Mugello: Magischer Ort für Ferrari-Erfolge mit Schumacher

dpa Mugello. Warum lief es damals bei Michael Schumacher und Ferrari so viel besser als jetzt? Es gibt Orte, die eine wichtige Rolle spielen. Wie Mugello. Aber auch handelnde Personen. Von einem Grafen aus Italien über den deutschen Fahrer zu einem französisch-britischen Duo.

Auf dem Autodromo Internazionale del Mugello absolvierte Michael Schumacher einst unzählige Testrunden für die erfolgreichste Zeit von Ferrari. Foto: Marco Bucco/epa ansa/dpa

Auf dem Autodromo Internazionale del Mugello absolvierte Michael Schumacher einst unzählige Testrunden für die erfolgreichste Zeit von Ferrari. Foto: Marco Bucco/epa ansa/dpa

Ein Rennen in Mugello zu Michael Schumachers Hochzeiten im Ferrari - das wär's gewesen. 145.881 Testkilometer spulte er im berühmten roten Rennwagen während seiner Zeit bei der Scuderia ab.

Ganz viele davon auf dem Autodromo Internazionale del Mugello, nördlich von Florenz gelegen. Eine hügelige, malerische Landschaft in der Toskana. Zum Frühstück gab es Müsli und Kräutertee, Overall an, Helm auf. Los ging's. „Mugello ist für mich sinnbildlich für das, was damals geschaffen wurde“, sagt Michael Schumachers Managerin Sabine Kehm.

Geschaffen wurde eine Zeit, von der Ferrari im September 2020 vor dem ersten Grand Prix in Mugello und vor allem dem 1000. in der Historie des Rennstalls aus Maranello an diesem Wochenende nicht mal im Ansatz träumen kann. Frust, Tristesse, Blamagen, Ratlosigkeit herrschen in dem Team, das einer anführt, der zu Schumachers Hochzeiten auch schon dabei war. Mattia Binotto, 50 Jahre alter Italo-Schweizer, er war damals junger Motoringenieur.

Ein netter Typ, höflich, freundlich, ein Lockenkopf mit Harry-Potter-Brille. Aber eben auch seit Januar 2019 der wichtigste Mann, wenn es darum geht, aus Ferrari wieder ein Weltmeister-Team zu machen. Bis vor wenigen Wochen mühte sich Binotto, den Posten als Teamchef und Technik-Direktor zu vereinen. Das Resultat ist erschreckend: Unter ihm stieg die Scuderia in diesem Jahr zum Hinterherfahrer ab, der sich freuen muss, in die Punkte zu kommen.

Für den designierten Zwangsabgänger Sebastian Vettel „ist der Drops gelutscht“. Er wollte ähnliches erreichen wie sein großes Vorbild, wie sein guter Kumpel, dessen Ratschläge Vettel seit Schumachers Ski-Unfall Ende 2013 fehlen. Vettel ist krachend gescheitert.

Doch auch Schumacher hatte nicht nur Erfolgszeiten bei Ferrari. Es war gleich im ersten Jahr nach seinem Wechsel von Benetton-Renault zur Scuderia, es lief nicht wie erhofft und gedacht. „Im Herbst stand alles vor dem Aus“, erzählte Schumacher einmal. Jean Todt (74) stand vor dem Rauswurf als Teamchef. 1993 hatte er den Posten übernommen. „Wenn er gehen muss, gehe ich auch“, sagte Schumacher damals. Beide blieben.

1997 kam Ross Brawn dazu, Schumacher war mit ihm bei Benetton schon zweimal Weltmeister geworden. Ein deutscher Fahrer, ein französischer Teamchef, ein britischer Technik-Direktor - im italienischen Team, das zuletzt 1979 durch Jody Scheckter einen Fahrertitel geholt hatte. Schumacher, Todt, Brawn - drei starke Typen mit spürbarer Präsenz und natürlicher Autorität.

