aufgestellte Stoba-Gruppe in 2019 noch ein Umsatzwachstum gegenüber dem Vorjahr realisieren“, teilt die Geschäftsleitung mit.

d&b Audiotechnik: Auch die Event- und Unterhaltungsbranche ist nicht frei von konjunkturellen Einflüssen, das hochpreisige Marktsegment, in dem der Backnanger Spezialist für professionelle Beschallungssysteme tätig ist, wächst allerdings weiter. „Es handelt es sich um einen ausgesprochen langfristigen Trend, von dem d&b schon seit vielen Jahren, um nicht zu sagen von Anfang an, profitiert. Ein Trend, der sich auch in Zeiten schwächerer Konjunktur fortsetzt“, sagt Geschäftsführer Amnon Harman. Deshalb hält d&b nicht nur an seinen Umsatzzielen, sondern auch an seinen Ausbauplänen am Standort Backnang fest. „d&b wird ein neues Gebäude mit rund 3000 Quadratmetern errichten, mit neuen Beschichtungs- und Lackiermöglichkeiten und modernsten Automatisierungstechnologien. Auf diese Weise können wir die Abläufe über den gesamten Campus hinweg optimieren und die Produktion künftiger Produkte und die ihrer Technologien besser steuern“, so Harman.

Murrelektronik und Murrplastik: Bei den beiden Unternehmen aus Oppenweiler gibt man sich zurzeit verschlossen. Die Bitte unserer Zeitung um eine Stellungnahme zur aktuellen wirtschaftlichen Situation wurde von den Geschäftsleitungen abgelehnt.

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Erstellt:
20. November 2019, 06:00 Uhr

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