Architektur in Stuttgart
Berliner Top-Büro holt Deutschen Architekturpreis. Wie schneidet Stuttgart ab?
Ein innovatives Wohnprojekt landet auf dem ersten Platz des mit 30.000 Euro dotierten Deutschen Architekturpreises 2025. Welches Stuttgarter Büro unter den Gewinnern ist.

© Sarah Haehnle
Vorbildliche Quartiersentwicklung mit innovativen Wohnideen von Sauerbruch Hutton – können Stuttgarter Stadtplaner davon lernen?
Von Nicole Golombek
Bezahlbare Mieten und Immobilien, innovative Wohnformen mit Mehrgenerationenwohnen und gemeinschaftlich nutzbaren Räumen, dazu möglichst klimafreundlich gebaut oder umgebaut – das sind die großen Themen in der Architektur und Politik; dazu zählen auch die bisher regelmäßig verfehlten Zielen der Regierung, jährlich hunderttausende Wohnungen fertigzustellen.
So ist es nicht allzu verwunderlich, dass der vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) und der Bundesarchitektenkammer (BAK) ausgelobte Deutsche Architekturpreis 2025 an ein vorbildliches Wohnprojekt geht.
Stuttgarter Architekten in der Jury
Das international renommierte Architekturbüro Sauerbruch Hutton aus Berlin, das unter anderem das Münchner Museum Brandhorst mit einer Fassade aus über 20.000 Keramikstäben entworfen hat, erhält die mit 30.000 Euro dotierte Auszeichnung. Das Büro realisierte zusammen mit der Innovatio Projektentwicklung aus Heidelberg und Profund aus Gera das „Franklin Village“ in Mannheim. Die Architekten dürfen sich auch auf den DAM-Preis 2026 Hoffnungen machen.
„Nach Plänen von Sauerbruch Hutton ist in einem ehemaligen Militärareal ein lebendiges Mehrgenerationenquartier entstanden“, urteilte die Jury. „ Mit dem Projekt ist es Sauerbruch Hutton gelungen, ein herausragendes architektonisches wie soziales Leuchtturmprojekt im urbanen Raum zu realisieren. Die Wohnbebauung ist das Herzstück eines neuen Quartiers, das beispielhaft für gelungene Nachverdichtung, durchmischtes Wohnen und exzellente Gestaltung steht.“
Fünf Neubauten und ein erweitertes Bestandsgebäude fügen sich zu einem Ensemble, das unterschiedlichste Lebensformen integriert: vom Single-Apartment über klassische Familienwohnungen bis zu Clusterwohnungen mit gemeinschaftlicher Nutzung.
Büros aus Stuttgart haben den Shortlist-Preis erhalten
Stuttgarter Architekturbüros und Projekte im Land Baden-Württemberg haben einige der zehn zweiten Preise erhalten, versammelt auf der „Shortlist“, sie sind mit je 3000 Euro dotiert. Die Jury – darunter die Stuttgarter Architekten Martin Haas und Stephan Birk – hat das junge Stuttgarter Büro Atelier Kaiser Shen ausgewählt, das mit einer vor allem in Holzbauweise umgestalteten Mehrzweckhalle auf dem Land in Ingerkingen beeindruckt.
„Neben dem ökologisch sinnvollen Ansatz, die im Bestand gebundene graue Energie weiterzuverwenden, ist so nicht nur ein Erinnerungs-, sondern auch ein ästhetischer Mehrwert entstanden“, so die Jury zu dem Projekt. „Der hier beschrittene Weg der Bestandsnachnutzung kann als Vorbild für die Sanierung vieler weiterer Hallen in Deutschland dienen.“
Aufstockungen auf Wohngebäuden
In Baden-Württemberg realisiert wurden zudem ein Aufstockungswohnprojekt in Karlsruhe namens „NORDGRÜN“ von Drescher Michalski Architekten aus Karlsruhe. Zudem steht in Heilbronn am Neckaruferpark die schon mehrfach ausgezeichnete „Innovationsfabrik 2.0“ von Waechter + Waechter Architekten aus Darmstadt. „Die Innovationsfabrik 2.0 Heilbronn ist ein beeindruckendes Beispiel moderner Architektur und nachhaltigen Bauens“, lobt die Jury. „Das Gebäude steht im Zukunftspark Wohlgelegen, einem Quartier, das sich durch urbane Entwicklung und den Bezug zur Natur auszeichnet.“
Von den ausgezeichneten Bauwerken sollen zum einen Anregungen für zukünftige Planungen ausgehen, zum anderen die Bedeutung der Baukultur und des nachhaltigen Bauens der Öffentlichkeit nahegebracht werden.
Alle Projekte von den Siegern bis zu den zehn Shortlist-Gewinnern finden sich in der Bildergalerie.
Preis
KriterienLaut Auslober hatte die Jury diese Aspekte zu beachten: „Projekte im Neubau oder bei der Sanierung und Modernisierung historischer Bausubstanz sollen von einem vorbildlichen Umgang mit Konstruktion und Material zeugen, dem nachhaltigen Bauen in ökologischer, ökonomischer und soziokultureller Hinsicht verpflichtet sein und positiv zur Gestaltung des öffentlichen Raumes beitragen.“

