Ein Oldtimer auf der Formel-1-Piste

Auf dem legendären Hockenheimring haben 250 Ausdauersportler kräftig Gas gegeben. Beim Halbmarathon der 5. Ring Running Series waren viereinhalb Runden zu absolvieren. Zwischen Parabolika und Motodrom gilt es aufzupassen, dass der Motor nicht platzt oder der Tank leer wird.

Das Rennen auf dem Hockenheimring verspricht einzigartige Rennatmosphäre, auch wenn die Tribünen leer sind und statt dröhnender Drehzahlen für die Läufer wie Matthias Nothstein nur die richtigen Pulswerte zählen. Foto: privat

Das Rennen auf dem Hockenheimring verspricht einzigartige Rennatmosphäre, auch wenn die Tribünen leer sind und statt dröhnender Drehzahlen für die Läufer wie Matthias Nothstein nur die richtigen Pulswerte zählen. Foto: privat

Von Matthias Nothstein

Die Formel 1 ist in die Saison gestartet.
Max Verstappen hat den Großen Preis auf der Retortenstrecke von Bahrain gewonnen, gähn. Echten Sport gab’s dagegen zeitgleich auf dem Hockenheimring. 250 Halbmarathonis bewiesen auf dem Traditionskurs in der Kurpfalz bei der 5. Ring Running Series, wie man aus eigener Muskelkraft die 4,5 Kilometer lange Asphaltpiste viereinhalbmal meistert. Ein Erlebnisbericht:

Die äußeren Bedingungen sind fast optimal. 13 Grad, trocken. Die heikelste Phase bei der Formel 1 und manchmal auch bei Volksläufen ist der Start. Die Veranstalter beugen vor, bilden einen Block mit Läufern, die die 21,09 Kilometer unter 1:30 Stunden bewältigen, danach folgen die restlichen Ausdauersportler im Rolling-Start-Verfahren – alle fünf Sekunden einer.

Los geht’s auf der legendären Parabolika, dem Abschnitt vor der Spitzkehre, vor deren Bremspunkt mit 310 Stundenkilometern die höchste Geschwindigkeit auf der gesamten Strecke erreicht wird. Ich weiß nicht so recht, was man in meiner Leistungsklasse unter einem Bremspunkt versteht. Auf den ersten Runden jedenfalls nehme ich die Spitzkehre ohne Probleme mit etwa zwölf Kilometern pro Stunde, später etwas langsamer. Und qualmende Bremsen kann ich beim besten Willen bei keinem meiner Mitstreiter erkennen. Ohnehin gilt es erst einmal, den Kurs kennenzulernen. Schon auf der zweiten Runde wird klar, dass eben jene Parabolika unter psychologischen Gesichtspunkten der schwierigste Abschnitt ist. Etwa einen Kilometer geht es geradeaus, dazu sogar mit etwas Steigung und vor allem mit böigem Gegenwind. Die Läufer am fernen Horizont haben die Größe einer Streichholzschachtel. Und es dauert ewig, bis die Spitzkehre erreicht ist.

Regelmäßiges Auftanken in der Boxengasse verhindert Desaster im Rund

Auch wenn es nur ein Halbmarathon ist, so gilt es doch, bei meiner ökologischen Spielart des PS-Spektakels die Kräfte richtig einzuteilen. Nicht dass mir am Ende das Benzin ausgeht. Ein Schicksal, das schon viele Formel-1-Piloten ereilt hat. Die Erinnerung am Imola 1985 zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht, trotz 150 Puls Dauerbelastung. Damals blieb Ayrton Senna in Führung liegend mit leerem Tank stehen, kurz danach auch der neue Führende Stefan Johansson. Der Dritte Alain Prost glaubte schon gewonnen zu haben, wurde aber nach der Siegerehrung disqualifiziert, da sein Auto nach dem Rennen zu leicht war, es hatte keinen einzigen Tropfen Benzin mehr im Tank. So siegte damals Elio de Angelis, der im Rennen nicht eine Runde geführt hatte. Als Zweiter wurde Thierry Boutsen gewertet, obwohl auch ihm der Saft ausgegangen war und er seinen Arrows-Flitzer über die Ziellinie schieben musste.

Ich hingegen weiß genau: Mich schiebt keiner, wenn mein Tank leer ist, ich würde mit Krämpfen im Kiesbett enden und womöglich von einer Art Safety-Car abgeholt werden. Also lege ich in jeder Runde einen Boxenstopp ein. Statt Benzin tanke ich Cola, das Doping des ehrlichen Läufers. Damit schaffe ich zwar keine Runde in 1:13 Minuten, bei dieser Zeit steht Kimi Räikkönens Streckenrekord. Ich brauche stabile 23 Minuten, aber dafür bewege ich mich in meinem Ferrari-roten Murrtal-Runners-Laufshirt schadstofffrei, zumindest beinahe.

