Bauhaus in the City

Die Kunst- und Architekturschule feiert 100. Geburtstag – auch Stuttgart mischt beim Jubiläumsprogramm kräftig mit

Jubiläum - Stuttgart hatte zwar kein Bauhaus, war vor 100 Jahren aber trotzdem ein Labor der Moderne. Was lässt sich die Stadt zum runden Geburtstag der berühmten Avantgarde-Schmiede einfallen? Ein Überblick.

Stuttgart Das Bauhaus feiert sein 100-Jahr-Jubiläum, ein ganzes Jahr lang, in der ganzen Republik, mit Hunderten von Veranstaltungen. Und was macht Stuttgart? Eine Bauhaus-Stätte ist Stuttgart nie gewesen, streng genommen, und dennoch hat der Wind der Moderne auch hier Kunst und Bau kräftig durchgepustet. Es gibt viele Namen, die sowohl mit dem Bauhaus als auch mit Stuttgart eng verknüpft sind, dazu zählen der Akademieprofessor und Kunstpionier Adolf Hölzel sowie dessen Schüler Johannes Itten und Oskar Schlemmer, die selbst später am Bauhaus wirkten; dazu zählt freilich auch Willi Baumeister. Und natürlich ist die Stuttgarter Weißenhof-Siedlung bis heute, zusammen mit dem Bauhaus Dessau, das bekannteste Bauensemble der Moderne weltweit. Grund genug für die Stuttgarter Kunst- und Architekturinstitutionen, sich etwas zum Jubiläum einfallen zu lassen. Hier ein Überblick.

Nachdem der Württembergische Kunstverein schon im vergangenen Jahr mit der Ausstellung „50 Jahre nach 50 Jahre Bauhaus 1968“, anknüpfend an die eigene Geschichte, Rückschau hielt, hat in diesem Jahr die Architekturgalerie am Weißenhof den ersten Bauhaus-Beitrag geliefert: eine Schau über die Casa sperimentale, eine experimentelle Wohnvision aus Beton, die ein italienisches Architektenpaar Ende der Sechziger in einen Küstenort bei Rom setzte.

Mit drei weiteren Ausstellungen trägt die Weißenhofgalerie ihr Bauhaus-Gedenken weiter durchs Jahr, und dabei geht es vor allem darum, nicht den vom Bauhaus hervorgebrachten Formen zu huldigen, sondern nach dem Dahinter zu fragen, nach „Haltung, Absicht, Rahmenbedingungen“ etwa. Drei junge Künstler erhalten die Gelegenheit, sich mit Bauhaus-Begriffen auseinanderzusetzen und ins Heute zu überführen. Ludwig Michael beschäftigt sich in „Armada Werke“ mit dem Prinzip des Nomadischen (15. März bis 5. Mai); Heike Klussmann betreibt in „in between“ Materialforschung, dabei dem Bauhaus-Anspruch verpflichtet, „Gestaltung von Grund auf neu zu denken“ (23. Mai bis 7. Juli). Und Jule Waibel, die in der Stadt und weit darüber hinaus mit ihren Faltwerken aufgefallen und im Übrigen die Schwester des Hip-Hoppers Cro ist, führt in ihrem „Gesamt(Falt)Kunstwerk“ bauhausgerecht Kunst und Handwerk zusammen und will einen Raum schaffen, „der sich entfaltet“ (18. Juli bis 6. Oktober).

Das Weißenhofmuseum Le-Corbusier-Haus dürfte in Stuttgart das Must-See der Bauhaus-Pilger schlechthin sein, auch wenn der große „Le Corbu“ nicht am Bauhaus war. Deshalb ist es angebracht, in der ersten von zwei Sonderausstellungen mal genau zu rekonstruieren: Wie viel Bauhaus steckt denn in der Weißenhofsiedlung? Welche Berührungspunkte hatten die 17 Architekten mit Dessau? Gibt es den einen „Bauhaus-Stil“ überhaupt? All diese Fragen soll vom 18. Mai bis 21. Juli die Ausstellung „Nicht alles ist Bauhaus. Die Weißenhofsiedlung im Kontext ihrer Zeit“ beantworten. Rund um diese Ausstellung wird es Sonderführungen und ein Veranstaltungsprogramm geben.

Die zweite Ausstellung behandelt Stuttgarts bekanntesten Architekten des Neuen Bauens, Richard Döcker. Auch er war nie selbst am Bauhaus tätig, gehörte aber zum engeren Zirkel. Noch dazu fällt Döckers 125. Geburtstag ins Bauhaus-Jahr. Ihn und sein Werk zu betrachten liegt somit auf der Hand, wobei die geplante Schau noch keinen finalen Titel hat. Aber das Datum steht fest: vom 12. Oktober bis 22. Dezember.

