Fußball-Bundesliga pausiert und fürchtet Existenzkampf

dpa Frankfurt/Main. Die beiden höchsten deutschen Fußball-Ligen haben auch den nächsten Spieltag offiziell abgesagt und wollen in der Woche ab dem 30. März neu beraten. DFL-Geschäftsführer Seifert malt ein düsteres Szenario.

DFB-Präsident Fritz Keller (r) und DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius auf dem Weg in die DFL-Mitgliederversammlung. Foto: Arne Dedert/dpa/POOL/dpa

DFB-Präsident Fritz Keller (r) und DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius auf dem Weg in die DFL-Mitgliederversammlung. Foto: Arne Dedert/dpa/POOL/dpa

Mit ernster Miene verkündete Christian Seifert die Aussetzung der Bundesligen bis mindestens zum 2. April, dann rief der DFL-Boss mit eindrücklichen Worten den Existenzkampf für den deutschen Profi-Fußball aus.

„Ich möchte die Lage nicht dramatisieren, sie ist schon ernst genug. Aber ohne die Einnahmen aus TV, Ticketing und Sponsoring sind viele Vereine in akuter Gefahr“, sagte Seifert nach der Krisensitzung der 36 Profivereine in Frankfurt/Main und fügte an: „Es steht mehr auf dem Spiel als nur ein paar Fußballspiele. Es geht auch um 56.000 Arbeitsstellen. Dazu kommen 10.000 weitere Jobs in angrenzenden Bereichen.“

Für eine mögliche Fortsetzung der Saison zu einem derzeit ungewissen Zeitpunkt kündigte Seifert daher schon jetzt Geisterspiele an. „Niemand liebt Spiele vor leeren Rängen. Sie sind für viele Vereine aber die einzige Möglichkeit zum Überleben. Deshalb bitte ich um Nachsicht bei den Fans, dass wir darüber nachdenken müssen.“

Der Ernst der Lage für die milliardenschwere Branche war während der gut dreistündigen Mitgliederversammlung der Deutschen Fußball Liga, der auch DFB-Präsident Fritz Keller und DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius beiwohnten, förmlich greifbar. Die Sorge vor einem Kollaps geht um, weshalb die DFL momentan auf Sicht fährt und bereits Ende März zu einem weiteren Krisentreffen zusammenkommen wird.

Bis dahin sollen alle Clubs Zahlen vorlegen, wie lange sie in der extremen Ausnahmesituation durch die Coronavirus-Pandemie wirtschaftlich überleben könnten. „Wir müssen einen Überblick bekommen, wer hält wie lange ohne Spiele durch“, so Seifert.

Bei der nächsten Tagung dürfte eine weitere Aussetzung des Spielbetriebes verkündet werden, allein schon aufgrund von behördlichen Auflagen in vielen Bundesländern mindestens bis Ostern. „Ich möchte ausdrücklich betonen, dass wir nicht davon ausgehen, ab dem 3. April wieder zu spielen“, sagte Seifert dazu.

Sollte die Saison sogar abgebrochen werden müssen, drohen den Clubs im schlimmsten Fall Einnahmeverluste von insgesamt 750 Millionen Euro. Denn eine Versicherung gegen eine Pandemie gibt es nicht. Alle Clubs hätten daher den Anspruch, „in irgendeiner Art und Weise - solange rechtlich möglich und gesundheitlich vertretbar - die Saison regulär zu Ende kommen zu lassen“, bekräftigte Seifert.

Spiele vor leeren Rängen seien dafür ein Mittel zum Zweck: „Wenn jemand sagt, Geisterspiele kommen nicht infrage, der muss sich keine Gedanken mehr machen, ob wir künftig mit 18 oder 20 Profi-Clubs spielen“, sagte der 50 Jahre alte DFL-Geschäftsführer. „Denn dann wird es keine 20 Profi-Clubs mehr geben.“

Hinter den Kulissen werde daher mit Hochdruck an Lösungsmöglichkeiten gearbeitet. Die sollen am Tag X - der Wiederaufnahme des Spielbetriebes - greifen. „Der ist hoffentlich nicht so weit weg oder so nah dran, dass ihn alle Clubs erreichen“, sagte Seifert. Es gebe aber „keinen Zweifel, dass die Eindämmung des Coronavirus Vorrang vor allem hat“.

Seifert sprach von der „schwierigsten Phase unseres ganzen Berufslebens“. Es gebe mehr offene Fragen als Antworten. „Wir wissen auch nicht, was morgen auf uns wartet“, betonte er. „Wenn das Coronavirus unser größter Feind ist, ist die Unsicherheit unser zweitgrößter Feind.“

Die Clubs einigten sich in einem Frankfurter Flughafen-Hotel daher zunächst auf einen „Notfall-Paragrafen“, damit Entscheidungen schneller und unkomplizierter getroffen werden können. Zudem soll das Lizenzierungsverfahren auf den Prüfstand gestellt werden. „Wir werden uns selbstverständlich die Rahmenbedingungen sehr genau ansehen“, kündigte Seifert an. „Wir müssen lernen, anders zu denken. Wenn wir die Satzung ändern müssen, um das Überleben zu sichern, werden wir auch darüber sprechen.“

Eine inhaltliche Debatte über mögliche Szenarien des Auf- und Abstiegs oder finanzieller Hilfen im Falle eines Komplettabbruchs der Saison wurde am Montag noch nicht geführt. Das wäre aus Sicht von Seifert auch nicht redlich gewesen, denn: „Es ist zu früh zu sagen, die Saison kann oder sollte nicht zu Ende gespielt werden.“

Der DFL-Chef ließ aber keinen Zweifel daran, dass individuelle Interessen bei einem Worst Case zurückstehen müssen. „Es geht um die Bundesliga und die 2. Bundesliga als Ganzes. Wir können Entscheidungen nicht von Tabellenständen einzelner Vereine abhängig machen“, betonte Seifert.

Bereits an diesem Dienstag erhofft sich die Bundesliga neue Aufschlüsse, wie die Saison vielleicht doch noch zu einem Abschluss gebracht werden kann. Dann berät die Europäische Fußball-Union (UEFA) mit den 55 nationalen Verbänden über die Verlegung der Fußball-EM 2020 in den kommenden Winter oder den Sommer 2021.

Sollte das Turnier aufgrund der Verbreitung von Sars-CoV-2 wie erwartet nicht wie ursprünglich geplant vom 12. Juni bis zum 12. Juli stattfinden, hätten die nationalen Ligen bis zum 30. Juni Zeit, ihre Saison zu beenden. „Ich gehe davon aus, dass die nationalen Ligen mit dem morgigen Tag mehr Flexibilität haben“, sagte Seifert am Montag und äußerte zum Schluss den Wunsch: „Lasst uns da durchkommen.“

Die Fußball-Bundesliga und die 2. Liga unterbrechen ihren Spielbetrieb aufgrund der Coronavirus-Krise bis mindestens zum 2. April. Foto: Sven Hoppe/dpa

Die Fußball-Bundesliga und die 2. Liga unterbrechen ihren Spielbetrieb aufgrund der Coronavirus-Krise bis mindestens zum 2. April. Foto: Sven Hoppe/dpa

DFL-Chef Christian Seifert bei der Pressekonferenz im Anschluss an die DFL-Mitgliederversammlung. Foto: Arne Dedert/dpa Pool/dpa

DFL-Chef Christian Seifert bei der Pressekonferenz im Anschluss an die DFL-Mitgliederversammlung. Foto: Arne Dedert/dpa Pool/dpa

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Erstellt:
16. März 2020, 12:29 Uhr

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