Präziser Schuss ist ein komplexer Prozess

Bogenschütze Robin Uhrich aus Backnang zählt zu Deutschlands Toptalenten und kann auf Tipps einer Olympionikin bauen

„Das Ziel ist, den perfekten Schuss immer wieder aufs Neue zu wiederholen.“ Bogenschütze Robin Uhrich weiß, dass das arg ambitioniert ist. „Es ist schon sehr anspruchsvoll, einen sehr guten Schuss immer wieder zu wiederholen.“ Das Maximum anzustreben, hat den 19-Jährigen aber schon weit gebracht, zuletzt räumte der Backnanger mit dem deutschen Recurve-Juniorenteam die Bronzemedaille bei der EM in Patras ab.

Halten mit rechts, aufziehen und anvisieren mit der linken Hand und dem linken Auge: Robin Uhrich ist ein Könner mit Pfeil und Bogen. Fotos: A. Becher

© Sportfotografie Alexander Becher

Halten mit rechts, aufziehen und anvisieren mit der linken Hand und dem linken Auge: Robin Uhrich ist ein Könner mit Pfeil und Bogen. Fotos: A. Becher

Von Steffen Grün

Es muss doch eine simple Sache sein, mit Pfeil und Bogen zu hantieren, schließlich hat es Ötzi bereits vor etwa 5300 Jahren getan. Wer so denkt, unterliegt einem kolossalen Irrtum, wie ein Trainingsbesuch bei Robin Uhrich auf dem Bogenplatz der Schützengilde Welzheim zeigt. Es sei vielmehr „ein sehr komplexer Prozess“, einen präzisen Schuss abzufeuern, der im gelben Zentrum der bunten und bei den Junioren schon 70 Meter entfernten Scheibe landet.

Das beginnt beim Stand und der Suche nach einer optimalen Körperspannung, die der Frage folgt, „welche Muskeln man wie benutzt oder nicht benutzt“. Den 3,2 Kilogramm schweren Bogen hochzuheben und stabil zu halten, um in Ruhe zielen zu können, bedeutet einen hohen Kraftaufwand, zumal Uhrich es nicht einmal tut, sondern pro Training 180- bis 200-mal. Dass er den Bogen mit der rechten Hand hält und mit der linken aufzieht, hat vor allem damit zu tun, „dass es ein dominantes Auge gibt“. In seinem Fall wurde früh erkannt, dass es das linke Sehorgan ist, mit dem er das Ziel anvisiert, daraus ergab sich alles Weitere. Für ihn als Linkshänder ist es aber sowieso sinnvoll, denn es kommt auch aufs Zuggewicht an. 43 englische Pfund stehen für den Abiturienten zu Buche: „Meine Startgeschwindigkeit liegt bei 226 Stundenkilometern, das wurde kürzlich gemessen.“ Im Schnitt rast ein von ihm auf die 70 Meter lange Reise geschickter Pfeil mit etwa 200 Stundenkilometern durch die Luft. „Er verliert durch den Luftwiderstand, die Rotation und die Schwingung an Tempo.“

Beständig an Fahrt gewonnen hat dagegen die Laufbahn von Robin Uhrich. Mit sechs Jahren hatte sich der Bub bereits im Handball und bei der DLRG versucht, „als mein Vater vorschlug, mal Bogenschießen auszuprobieren“. Die Wahl fiel auf die SG Berglen-Ödernhardt. „Ich fing just for fun an und habe erst einmal keine Ziele verfolgt.“ 2008 wechselte Uhrich nach Welzheim, weil ihm die Anlage bei einem Wettkampf gefallen hatte. „Es war der richtige Schritt“, sagt er aus tiefster Überzeugung.

