14 Kämpfe und 14 Siege für die Judofrauen der TSG Backnang

Die Kämpferinnen aus dem Murrtal scheinen in der Süd-Ost-Staffel der Bundesliga eine Klasse für sich zu sein. Wie schon beim Saisonauftakt in Eltmann behält die TSG auch zu Hause gegen Leipzig mit 14:0 die Oberhand. Trotz dieser Dominanz will Trainer Jens Holderle von einem ungefährdeten Durchmarsch zum sechsten deutschen Meistertitel nichts wissen.

Raffaela Igl (rechts) schnappt sich Leipzigs Luise Friede und sorgt mit einem Haltegriff für Backnangs ersten Punkt. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Raffaela Igl (rechts) schnappt sich Leipzigs Luise Friede und sorgt mit einem Haltegriff für Backnangs ersten Punkt. Foto: Alexander Becher

Von Steffen Grün

Wenn man so will, hatte Jadzia Münch von allen Backnanger Kämpferinnen den größten Druck. Das klingt einerseits komisch, weil die TSG bereits mit 13:0 führte und der Heimsieg längst in trockenen Tüchern war, als die 22-Jährige zum zweiten Mal an diesem Abend in der Mörikehalle auf die Matte ging. Es ist andererseits aber nachvollziehbar, weil auch sie nicht die Judoka sein wollte, die den Gästen doch noch etwas Zählbares überlässt. „Man will es den Kolleginnen nachmachen und auch noch den 14. Punkt holen“, betonte Jadzia Münch, nachdem sie ihren Vorsprung durch eine kleine Wertung gegen Yara Slamberger bis zum Ablauf der vierminütigen Kampfzeit verteidigt hatte.

0:14 oder 1:13 – für die so deutlich abgefertigten Gäste spielte das auch keine entscheidende Rolle mehr. „Wir sind ohne Erwartungen gekommen“, verriet Trainerin Jenny Sättler: „Ich habe den Mädels gesagt, wir machen ein Teamevent daraus.“ Um also nicht nur nach Backnang zu fahren, sich die Niederlage abzuholen und sofort wieder die weite Heimreise anzutreten, hatten die Leipzigerinnen einen Tisch beim Italiener und ein Hotel für eine Übernachtung reserviert – in der Stadt des alten und neuen und damit künftig sechsfachen deutschen Meisters, da ist sich Jenny Sättler sicher. „Backnang ist die klare Nummer eins“, meint die 32-Jährige, die ab 2012 selbst für kurze Zeit zum Kader der TSG gehört hatte: „Wenn sie nicht den Titel holen, weiß ich auch nicht.“

TSG-Trainer Jens Holderle warnt vor den größeren Kalibern in den Play-offs

Das sind wahre Lobeshymnen, bei denen Jens Holderle die Ohren auf Durchzug stellt. „Wir müssen auf dem Boden bleiben und unsere Hausaufgaben ordentlich machen“, mahnt der Backnanger Trainer, „sonst kann es auch mal ganz schnell anders ausgehen“. Insbesondere dann, wenn nach den beiden verbleibenden Kampftagen in der Süd-Ost-Staffel der Bundesliga in Altenfurt (11. Mai) und gegen Gröbenzell (1. Juni) die Play-offs gegen die Teams aus der Süd-West-Staffel um den Einzug ins Final-Four-Turnier auf dem Plan stehen. „Da zählt es“, weiß Holderle und warnt mit Speyer, Wiesbaden oder Sindelfingen vor viel größeren Kalibern: „Da kann es relativ schnell vorbei sein.“

