Die Wild Wings lernen wieder fliegen

Unter dem neuen Trainer Thompson ist in Schwenningen die Trendwende gelungen – Vertrag von Sportdirektor Rumrich verlängert

Schlusslicht Wild Wings schlägt Primus Adler Mannheim – ein Weihnachts- geschenk für die Eishockey-Fans im Schwarzwald. Jürgen Rumrich soll den Erfolg verstetigen. Leicht wird’s nicht.

Stuttgart Es war einmal ein Eishockey-Club aus dem schönen Schwarzwald, der war nicht reich und beschäftigte daher junge Burschen aus Deutschland, die besonders gut mit Schläger und Scheibe umzugehen wussten. Der Plan schien erfolgreich, in der Saison 2017/2018 erreichte die Wild Wings genannte Gemeinschaft die Pre-Play-offs – was große Freude bei den Fans auslöste, die Funktionäre sahen sich bestätigt in ihrer Strategie. Doch kaum ein Jahr später wurde aus dem adretten Schwan wieder ein hässliches Entlein, es reihte sich Pleite an Pleite sowie Frust an Frust. Bald stand der Club dort, wo er vor zwei Spielzeiten auch meist gestanden hatte: am Tabellenende der Deutschen Eishockey-Liga (DEL).

Und weil die Wild Wings nicht gestorben sind, kämpfen sie noch heute. Ein wenig Federn haben sie gelassen. Der einstige Erfolgscoach Pat Cortina wurde gerupft, seit 9. November steht Paul Thompson hinter der Bande und in der Verantwortung. Seitdem lernen die Wild Wings langsam wieder fliegen. „Es ist ein Mix aus vielem“, sagt Sportdirektor Jürgen Rumrich, „es mag eine veränderte Ansprache an die Mannschaft sein, eine Umstellung des Systems – es sind oft nur Kleinigkeiten. Paul hat viel Erfahrung.“ Die Bilanz unter dem 50 Jahre alten Briten ist positiv, acht Siegen stehen sieben Niederlagen gegenüber. Zuletzt schlugen die Schwenninger Spitzenreiter Adler Mannheim 2:1, an diesem Freitag (19.30 Uhr) sind die Kölner Haie zu Gast in der Helios-Arena – und in Schwenningen keimt wieder Hoffnung, die Pre-Play-offs zu erreichen.

Vom deutschen Weg kommt der Club langsam ab, es wurden Ausländer und Profis mit zwei Nationalitäten (eine davon deutsch) angeworben. Kürzlich wurde der Finne Vili Sopanen (Siegtorschütze gegen die Adler) vom ERC Ingolstadt in den Schwarzwald gelockt, im Sommer kam der US-Stürmer Philip McRae. Zehn Cracks aus dem Wild-Wings-Schwarm besitzen keinen deutschen Pass. „Es geht darum, Erfolg zu haben“, sagt Rumrich, „weil wir ein begrenztes Budget besitzen, haben wir einige Zwei-Flaggen-Spieler im Team.“ Der 50-Jährige besitzt noch ein Büro in der Helios-Arena, er hat die herbstliche Ergebniskrise im Gegensatz zu Cortina überstanden. Mehr noch: Der Vertrag des Sportdirektors, der seit fünf Jahren in Schwenningen den Erfolg zu verstetigen sucht, wurde am Donnerstag bis Saisonende 2020 verlängert; auch Trainer Thompsons Kontrakt wurde entsprechend erweitert.

Zudem wurde Rumrichs Wunsch nach Verstärkung entsprochen – nicht auf dem Eis, sondern im kaufmännischen Bereich. Geschäftsstellenleiter Oliver Bauer übernimmt organisatorische Aufgaben, zudem suchen die Wild Wings jemanden für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. „So sind wir bestens aufgestellt, um in der kommenden Saison wieder zurück in die Erfolgsspur zu finden“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Michael Werner.

Für Jürgen Rumrich ist diese Vertragsverlängerung mit der Aufstockung seines administrativen Teams ein Vertrauensvorschuss. Er weiß, dass er liefern muss – nicht unbedingt in dieser, aber auf jeden Fall in der nächsten Saison. Die aktuelle Lücke auf Platz zehn beträgt zehn Zähler, noch stehen in der Hauptrunde 22 Partien auf dem Terminplan – man muss also keinen zum Psychologen schicken, der noch fest ans Erreichen der Pre-Play-offs im März glaubt. Selbstverständlich zählt auch Jürgen Rumrich zu dieser Spezies. „Selbst die Topteams sind nicht ganz so weit weg, wie man gesehen hat“, sagt der Ex-Nationalspieler, „wir müssen aber vor allem die Teams schlagen, die unsere Kragenweite sind: Krefeld, Augsburg, Straubing, Bremerhaven.“

Dabei spielen die Weihnachtsferien eine übergeordnete Rolle. Sowohl sportlich werden die Weichen gestellt wie auch finanziell. Bislang haben die Wild Wings weniger Anhänger in ihre Arena gelockt, als der Club gehofft hatte. Mit 4000 Fans pro Heimspiel wurde kalkuliert, bei gut 3400 steht aktuell der Schnitt. „Die Ferien sind entscheidend“, sagt Rumrich, „wir sind gefordert, zu Hause attraktiv, gut und erfolgreich aufzutreten – jetzt besteht die Chance, neue Fans zu gewinnen.“ Anders als in der Fußball-Bundesliga trägt der Ticketverkauf stark zum Gewinn eines DEL-Clubs bei. Bei einem der kleinsten Etats (etwa sechs Millionen Euro) benötigen die Schwenninger jeden Cent – damit Rumrich und Thompson den Kader für die kommende Saison aufrüsten können.

Nun enden Märchen, die mit „Es war einmal“ beginnen, stets gut. Allerdings handelt es sich bei den Wild Wings aus der DEL nicht um ein Märchen, sondern um die Realität – deshalb ist auch nicht mit einer guten Fee zu rechnen, die einen Goldschatz offeriert. Jürgen Rumrich muss es selber richten.

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Erstellt:
28. Dezember 2018, 03:14 Uhr

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