Lina Zerrweck schielt auf die Medaillen

Die Degenfechterin aus Backnang bestreitet ihre letzte Saison bei den Juniorinnen und ist gut drauf. Vor allem bei der anstehenden EM in Neapel und bei den nationalen Titelkämpfen im Mai traut sich die 19-Jährige einiges zu. Etwas bescheidener sind die Ziele bei der WM in Riad im April.

Freut sich auf ihre Teilnahme bei der Europameisterschaft der Juniorinnen: Lina Zerrweck. Foto: Jan von Uxkull-Gyllenband

© Jan von Uxkull-Gyllenband

Freut sich auf ihre Teilnahme bei der Europameisterschaft der Juniorinnen: Lina Zerrweck. Foto: Jan von Uxkull-Gyllenband

Von Steffen Grün

Begonnen hat alles mit einem Flyer, der in der dritten Klasse verteilt wurde. Auf dem Zettel warben die Fechter der TSG Backnang für einen Anfängerkurs und Lina Zerrweck fühlte sich angesprochen, denn „ich fand Ritter damals cool“. Statt zur Lanze griff sie zum Degen, streifte sich einen Helm und eine etwas andere Form der Rüstung über und probierte mal aus, ob es etwas für sie sein könnte, die Klingen zu kreuzen. „Mir hat es Spaß gemacht und die Trainer haben mir Talent bescheinigt“, erinnert sich Lina Zerrweck: „Ich habe gleich mein erstes Turnier gewonnen. Das war richtig toll, auch wenn es nur drei Teilnehmerinnen waren.“

Das ist mittlerweile gut zehn Jahre her. Weitere Erfolge stellten sich schnell ein und Späher aus größeren Vereinen wurden auf die Schülerin aufmerksam. 2016 wechselte sie nach Heidelberg, 2018 in die Hochburg des Fechtens schlechthin: Tauberbischofsheim (siehe Infotext). Auch dort setzte sich die stetige Weiterentwicklung fort; die Leistungen der Degenfechterin bei den Juniorinnen sind in der vergangenen und in der laufenden Saison durchaus respektabel. Bei den Weltcups in Udine und Istanbul sprangen die Plätze acht und neun heraus, bei den Welt- und Europameisterschaften in Plovdiv und Tallinn gab’s die Ränge 79 und 24. Als „richtig gut“ ordnet die Linkshänderin auch den Weltcup in Tiflis vor gut zwei Wochen ein. Mit Platz zwölf schnappte sie sich 24 Punkte, „das hat mich in der Nominierungsrangliste von Platz vier auf Platz eins gebracht“. Letzte Restzweifel, dass sie vom Deutschen Fechter-Bund (DFB) ein Ticket für die EM und WM bekommen würde, waren damit ausgeräumt. An die Spitze der deutschen U-20-Rangliste hatte sich Zerrweck bereits zu Jahresbeginn katapultiert.

Sie zählt also zweifelsohne zu den größten Nachwuchshoffnungen im Degenfechten – und tut dafür einiges. Vier Trainingseinheiten pro Woche sind das Minimum, zu Lehrgangszeiten können es fünf oder sechs sein. „Ich fahre zweimal pro Woche nach Tauberbischofsheim“, erzählt die 19-Jährige, die in Maubach wohnt. Mittwochs und freitags legt sie die gut 100 Kilometer zurück und bleibt beim zweiten Mal für eine Nacht, um samstags noch einmal vor Ort zu trainieren. Donnerstags steht sie bei ihrem Heimatverein in Backnang auf der Planche und duelliert sich mit alten Freunden. Weil das Niveau naturgemäß niedriger ist, „fange ich zum Beispiel mit einem Rückstand an, damit es schwieriger für mich ist“. Tipps von TSG-Trainer Michael Flegler, der mit dem Degen selbst Europameister, Junioren-Weltmeister und Weltmeister mit dem deutschen Team wurde, gibt es obendrauf.

