Traumehe kaputt: Vettel hört bei Ferrari nach der Saison auf

dpa Berlin. Es geht nicht weiter nach dieser Saison. Sechs Jahre Ferrari und die Zeit von Sebastian Vettel dort wird vorbei sein. Er wollte es wie sein großes Idol machen. Es kam anders. Gründe gibt es einige. Die größte Frage: Was macht Vettel 2021?

Sebastian Vettel wird Ferrari verlassen. Foto: Tom Boland/The Canadian Press/AP/dpa

Sebastian Vettel wird Ferrari verlassen. Foto: Tom Boland/The Canadian Press/AP/dpa

Sebastian Vettels Ferrari-Mission geht mit unverhohlenen Misstönen zu Ende, der Versuch einer Ära wie bei seinem großen Idol Michael Schumacher ist krachend gescheitert.

Der 32 Jahre alte viermalige Formel-1-Weltmeister und die Scuderia konnten sich nicht auf einen neuen Vertrag ab dem kommenden Jahr einigen. Ob Vettel weitermacht, sich womöglich ein noch spektakulärer Wechsel anbahnt oder er seine Karriere mit dann 33 Jahren abrupt beendet und womöglich für die erste Saison ohne deutschen Stammfahrer seit 1990 sorgt - alles offen. Fest stand nach den gescheiterten Verhandlungen für Vettel nur: „Das Team und ich haben gemerkt, dass es nicht mehr den gemeinsamen Wunsch gab, über das Ende dieser Saison zusammenzubleiben.“

Was am 20. November 2014 mit der Bekanntgabe der Verpflichtung von Vettel bei Ferrari und mit den Vettel-Worten: „Für mich geht damit ein langer Kindheitstraum in Erfüllung“ begann, geht nach sechs Jahren und schlimmstenfalls ohne einen einzigen gemeinsamen Titel vorbei. Selbst ein Abschied ohne weitere Fahrt im roten Rennwagen ist wegen der Coronavirus-Krise nicht ausgeschlossen. Dabei hatte Vettel schon als kleiner Junge davon geträumt, wie Kumpel Michael Schumacher in dem roten Auto zu fahren. Die „unglaubliche Ehre“ wurde nicht wie zu Zeiten des Rekordchampions zur unglaublichen Titelserie.

„Um die bestmöglichen Ergebnisse in diesem Sport zu erzielen, ist es für alle Beteiligten wichtig, in perfekter Harmonie zu arbeiten“, erklärte Vettel. Wie sehr die Fronten verhärtet sind, belegt ein Statement von Teamchef Mattia Binotto aus der Ferrari-Mitteilung: Es sei die beste Entscheidung für beide Seiten.

Als Nachfolger für Vettel wird bereits der spanische McLaren-Pilot Carlos Sainz gehandelt, der Vertrag des 25-Jährigen läuft ebenfalls Ende des Jahres aus. Zu Spekulationen über eine Vettel-Verpflichtung wollte sich McLaren nicht äußern - Teamchef Andreas Seidl und Vettel schätzen sich seit der gemeinsamen Zeit bei BMW-Sauber. Vettel hatte 2007 in den USA sein Formel-1-Debüt im BMW gefeiert.

Dafür zündelte der Teamchef des deutschen Werksrennstalls Mercedes ein wenig. „Sebastian ist ein großartiger Fahrer, eine große Persönlichkeit und für jedes Formel-1-Team eine Bereicherung“, sagte Toto Wolff der Deutschen Presse-Agentur auf die Frage, ob die Silberpfeile nun versuchen würden, Vettel zu verpflichten: „Mit Blick auf die Zukunft sind wir in erster Linie gegenüber unseren aktuellen Mercedes-Fahrern zu Loyalität verpflichtet, aber wir können diese Entwicklung natürlich nicht außer Acht lassen.“

Auch die Verträge von Sechsfach-Weltmeister Lewis Hamilton (35) und des Finnen Valtteri Bottas (30) enden nach dieser Saison - und eine Paarung Hamilton/Vettel im seit Jahren besten Auto der Motorsport-Königsklasse könnte der durch Corona auch stark kriselnden Rennserie ungeahnten Schub geben. Dass Vettel eigentlich noch nicht aufhören will, machte er mehrfach schon klar. Ein Wechsel von Hamilton zu Ferrari ist zumindest theoretisch denkbar, für praktisch umsetzbar halten ihn wenige.