Ein erfolgsbesessener Fahrer, der sein Team forderte und Dinge klar für sich reklamierte, aber auch Kumpel war und schon mal einen improvisierten Eiswagen an eine Teststrecke bestellte. Ein Teamchef, der nicht umsonst den Spitznamen „Napoleon“ trägt und seit langem an der Spitze des Automobil-Weltverbandes steht. Und ein Technik-Experte, der mit seiner ruhigen, besonnenen Art besticht. Der 65-Jährige gehört seit einiger Zeit zu den Direktoren der Formel 1.

„Eines der größten Probleme von Ferrari ist, dass es wie kein anderes Team unter genauester Beobachtung der Medien steht, besonders in Italien“, betonte Brawn jüngst einmal. Der Druck könne unglaublich stark sein, „du darfst ihn nicht an deine Leute rankommen lassen“.

Schumacher, Todt, Brawn - sie waren bereit und in der Lage, ihn abzufangen. Sie wuchsen zu einer Erfolgseinheit zusammen. Testen bis zum Abwinken war damals noch erlaubt, ein viel intensiverer Kontakt aller Teammitglieder war zwangsläufig. Zudem führte Todt den Rennstall nach klaren Regeln. Drohte Unruhe, zitierte er die Beteiligten zu sich. Danach war Ruhe.

Und es gab damals auch noch Luca di Montezemolo, er hatte die WM in Italien als Generaldirektor des Organisationskomitees gemeistert und stieg 1991 zum Verwaltungsratssvorsitzenden von Ferrari auf. Montezomolo versinnbildlichte den italienischen Rennwagenhersteller der Nobelklasse. Er stammt aus einer piemontesischen Adels-Familie, ein Rhetoriker, einer, der Leidenschaft reden kann, bei aller Ferrari-Liebe aber auch über Italien hinausblickte.

Enzo Ferrari habe ihm immer gesagt, „wenn es – ich übertreibe jetzt – den besten Piloten in Guatemala gibt, hole den. Das gleiche gilt auch für die Techniker. Wir müssen die besten Leute verpflichten, um die Performance zu verbessern. Und diese Techniker müssen den jungen Nachwuchskräften unter ihnen helfen, dass sie wachsen können“, erzählte Montezomolo dem Privatsender RTL kürzlich.

Ende 2006 hörte nicht nur Schumacher bei Ferrari nach den fünf Titeln nacheinander von 2000 bis 2004 auf, auch Brawn ging. Todt blieb, wurde auch noch zum Geschäftsführer befördert. 2007 holte höchst glücklich Kimi Räikkönen noch mal einen Fahrertitel. 2008 übernahm Stefano Domenicali den Posten als Teamchef und blieb bis 2014, nach einem schwachen Saisonstart wurde Marco Mattiacci installiert. Ein Kurzzeit-Engagement, es folgte ab 2015 Maurizio Arrivabene, ein ehemaliger Tabak-Manager, ehe Binotto sich versuchen durfte.

Noch vor dieser Saison entschied sich Ferrari unter Binottos Leitung gegen eine weitere Zusammenarbeit mit Vierfach-Weltmeister Vettel - der Anfang eines unwürdigen Endes in mehreren Rennakten. Die Kommunikation über die Trennung und ihre Gründe wurde zu einem weiteren Schadensfall.

„Sebastian muss sich – wie Michael Schumacher – zuhause fühlen, er braucht – wie Michael – ein Umfeld, das ihn unterstützt, das ihn verteidigt und ihn vor allem schützt“, meinte Montezemolo. Das sei auch bei Schumacher und Todt der Fall gewesen. „Es ist einfach zusammenzubleiben, wenn es gut läuft“, meinte Todt einmal angesprochen auf die Zeiten damals und heute. „Einen guten Seemann erkennst du auf rauer See. Als die See bei uns rau waren, waren wir alle in einem Boot.“

© dpa-infocom, dpa:200907-99-467681/5

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Erstellt:
8. September 2020, 04:50 Uhr

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