Selbst die Kräfteverhältnisse gegen Leipzig seien nicht so eindeutig gewesen wie es das Ergebnis unter dem Strich ausdrückte, findet der TSG-Langzeitcoach. Zum Auftakt habe Raffaela Igl das Duell mit Luise Friede in der Gewichtsklasse bis 78 Kilogramm gewonnen, bei dem man vorab gedacht habe, „das könnte hin- und hergehen“. Stattdessen hatte die Backnangerin die Leipzigerin bald in einem Haltegriff, ließ sie 20 Sekunden nicht entkommen und sorgte damit für das 1:0 für die Gastgeberinnen. In Holderles Augen war’s „ein Schlüsselkampf und dann kommt etwas ins Rollen“. Etwas, das die Gäste überforderte. Zwar setzte sich Vivian Herrmann (bis 63) nach einem ausgeglichenen Kampf erst in der Verlängerung mit dem Golden Score durch, doch danach habe Mirjam Wirth (bis 70) „nicht bloß irgendwie“ den dritten Punkt geholt, sondern „mit einem Knaller, mit einem geilen Wurf“. Ein O-soto-gari, nach nur 50 Sekunden. Die Gesichter der Gäste wurden lang und länger, zumal es in diesem Takt weiterging. Chiara Serra (bis 52) packte nach gut zwei Minuten denselben Wurf wie ihre Vorkämpferin aus und hatte damit Mia Holz besiegt, „obwohl ich anfangs nicht so gut mit ihr klargekommen bin. Ich hatte aber mehr Kraft.“ Helena Grau (bis 48), Anamari Klementina Velenšek (über 78) und Jadzia Münch (bis 57) landeten weitere vorzeitige Siege, somit stand es zur Halbzeit nach sieben Ippons also 7:0.

Auch Backnangs dezimierter Kader ist noch mehr als stark genug

Es brauchte im zweiten Durchgang lediglich noch einen Punkt, um den Heimsieg zu sichern. „Ich glaube, das kriegen wir hin“, sagte Raffaela Igl schmunzelnd, um im Sinne ihres Trainers und des Respekts vor den Rivalinnen hinzuzufügen: „Es ist Judo und man weiß nie, was passiert.“ Dieses Mal war es aber absehbar, weil die Backnangerinnen keinerlei Anzeichen von Überheblichkeit an den Tag legten. „Diese Dominanz ist nicht selbstverständlich“, betonte Holderle: „Die Mädels machen es einfach gut.“ Der Coach nutzte die neue Möglichkeit, auf Wechsel völlig zu verzichten. Zum einen lag das am ausgedünnten Kader, denn von 40 Frauen waren wegen der parallelen EM (siehe Infotext) und aus Verletzungsgründen nur zwölf da. Zum anderen gab’s gute Gründe, die fünf bis dahin nicht eingesetzten Judokas auch in Hälfte zwei nicht zu bringen. Bei Katharina Menz etwa, um mit Blick auf die Olympischen Spiele gar kein Risiko einzugehen. „Wenn die Hütte am brennen ist, können wir darüber reden“, hatte die 33-Jährige zu Holderle wegen eines möglichen Einsatzes gesagt. Beim 7:0 gab es keine Veranlassung. Noch einmal sieben Siege und das 14:0 bestätigten diese Einschätzung nachdrücklich.

Internationale Wettkämpfe

Europameisterschaft Kurz vor dem Beginn des Heimwettkampfs gegen Leipzig erreichte TSG-Trainer Jens Holderle die frohe Kunde. Zwei Judofrauen, die auch zu Backnangs Bundesliga-Kader gehören, holten bei der EM in Zagreb die ersten Medaillen fürs deutsche Team. Anna-Maria Wagner aus Ravensburg verlor in der Klasse bis 78 Kilogramm nur das Finale gegen die Französin Audrey Tcheumeo und holte Silber. Bronze ging in derselben Klasse an Alina Böhm aus Heubach. Die Frage, welche der beiden Kämpferinnen das eine Olympia-Ticket bekommt, ist allerdings weiterhin nicht beantwortet.

Olympia-Qualifikation „Es sieht ganz gut aus“, sagt Katharina Menz zu ihren Chancen, Deutschland bei den Spielen in Paris in der Klasse bis 48 Kilogramm zu vertreten. Spätestens in gut drei Wochen und damit nach den Grand Slams in Tadschikistan und Kasachstan sowie der WM in Abu Dhabi dürfte Backnangs Eigengewächs Gewissheit haben.

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Erstellt:
29. April 2024, 11:00 Uhr

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