Zumal sich der Junge damals schon mit dem Leistungsgedanken identifizierte und die SGi Welzheim einen guten Ruf genießt. Uhrich qualifizierte sich für Titelkämpfe auf Landes- und Bundesebene und holte bald die ersten Medaillen. 2013 sprang bei der deutschen Meisterschaft in Olching im Team der Schüler A Bronze heraus. „Das war das Sprungbrett in den Landeskader.“ Den heiklen Wechsel zu den Jugendlichen, der eine Vergrößerung der Scheibenentfernung von 40 auf 60 Meter mit sich bringt, meisterte Uhrich reibungslos. Er eroberte DM-Silber 2016 im Einzel, wurde für die deutsche Rangliste zugelassen und stellte den württembergischen Jugendrekord auf, der noch aktuell ist. Von 720 Ringen, die beim Wettkampf mit 72 Pfeilen drin sind, erzielte er 672. Seit dem Übergang zu den Junioren, mit dem sich das Ziel um weitere zehn Meter entfernte, bedeuten 656 Ringe seinen Topwert. Im vergangenen Jahr verpasste Uhrich die WM-Qualifikation, bei der Europameisterschaft im griechischen Patras vor fünfeinhalb Wochen war er dagegen dabei. Mit seinen Teamkollegen Adrian Scheiding und Nils Schwertmann sicherte sich der Backnanger im Stechen gegen Russland die Bronzemedaille. „Das war mein bislang größter Erfolg mit dem Team“, freut er sich, dazu gab es immerhin den 17. Platz im Einzelwettbewerb.

„Der Traum eines jeden Sportlers

ist eine olympische Medaille“

Auf den Erfolgen ruht sich Uhrich nicht aus, wie der württembergische Meistertitel zwei Wochen später zeigte. In elf Tagen endet die Freiluftsaison mit der DM, für die nächste Runde lautet sein Anspruch: „Ich will in den Nationalkader.“ Von Fernzielen hält er eher wenig. „Es geht darum, Spaß zu haben und sich nicht zu arg unter Druck zu setzen, dann kommt die Leistung von alleine“. Trotzdem räumt er ein, irgendwann bei Weltcups mitschießen zu wollen, und „der Traum eines jeden Sportlers ist eine olympische Medaille“.

Der Weg dorthin ist aber steinig, zumal es darum geht, den Sport mit dem Studium zu vereinbaren und ihn zu finanzieren. Sportlich kann ihm seine Trainerin Sandra Sachse ungemein helfen: „Sie bringt einen unheimlichen Erfahrungsschatz mit und unterstützt mich, wo es nur geht.“ Sei es in Materialfragen, bei der Konzentrations- oder Koordinationsfähigkeit oder in Sachen Psychologie, denn „es ist ein anderes Gefühl, in Patras bei der EM im kleinen Finale zu schießen als hier beim Training“. Wer wüsste das besser als Sandra Sachse, die bei den Olympischen Spielen in Atlanta und Sydney 1996 und 2000 Silber und Bronze mit dem deutschen Team holte und auch stets bestrebt war, den perfekten Schuss ständig zu wiederholen.

Bogenarten, Punktvergabe, Ausrüstung Hintergrund Im Zusammenhang mit dem Recurvebogen, an dem Zielhilfen und Stabilisatoren angebaut sind, ist im sportlichen Bogenschießen oft auch vom olympischen Bogen die Rede. Davon abzugrenzen sind unter anderem der Blankbogen ohne Visiere und Stabilisatoren und der Compoundbogen, bei dem es sich um die modernste Bogenvariante handelt, die eine größere Treffsicherheit bietet. Bogenschießen ist seit 1972 in München wieder eine olympische Sportart, davor war es das bereits 1900, 1904, 1908 und 1920. 1904 war es die einzige Sportart, bei der auch Frauen teilnahmeberechtigt waren. Bei Titelkämpfen der World Archery Federation (WA – bis 2011: Fédération Internationale de Tir à l’Arc, kurz: Fita) im Erwachsenenbereich und bei Olympischen Spielen feuern die Starter zunächst 72 Pfeile (zweimal 36) aus 70 Metern Entfernung ab, dann geht es im K.-o.-System weiter. Das Maximum sind zehn Punkte (Ringe) pro Schuss, die es für einen Treffer ins gelbe Zentrum gibt. Nach außen ändern sich die Farben (von gelb über rot, blau und schwarz zu weiß), die Punktzahl wird immer kleiner. Zur Ausrüstung eines Bogenschützen zählen neben Pfeil und Bogen unter anderem eine Fingerschlinge, der Köcher für die Pfeile, ein Arm-, Finger- und Brustschutz. Oft wird ein Bogenständer für die Ablage benutzt.
Zehn Ringe gibt’s für einen Treffer ins Zentrum, nach außen werden es immer weniger Punkte.

© Sportfotografie Alexander Becher

Zehn Ringe gibt’s für einen Treffer ins Zentrum, nach außen werden es immer weniger Punkte.

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Erstellt:
8. August 2018, 06:00 Uhr

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