Dass Vettels Verhandlungen mit Ferrari scheiterten, hatte seine Gründe. „Das Finanzielle hat keine Rolle gespielt“, betonte Vettel. Bei seinem Wechsel zur Saison 2015 von Red Bull zu Ferrari hatte der gebürtige Heppenheimer einen Dreijahresvertrag unterschrieben. Bei der vorzeitigen Verlängerung im August 2017 konnten sich beide Seiten wieder auf drei Jahre einigen.

Medienberichten zufolge bot Ferrari ihm zunächst nur einen Kontrakt über ein Jahr zu deutlich geringeren Bezügen an, dann über zwei. Was auch immer es wirklich war - in Vettels Sinn war es nicht.

Ihm ist auch nicht entgangen, dass Ferrari ohnehin auf seinen zehn Jahre jüngeren Teamkollegen Charles Leclerc zählt, der via Twitter aus Monaco auf das bevorstehende Ende der zuletzt vergifteten Renngemeinschaft mit Vettel reagierte: „Ich habe nie soviel gelernt wie mit Dir als Teamkollege. Danke für alles, Seb.“

Was in den vergangenen Monaten passiert sei, habe bei vielen dazu geführt, über die Prioritäten nachzudenken. Was genau Vettel damit meinte, führte er nicht aus. Vermeintliche Indiskretionen über die Verhandlungen mit seinem Noch-Arbeitgeber dürften die Entscheidung des dreifachen Familienvaters, der seit der Corona-Krise auf seinem ehemaligen Bauernhof in der Schweiz die Natur, das Familienleben und das Trainieren genießt, gegen eine weitere Zusammenarbeit aber auch beeinflusst haben.

Fraglich ist trotz aller Beteuerungen, wie Vettel und Ferrari die noch geplante neue Saison zusammen überstehen wollen, sollte diese trotz Coronavirus-Pandemie noch gestartet werden können. Zumal die bisherigen fünf Versuche, gemeinsam den Titel zu holen und die Dominanz von Mercedes und Hamilton zu brechen, Jahr für Jahr gescheitert waren und Vettel sich ob einer Reihe von Fehlern auch immer wieder Kritik ausgesetzt sah.

Denn eines konnte sich Vettel bei Ferrari dem Anschein nach nie erarbeiten, wie es Schumacher geschafft hatte, nachdem er als zweimaliger Titelträger zu Ferrari gewechselt war: uneingeschränkten Respekt und bedingungslosen Rückhalt. Und die Wertschätzung schien mit jedem seiner allerdings auch nicht wenigen Fehler zu sinken.

Nach vier Titeln mit Red Bull in seiner Zeit von einschließlich 2009 bis Ende 2014 und 39 Grand-Prix-Siegen gelangen Vettel bei Ferrari bisher nur 14 Triumphe. Als zur Saison 2019 Leclerc für Vettel-Kumpel Kimi Räikkönen getauscht wurde, richtete Ferrari bereits für alle sichtbar die Weichen auf die Zukunft. Im vergangenen Jahr reichte es für Vettel nur zu einem Sieg und Platz fünf im WM-Klassement. Leclerc landete vor ihm, beide gerieten sogar auf der Strecke immer wieder aneinander. „Wir hatten einige angespannte Momente auf der Strecke. Einige sehr gute und andere, die nicht so endeten, wie wir es beide wollten. Aber es gab immer Respekt, auch wenn es von außen nicht so wahrgenommen wurde“, meinte Leclerc.

Sollte Vettel seine Formel-1-Zukunft, die 2007 als Ersatzpilot bei BMW-Sauber begann und ihn über Toro Rosso und Red Bull zu Ferrari führte, nicht mehr fortsetzen und Michael Schumachers Sohn Mick Schumacher (21) nicht doch schon nächstes Jahr von der Formel 2 in die Formel 1 aufsteigen, könnte es dazu kommen, dass 2021 erstmals seit 1990 kein deutscher Stammpilot am Start steht.

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Erstellt:
12. Mai 2020, 01:03 Uhr

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