BDR-Team droht medaillenlose WM - Ganna auf Zeitfahr-Thron

dpa Imola. Erst Sonne, dann ein paar Regentropfen, dazu stets kräftiger Wind: Das Zeitfahren in Imola wird zu einer echten Wetterprobe. Während das deutsche Team weiter auf die erste Medaille warten muss, darf Gastgeber Italien den großen Triumph bejubeln.

Der Italiener Filippo Ganna fuhr in Imola am Schnellsten. Foto: Andrew Medichini/AP/dpa

Der Italiener Filippo Ganna fuhr in Imola am Schnellsten. Foto: Andrew Medichini/AP/dpa

Jetzt hilft nur noch eine Überraschung in den beiden Straßenrennen. Dem deutschen Radsport-Team droht in Imola trotz ordentlicher Einzelergebnisse die erste medaillenlose WM seit der Wiedervereinigung.

Beim Zeitfahr-Triumph von Lokalmatador Filippo Ganna spielten die beiden deutschen Starter Jasha Sütterlin (16.) und Max Walscheid (19.) in einem windumtosten Rennen erwartungsgemäß nur Nebenrollen. Das Duo war längst vom legendären Formel-1-Kurs verschwunden, als der Sieger mit Maske und Regenbogen-Trikot die emotionale Siegerhymne im „Autodromo Enzo e Dino Ferrari“ genoss. „Es ist ein Traum für mich“, jubelte Ganna.

Bei den wegen der Corona-Pandemie stark verkürzten Titelkämpfen in der Emilia Romagna bleiben nur noch zwei Chancen in den Elite-Straßenrennen, Edelmetall für den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) zu erobern. Einen Tag nach Lisa Brennauers Achtungserfolg mit Rang vier fiel bei Team Deutschland das Fehlen von Vierfach-Champion Tony Martin am Freitag deutlich ins Gewicht.

Der 35-Jährige war stets ein Medaillenanwärter, davon waren Sütterlin (1:38 Minuten Rückstand) und Walscheid (1:56) an einem wechselhaften Spätsommertag weit entfernt. „Ich kann nur sagen, dass ich mit meiner Leistung superzufrieden bin. Ich hoffe, dass ich in Zukunft noch schneller werde, aber für den Moment bin ich superzufrieden“, kommentierte Walscheid.

Weil alle Juniorenrennen sowie die Mixed-Staffel aus dem Programm genommen wurden, geht die WM bereits auf die Zielgerade. Im Straßenrennen gilt Teamkapitän Maximilian Schachmann immerhin als Anwärter. „Er ist auf jeden Fall reif für die ganz großen Siege. Ich habe ihm auch einen Tour-Etappensieg zugetraut. Er hat schon mehrfach angeklopft“, kündigte der deutsche Sportliche Leiter Jens Zemke an.

Die Zeitfahrer Sütterlin und Walscheid waren auch ohne einen Top-Ten-Platz mit ihren Resultaten vom Freitag zufrieden. „Das war alles, was ich konnte. Ich denke, die Leistungswerte sind okay - mehr war nicht drin“, kommentierte der Breisgauer Sütterlin, der ohne Tour-de-France-Teilnahme mit frischen Beinen angreifen wollte. Als Ziel hatte sich der 27-Jährige einen Platz unter den besten 15 gesetzt.

Als das komplett durchgeschwitzte und geschaffte Duo in der Boxengasse der Formel-1-Rennstrecke schon gut gelaunt über das Rennen plauderte, tobte auf der Strecke noch der Kampf um Gold. Ganna holte sich zunächst die beste Zwischenzeit und setzte sich nach einer furiosen Fahrt mit einem Vorsprung von 26 Sekunden durch, für ihn war es der erste WM-Titel auf der Straße. Auch der belgische Allrounder Wout van Aert und Stefan Küng (Schweiz) holten Medaillen. Favorit und Titelverteidiger Rohan Dennis aus Australien brach im zweiten Teil der Strecke ein und wurde nur Fünfter.

Der Cottbuser Martin hatte 2011, 2012, 2013 und 2016 das wichtigste Zeitfahren der Welt gewonnen, fühlte sich aber nach 21 Tagen Tempoarbeit in Frankreich nicht mehr im Stande, das WM-Zeitfahren zu absolvieren. Sein Teamkollege van Aert wies eindrucksvoll nach, zu was er trotz Tour-Tortur noch im Stande war.

Auf dem Weg der Besserung befindet sich derweil die Amerikanerin Chloé Dygert, die am Donnerstag auf dem Weg zur WM-Titelverteidigung schwer gestürzt war. Die 23-Jährige wurde in der Nacht zum Freitag in einem Krankenhaus in Bologna operiert. „Sie ruht sich nun aus und wir denken, dass sie vollständig regeneriert“, hieß es vom US-Verband. Dygert war in einer Kurve von der Fahrbahn abgekommen und über eine Leitplanke gestürzt. Dabei hatte sich die Favoritin, die bis dahin auf Kurs zur nächsten Goldmedaille lag, eine tiefe Risswunde im linken Bein zugezogen.

© dpa-infocom, dpa:200925-99-711438/3

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Erstellt:
25. September 2020, 17:05 Uhr

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