Kiel norddeutsch-nüchtern vor Highlight gegen Bayern

dpa Kiel. Holstein Kiel hat sich zum Aufstiegskandidaten in der 2. Bundesliga entwickelt. Doch groß registriert wird dies kaum. Jetzt darf sich das Team im DFB-Pokal gegen den FC Bayern München endlich einem Millionen-Publikum im TV präsentieren.

In der 2. Liga Aufstiegskandidat, gegen Bayern im Pokal Underdog: Holstein Kiel. Foto: Frank Molter/dpa

In der 2. Liga Aufstiegskandidat, gegen Bayern im Pokal Underdog: Holstein Kiel. Foto: Frank Molter/dpa

Auch einen Tag vor dem DFB-Pokalspiel gegen den FC Bayern München war bei Holstein Kiel nur wenig von Aufregung zu spüren.

Dass der deutsche Rekordmeister am Mittwoch (20.45 Uhr/ARD und Sky) antritt, schien beim Zweitligisten aus dem Norden niemanden in einen emotionalen Ausnahmezustand zu versetzen. Schon gar nicht Trainer Ole Werner.

„Natürlich besteht eine besondere Motivation, sich mit der besten deutschen und der aktuell weltweit besten Vereinsmannschaft zu messen“, sagte der mit 32 Jahren jüngste Trainer im deutschen Profi-Fußball. „Aber das ist nichts, was zu anderen Abläufen und zu vollkommen anderen Gesprächsthemen führt, die wir für gewöhnlich auch haben.“ Logischerweise sei es so, „dass wir der Underdog sind“.

Immerhin darf sich die Mannschaft dank der TV-Übertragungen in der ARD und bei Sky gegen die Über-Mannschaft aus dem Süden endlich einmal einem Millionen-Publikum präsentieren. „Wir wollen unsere Haut so teuer wie möglich verkaufen“, meinte Werner.

Die starke Saison seines Teams wurde bislang eher beiläufig registriert. Dabei entwickelt sich an der Förde nicht erst seit dem Aufstieg 2017 fernab des Fußball-Hotspots Hamburg etwas - und das mit bescheidenen Mitteln. Der Umsatz von etwa 24 Millionen Euro ist auch im Zweitliga-Vergleich nicht üppig. Dennoch baute der Club professionelle Strukturen auf. Ein modernes Nachwuchsleistungszentrum und sehr gute Trainingsplätze sind entstanden, auch personell sind die „Störche“ bestens aufgestellt.

Längst gilt Holstein nicht mehr als Geheimtipp, wenn es um den Aufstieg geht. Zwar war der Jahresauftakt mit einer Niederlage gegen den VfL Osnabrück und dem Remis am Samstag beim FC St. Pauli durchwachsen. Trotzdem sind die Kieler als Tabellendritter weiter mitten im Aufstiegskampf - auch wenn dies Trainer Werner nicht sonderlich beeindruckt. Am 15. Spieltag „richte ich nicht den Blick auf die Tabelle“, versicherte er.

Die starke Vorstellung in dieser Saison hat auch viel mit ihm zu tun. Werner ist seit September 2019 Chef der Profis. Er rückte aus der zweiten Mannschaft auf den Posten als Nachfolger von André Schubert und führte den Verein aus der Abstiegszone. Nebenbei machte er noch seine Ausbildung zum Fußballlehrer.

Werner hatte das Glück, dass die Mannschaft im Sommer erstmals seit Jahren keinen personellen Umbruch erlebte. Er konnte auf eine eingespielte Achse zurückgreifen, dazu gab es sinnvolle Verstärkungen wie den gebürtigen Kieler Fin Bartels (33) für die Offensive.

Macher ist Sportchef Uwe Stöver, der gemeinsam mit Bayern-Trainer Hansi Flick die Ausbildung zum Fußballlehrer einst absolvierte. Der gebürtige Wuppertaler wirkt noch norddeutscher als viele Norddeutsche. Seine Vokabeln sind „Vernunft“, „Realitätssinn“, „Ruhe“ oder „Besonnenheit“. „Wir haben den Auftrag, uns kurz- und mittelfristig in dieser Liga zu etablieren“, sagt der 53-Jährige.

Doch über das Stadium ist die Mannschaft hinaus. Möglicherweise steht am Ende der Saison der Bundesliga-Aufstieg als erster Verein aus Schleswig-Holstein - und die Aussicht, kommende Spielzeit gleich zwei Mal auf die großen Bayern zu treffen. „Ich kenne niemanden, der sich gegen sportlichen Erfolg wehrt“, meinte Stöver. Das gilt sicher auch schon für den Mittwoch.

© dpa-infocom, dpa:210112-99-993880/6

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Erstellt:
12. Januar 2021, 12:56 Uhr

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