Ans „Labor der Moderne“, das Stuttgart einst war, knüpft die Staatsgalerie an. Sie geht die Sache deshalb experimentell und investigativ an. Die beauftragten Künstler Dani Gal, Michaela Melián, Martin Schmidl und Boris Sieverts untersuchen den Bauhaus-Kosmos „in und von Stuttgart aus“ und nehmen, was vielversprechend klingt, in ihren Beiträgen das Publikum mit auf Tour. Die Arbeiten, so die Kuratorin Alice Koegel, entstünden, dem Projektcharakter des Bauhauses entsprechend, „im Prozess des Ausstellungsvorhabens“. Die Schau „Weissenhof City. Von Geschichte und Gegenwart der Zukunft einer Stadt“ von 7. Juni bis 20. Oktober wird daher nicht nur in der Staatsgalerie, sondern auch an Stationen im Stadtraum präsentiert; es soll Exkursionen, Spaziergänge und Workshops geben.

Im Kunstmuseum ist keine Sonderausstellung geplant, schließlich steckt in der Sammlung des Hauses schon viel Bauhaus drin. So kann der Besucher gezielt die Arbeiten von Schlemmer, Itten, Baumeister und vor allem Hölzel ansteuern: Das Kunstmuseum hat so viele Hölzel-Werke wie keine andere öffentliche Sammlung.

Wie die Verbandelungen speziell von Baumeister und Bauhaus geartet sind, dröseln die sogenannten Backstage-Führungen durch das Archiv Baumeister auf, über welches das Kunstmuseum verfügt: Baumeister, der angewandte Kunstbereiche wie Typografie und Bühnenbild als gleichbedeutend mit der freien Malerei, der Zeichnung und der Druckgrafik sah, avancierte mit seiner funktionalen Typografie zu einem Hauptvertreter der Neuen Sachlichkeit.

Für die Weißenhofsiedlung entwarf er Briefbögen, Inserate, Prospekte – Entwürfe, die einen Höhepunkt in der Entwicklung zweck­gebundener Grafik darstellen. Was alles ­Bauhaus an Baumeister ist, wird bei dieser Führung, die einmal pro Quartal angeboten wird, anhand von Beispielen aus dem ­Nachlass veranschaulicht. Termine: 1. März, 5. April, 5. Juli und 8. November, Beginn jeweils um 18 Uhr.

„Die ganze Welt ein Bauhaus“ – das ist der Titel einer internationalen Wanderausstellung des Instituts für Auslandsbeziehungen . Er ist ein Zitat des Bauhaus-Schülers und -lehrers Fritz Kuhr und spielt auf die Auflösung der Grenzen zwischen Kunst, Handwerk und Technik an, wie sie der Bauhaus-Gründer Walter Gropius proklamierte. So beleuchtet der erste Teil der zweigliedrigen Schau zentrale Aspekte des Bauhauses; der zweite Teil weitet den Blick und rekonstruiert die globale Vernetzung der Moderne in den 1920er Jahren: Bauhaus war damals quasi überall, die Ideen der Moderne florierten von Casablanca bis Kalkutta. Zu sehen ist die Schau nicht in der Ifa-Galerie in Stuttgart, sondern von 26. Oktober bis 16. Februar 2020 im ZKM in Karlsruhe.

Spartenübergreifend und damit sehr bauhäuslerisch beteiligt sich das Ballett am Jubiläumsreigen. Der Abend „Aufbruch!“, der am 28. März im Schauspielhaus Premiere feiert, ist eine Koproduktion mit dem Nationaltheater Weimar; im Auftrag von Tamas Detrich lassen sich zwei Choreografinnen und ein Choreograf von der ungeheuren Aufbruchstimmung im Jahr 1919 inspirieren. Neben der Niederländerin Nanine Linning und dem Rumänen Edward Clug steuert die aus Polen stammende, in Stuttgart als Choreografin entdeckte Katarzyna Kozielska eine Arbeit bei, mit der sie ihre Handschrift, so steht zu hoffen, weiter verfeinert.

Anja Krämer und Inge Bäuerle zeigen in ihrem reich bebilderten Band „Stuttgart und das Bauhaus“ (Belser-Verlag, Stuttgart, 25 Euro), wie intensiv die Verknüpfungen der Avantgarde-Schmiede mit Stuttgart waren und wo und wie der revolutionäre Geist in Stadt und Region wirkte.

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Erstellt:
28. Februar 2019, 05:06 Uhr

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