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Siegerprojekt in Mannheim von Sauerbruch Hutton: „Fünf Neubauten und ein sensibel erweitertes Bestandsgebäude fügen sich zu einem Ensemble, das unterschiedlichste Lebensformen integriert“, das überzeugte die Jury.

© Brigida González
Dies sind die zehn Shortlist-Preisträger: Das Büro Atelier Kaiser Shen aus Stuttgart baute eine Mehrzweckhalle in Ingerkingen in eine zeitgemäße . . .

© Atelier Kaiser Shen/Brigida González
Turn- und Festhalle um, viel Holz – darunter ein Holztragwerk – kam beim Umbau zum Einsatz. „Mit der Mehrzweckhalle in Ingerkingen gelingt es dem Atelier Kaiser Shen, dem Konzept des Weiterbauens ein überzeugendes Gesicht zu geben Die Überformung des Bestands wird mit spielerischer Leichtigkeit in eine neue Ästhetik überführt“, lobte die Jury.

© Brigida González
„Neben dem ökologisch sinnvollen Ansatz, die im Bestand gebundene graue Energie weiterzuverwenden, ist so nicht nur ein Erinnerungs-, sondern auch ein ästhetischer Mehrwert entstanden“, so die Jury zu dem Projekt in Ingerkingen. „Der hier beschrittene Weg der Bestandsnachnutzung kann als Vorbild für die Sanierung vieler weiterer Hallen in Deutschland dienen.“

© Brigida Gonzalez
Nachhaltiger Holzbau auch am Neckar: „Innovationsfabrik 2.0“ in Heilbronn von Waechter+Waechter Architekten (Darmstadt) in einem Quartier, das sich durch urbane Entwicklung und den Bezug zur Natur auszeichnet.

© Brigida González
„Mit seiner markanten Holz-Hybridbauweise und der Fachwerkkonstruktion, die offene und flexible Grundrisse ermöglicht, schafft die Innovationsfabrik Raum für kreatives Arbeiten“, lobte die Jury das Projekt in Heilbronn.

© Kim Fohmann
Vorbildliche Nachverdichtung in der Stadt Karlsruhe Am Rand des Naturschutzgebiets Alter Flugplatz. Dort realisierten Drescher Michalski Architekten mit NordGrün „ein bemerkenswertes Beispiel ressourcenschonender Nachverdichtung“, so die Jury. Auf zwei ehemaligen Telekomgebäuden entstanden durch Aufstockung insgesamt 26 neue Wohneinheiten ohne zusätzliche Bodenversiegelung. Und . . .

© BAK
Die Jury unter der Leitung der Vorsitzenden des Deutschen Architekturpreises, Andrea Gebhard, hat natürlich auch Projekte aus anderen Bundesländern auf die Shortlist gewählt. Dort finden sich ebenfalls vorbildliche Wohnprojekte.

© Marianna Hoppmann/Ruben Beilby/Thomas Schrammek
Das „Wintergartenhaus“ in Berlin von Supertype Group Berlin. „Die leichte, offene Struktur des Anbaus überzeugt durch eine einfache Konstruktion, fließende Raumabfolgen und die gezielte Überlagerung von Architektur und Vegetation“, lobte die Jury.

