Nichts muss, alles kann

Wie das Team von Bundestrainer Werner Schuster versucht, bei der Tournee zu überraschen

DSV -

Oberstdorf Vielleicht ist an Karl Geiger ein Formel-1-Pilot verloren gegangen. In elf Minuten und 27 Sekunden, sagt er, sei er von Oberstdorf hoch nach Tiefenbach ins Quartier der deutschen Mannschaft gebrettert. Hoffentlich stand in der Zone 30 im letzten Teilstück kein Blitzer. Und wenn doch, zahlt Geiger das Knöllchen vermutlich mit einem Lächeln. Oder aus der Mannschaftskasse.

Grund dazu hätten sie beim DSV, für den Geiger Karl aus Oberstdorf solch eine Zeche zu übernehmen. Sein erster Weltcupsieg zuletzt in Engelberg katapultierte den Heimschläfer der deutschen Mannschaft unter die Topleute bei der Vierschanzentournee, die an diesem Samstag in Geigers Heimat mit der Qualifikation für das Springen am Sonntag beginnt. Oberstdorf ist Geiger-Time – besser hätte er seinen ersten Weltcup-Erfolg nicht platzieren können. Geht auch in der Marktgemeinde was für den Mann, der die Schanze kennt wie kein Zweiter?

Wie es Geigers Art ist, bleibt er ruhig und besonnen. Zu hohe Erwartungen stellt er nicht an sich selbst. Nach seinem Erfolg ist er erst mal in die Normalität geflüchtet: Familie, Weihnachten, feine Küche bei Muttern. „Zu Hause reden wir nicht über Skispringen“, sagt Geiger, um den es seit Engelberg einen Rummel gibt, den er so noch nicht kannte. Der Sieg gebe ihm Selbstvertrauen, meint er, „aber ich bin nicht so arrogant zu sagen, dass ich das jetzt durchrocke“.

Mit „durchrocken“ meint er, von Sieg zu Sieg zu eilen. Das werden vermutlich auch die anderen Deutschen nicht bei dieser Tournee, wenn man bedenkt, dass Richard Freitag nach seinem Sturz in Engelberg keinen Trainingssprung mehr absolvierte, Severin Freund nach üblen Verletzungen erst noch seine Form finden muss und Andreas Wellingers Konstanz noch zu wünschen übrig lässt. „Nichts muss, alles kann“, sagt Freitag – und was er damit meint, ist klar: So eine Vierschanzentournee ist immer auch eine Wundertüte. Mal springt man um den Gesamtsieg mit, wie Freitag bei der vergangenen Tournee – und mal geht gar nichts.

Sich überraschen lassen, das will auch Bundestrainer Werner Schuster. „Wir sind mental erholt und geistig frisch“, sagt der Österreicher, das seien die Voraussetzungen, die man schaffen kann. Der Rest regelt sich von allein – oder eben auch nicht. „Es ist klar, wer die Favoriten sind, aber in den nächsten Tagen passiert was“, ist sich der Coach sicher. Vielleicht überrascht bei der 67. Tournee ja einer seiner Jungs.

Noch offen ist, wie es mit ihm weitergeht. Seit elf Jahren ist Schuster Bundestrainer, am Saisonende läuft sein Vertrag aus. Sven Hannawald bringt schon Martin Schmitt als Nachfolger in Stellung, sollte Schuster nicht weitermachen. Es gebe viel zu berücksichtigen, sagt der Coach. „Auf der einen Seite hat meine Familie viel verzichtet in den letzten Jahren, auf der anderen Seite macht es eine Riesenfreude, dieses Team weiterzuentwickeln.“ Wenn ein DSV-Adler die Tournee gewinnt, ist beides möglich: ein neuer Vertrag – oder der große Absprung am Höhepunkt.

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Erstellt:
29. Dezember 2018, 03:14 Uhr

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