Der Aufwand zahlte sich zuletzt immer wieder mit guten Resultaten aus, die Selbstvertrauen für die anstehenden Höhepunkte im Turnierkalender geben. In Neapel findet ab heute die EM der Kadetten (U 17) und Junioren (U 20) statt, doch Lina Zerrweck landet erst am Samstag in der Stadt am Fuß des Vesuvs. Das reicht, da ihr Einzelwettbewerb erst am Dienstag, 27. Februar, ansteht. In ihrer letzten Saison bei den Juniorinnen gilt für die Backnangerin das Motto: „Alles oder nichts. Ich würde mich sehr über eine Medaille freuen und an einem guten Tag ist das auch drin.“ Dasselbe gelte fürs deutsche Team, mit dem sie zwei Tage später dran ist und an den vierten Platz unlängst in Tiflis anknüpfen will. „Dort haben wir die Ukraine und die USA geschlagen, gegen Ungarn knapp verloren und erst mit dem 33:40 gegen China das Podest verpasst“, blickt Zerrweck zurück: „Das zeigt, was möglich ist.“

Bei der WM in Saudi-Arabien im April will das deutsche Team aufhorchen lassen

Das gilt auch für die WM in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad (12. bis 20. April), bei der sie mit ihren Mitstreiterinnen Fiona Müller, Daria Yoosefi und Alexandra Zittel die Top 16 anpeilt. Dann muss nicht Schluss sein, „im Idealfall geht auch mehr. Es kommt stark auf die Auslosung an.“ Im Einzel ebenfalls, die Trauben hängen hier allerdings noch viel höher als bei der EM.

Kaum ist Zerrweck aus dem Wüstenstaat zurück, stehen noch zwei deutsche Meisterschaften auf der Liste. Am 11. Mai startet sie letztmals in der U 20, „da will ich gewinnen“. Eine Medaille soll es zwei Wochen später bei den Frauen sein, bei denen sie im Vorjahr bereits Achte geworden war. Es ist so etwas wie der offizielle Übergang, denn danach ist Pause und ab September startet sie nur noch dort. „Erstes Ziel ist es, in die Top zwölf der deutschen Rangliste zu kommen“, erklärt die Backnangerin, die derzeit Rang 19 belegt und bei Qualifikationsturnieren in Heidelberg und Reutlingen im Oktober nach oben klettern will. Das ist wichtig, weil der DFB ein Dutzend Frauen zu den Weltcups schicken darf. Dort hat Alexandra Zittel schon erste Erfahrungen gesammelt, während sich Lina Zerrweck noch auf die U 20 konzentrierte. Die Heidenheimerin ist bereits Sechste der deutschen Rangliste und war mit der Backnangerin bislang stets auf Augenhöhe. „Wir kennen uns, seit wir angefangen haben – mal habe ich gewonnen, mal sie“, erzählt Zerrweck von den Duellen mit ihrer Dauerrivalin. Sie dürften sich als zwei der größten Talente im deutschen Degenfechten auch künftig begegnen. Ob es sogar zu den Olympischen Spielen reicht? „Das wäre ein Träumchen, aber dafür ist es zu früh.“ In der Tat, das kann frühestens 2028 in Los Angeles ein Thema werden.

Die Stationen von Lina Zerrweck

Erster Verein Das Einmaleins des Fechtens hat Lina Zerrweck bei der TSG Backnang gelernt. Wer ebenfalls Interesse an dieser Sportart hat und sich einen ersten Eindruck verschaffen will, kann jederzeit zu einem Schnuppertraining in die Katharinenplaisirhalle kommen. Der Dienstag gehört den unter Zwölfjährigen (16.30 Uhr bis 17.30 Uhr) und den 12- bis 14-Jährigen (17.30 Uhr bis 19 Uhr), der Donnerstag (19 Uhr bis 20.30 Uhr) den über 14-Jährigen. Nach den Sommerferien ist zudem auch in diesem Jahr wieder ein Anfängerkurs geplant.

Aktueller Klub Der FC Tauberbischofsheim ist die Hochburg des Fechtens schlechthin. Viele Sportbegeisterte denken an den Trainer Emil Beck, der Athletinnen und Athleten wie Anja Fichtel, Zita Funkenhauser, Alexander Pusch oder Thomas Bach zu einer Vielzahl von Medaillen bei Europa- und Weltmeisterschaften und sogar Olympischen Spielen führte. Der Höhepunkt war 1988 in Seoul erreicht, als das deutsche Florettteam mit Sabine Bau, Anja Fichtel und Zita Funkenhauser die Goldmedaille holte. Zudem räumten die Tauberbischofsheimerinnen auch alle Edelmetalle im Einzel ab.

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Erstellt:
22. Februar 2024, 06:00 Uhr

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