© Federico Farinatti
Noch ein Wohnprojekt: „Das robuste Haus“ in München von etal ArchitektInnen (München). Mehrgenerationenwohnen ist hier ermöglicht: „Mit Unterstützung des Mietshäuser Syndikats und der Stadt München ist hier ein Ort entstanden, nach dem sich viele Menschen sehnen: ein solidarisches, lebendiges Zuhause mit Modellcharakter für die Stadt von morgen“, lobte die Jury.

© Sebastian Schels
Ebenfalls in München vom Vertreter des Einfach Bauens: Florian Naglers „Gartenhaus“ in München. „Mit großer Selbstverständlichkeit fügt sich das Gartenhaus in die kleinteilige, gewachsene Struktur des rückwärtigen Grundstücks in München-Pasing ein“, so die Jury. Das Projekt stehe exemplarisch für die Haltung des „Einfach Bauens“. Decken und Wände sind in Holz ausgeführt; ergänzt wird die Konstruktion durch Lehm, der als Steinlage zwischen den Balken und als Putz an den Innenwänden Verwendung findet.

© Gustav Willeit
Auch in Bayern, aber auf dem Land in Viechtach: Höllensteinhaus vom Büro Bergmeisterwoltf (Brixen). „Der Umbau eines über Jahre leerstehenden Ausflugsrestaurants zeichnet sich durch eine gelungene Überformung und Neuinterpretation des Bestands aus“, so die Jury.

© @luxxart_pictures
Umbau: „Integratives Familienzentrum“ in Dresden von Alexander Poetzsch Architekturen aus Dresden. Das Projekt befindet sich in einem von großformatigen Plattenbauten geprägten Bezirk und . . . und stellt die Umnutzung einer ehemaligen Industrieanlage da.

© @luxxart_pictures
. . . stellt die Umnutzung einer ehemaligen Industrieanlage dar. Dsa Hauptgebäude Platz für Büros, Seminarräume, einen Therapieraum mit Panoramafenster sowie zahlreiche Wohn- und Gemeinschaftsbereiche für Jugendliche aus schwierigen Familienverhältnissen. „Besonders das gemeinschaftliche Wohnzimmer mit integrierter Küche besticht als atmosphärischer, wohlproportionierter Raum mit Zugang zu einer großzügigen Terrasse mit Blick auf den Hof“, urteilte die Jury.

© Caspar Sessler
Freilichtmuseum Hagen, entworfen von Schnoklake Betz Dömer Architekten (Münster). Das neue Eingangsgebäude überzeuge „durch eine gelungene Verbindung von Funktionalität, Ästhetik und Nachhaltigkeit“, so die Jury. „Die Verwendung von CO2-sparendem Holzbau, trennbaren Bauteilen und regenerativer Energie wie Tiefengeothermie und einer PV-Anlage unterstreicht den bewussten Umgang mit Ressourcen.“

© Tjark Spille
Das Stiftungsensemble Spore in Berlin von AFF Architekten (Berlin). Die Spore Initiative und das Haus für gemeinnützigen Journalismus bilden ein Ensemble für Kultur, Bildung und sozialen Austausch. Die Ziegel- und farbigen Sichtbetonfassaden nehmen Bezug auf die Friedhofsarchitektur und betonen den öffentlichen Charakter des neuen Ensembles gegenüber der hell verputzten Straßenrandbebauung. Das Projekt . . .

© Hans-Christian Schink
. . . hat auch schon den DAM-Preis 2025 erhalten. „Trotz des hohen Betonanteils setzt das Projekt wichtige Impulse für ressourcenschonendes Weiterbauen: durch die effiziente und flexible Grundrissorganisation, den Einsatz recycelter Materialien, reduzierte Querschnitte, Wiederverwendung von Bauelementen und begrünte Dachflächen. Ein nuancierter Beitrag zur nachhaltigen Stadtentwicklung – offen, robust und inklusiv.Ein neuer Ort für Öffentlichkeit in der Stadt“, befand die Jury.