Die kurvigste Passage ist das Motodrom. Seit Runde drei überhole ich zuweilen Konkurrenten. Dazu braucht’s eine ausgefeilte Renntaktik. Es gilt, sich den Vordermann zurechtzulegen. Zwei Kandidaten habe ich schon länger im Auge, die ich zur Eigenmotivation Landjäger-Horst und Red-Bull-Ronny getauft habe. Auf der nächsten Geraden komme ich aus ihrem Windschatten, wähle in der Sachs-Kurve die Innenbahn, bewege mich jenseits der Anaeroben Schwelle ganz eng an den Curbs entlang und zeige ihnen dann meine Rücklichter.

Zum letzten Mal geht es vorbei an der Boxengasse. Noch mal nachtanken. Apropos Benzin. Hier fing 1994 der Benetton von Jos Verstappen Feuer. Ein Mechaniker hatte den Tankschlauch verkantet, sodass Benzin austrat und sich entzündete. Verstappen blieb dank seines feuerfesten Overalls unverletzt. Nicht auszudenken, es wäre ihm ernsthafter Schaden widerfahren. Sein Sohn Max, heute unangefochtener Formel-1-Dominator, war längst noch nicht auf der Welt. Eventuell hätte Formel-1-Geschichte eine komplett andere Wendung genommen.

Zurück zum richtigen Sport. Für mich geht’s zum letzten Mal in die Parabolika. In dieser einsamen Applausdiaspora sind nur die Kiefern der pfälzischen Rheinebene Zeugen meines heroischen Kampfs gegen den inneren Schweinehund. Die letzten Kilometer sind zäh, das Lactat lässt grüßen. Meine innere Tankuhr gibt mir zu verstehen, dass Imola 1985 immer noch im Raum steht, ich laufe auf der letzten Rille. Aber die anderen Boliden um mich herum zeigen ebenso Materialfehler im Sinne von angedeuteten Krämpfen in den Oberschenkeln. Deshalb scheint es sogar, als würde ich mich in der Wertung Platz für Platz nach vorne kämpfen. Ohnehin habe ich eigene Kategorien. Alter und Gewicht dürfen bei der Bewertung meiner Leistung nicht vernachlässigt werden, behaupte ich und fordere die Extrawertung Grand-prix-de-Kilo. Mehr noch, in der Zweizentnerklasse – würde es sie denn geben – müsste ich mit meinem angedeuteten Feinkostgewölbe gar am Podest schnuppern.

Punktlandung dank passender Rennstrategie

Auch wenn es mit dem Treppchen in der Oldtimeraltersklasse M 60 nichts werden sollte, so bin ich doch sehr zufrieden. Nach dem Seuchenjahr 2022 mit Herzinfarkt und Stent, doppeltem Rippenbruch und Coronainfektion samt heftigem Verlauf und einjährigen Lungenproblemen sollte ich ohnehin in einer extra für mich geschaffenen Lazarusklasse starten dürfen. Deshalb genieße ich jetzt, so gut es geht, die letzte Passage des Motodroms, auch wenn aufgrund der leeren Tribünen von Stadionatmosphäre keine Rede sein kann. Meine Rennstrategie war auf 1:55 Stunden ausgelegt. Nach dem letzten Qualifying vor einer Woche, als ich noch gut auf der Straße lag, war dies realistisch. Nun wird die schwarz-weiße Zielflagge für mich nach 1:54,17 Stunden gewunken. Punktlandung. Auch wenn es auf dem letzten Kilometer so aussah, als würde mein Motor platzen, so bin ich doch kurz nach der Passage der legendären Ziellinie recht schnell wieder erholt. Eigentlich könnte ich jetzt in der Mixedzone Kai Ebel ein Interview geben. Aber weit und breit ist kein Reporter zu sehen. Vermutlich sind diese Banausen alle in Bahrain im Einsatz.

Ergebnisse Halbmarathon 1. (1. M 40)Tobias Gröbl (LG Zusam) 1:09,01; 106. (6. M 60) Matthias Nothstein (Murrtal-Runners Aspach) 1:54,17; 120. (18. M 45) Jens Steinat (Weissach im Tal) 1:58,41.

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Erstellt:
4. März 2024, 16:00 Uhr

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