Faszinierende Kunstlandschaften des Heimat- und Kunstvereins im Backnanger Helferhaus

Gerhard „Gez“ Zirkelbach, Andreas Heinrich Adler und Helmut Anton Zirkelbach stellen von 5. Februar bis 5. März in der Galerie des Heimat- und Kunstvereins im Backnanger Helferhaus aus. Vernissage ist am Sonntagvormittag.

Gerhard „Gez“ Zirkelbach kreiert oftmals aus Fundstücken Collagen.

© Alexander Becher

Gerhard „Gez“ Zirkelbach kreiert oftmals aus Fundstücken Collagen.

Von Ingrid Knack

Backnang. „Tri vol. 2 Zirkelbach, Adler, Zirkelbach–Malen, Ätzen, Brennen–28 Jahre später im Helferhaus“ nennen Gerhard „Gez“ Zirkelbach, Andreas Heinrich Adler und Helmut Anton Zirkelbach ihre Werkschau in Backnang. Als Schorndorfer Künstlervereinigung „Tri“ hatten sie fast punktgenau vor 28 Jahren, im Februar 1995, nebenan im Turmschulhaus ausgestellt. Der damalige Kulturamtsleiter Klaus Erlekamm und die Backnanger Künstlergruppe hatten dieses zu jener Zeit erst relativ neu als Ausstellungsstätte entdeckt, etwas später, vor 25 Jahren, wurde es zur Galerie der Stadt Backnang.

Wenn auch Helmut Anton Zirkelbach mittlerweile in Engstingen auf der Schwäbischen Alb lebt und nicht mehr zur Ateliergemeinschaft gehört, ist da bei der Backnanger Ausstellung nach wie vor Gemeinschaftsgeist zu spüren. Dieser drückt sich zunächst darin aus, dass in fast jedem Raum Bilder von jedem der drei Künstler hängen. Wenn Adler sagt, „wir haben die Räume nicht einzeln bespielt, sondern wir wollten eine gute Mischung erzielen, die Bilder sollten sich nicht gegenseitig erschlagen, sondern ergänzen“, auch dann wird das ungewöhnliche Konzept des Trios, das in der Vergangenheit auch mit Gemeinschaftsarbeiten und Performances auf sich aufmerksam gemacht hat, mehr und mehr schlüssig.

Die Säure auf den Bildern eröffnete neue Möglichkeiten

Ein Beispiel dafür, wie eng die eine Arbeit mit der anderen zusammenhängt, ist Adlers Experimentieren mit Säure. Adler spricht in diesem Zusammenhang von „verrückten Zufällen mit ,Helm’, als wir noch im steinalten Atelier in Schorndorf waren, ohne Heizung, ohne alles. Da hat er schon angefangen, Radierungen zu machen. Er musste mit seinen Kupferplatten, die er in ein Säurebad gelegt hatte, ans Waschbecken zum Reinigen.“ Das Waschbecken befand sich aber in Adlers Raum. „Da hat er meine Bilder, die auf dem Boden lagen, mit Säure vertropft, was mich am Anfang nicht sehr amüsiert hat. Nach Wochen habe ich festgestellt, da tut sich ja was.“ Die Säure veränderte Farben. Verschiedene Blautöne wurden sichtbar, „dann wird es halt plötzlich türkis, die Farben kommen wieder auf ihren Ursprung zurück“, so Adler. Ausprobieren, mit dem Material spielen, experimentieren eben: Adler hat sich so richtig reingekniet in die Auseinandersetzung mit verschiedensten Materialien. „Viele Türkistöne auf meinen Bildern entstehen aus Kupfer, das auf der Leinwand oxidiert und sich zu Grünspan entwickelt. Das kann man selber tatsächlich so regeln, dass man zwischen hellgrün bis dunkelblau alle Töne mit Kupfer herstellt, wenn man das verätzt – je nach Konzentration des Säuregehalts.“ Adler arbeitet gerne mit Strukturen und Symbolen wie Ellipse oder Kreis, die in unterschiedlichen Epochen und Kulturen auftauchen. Die wunderbar leuchtenden Farbpigmente und das Arbeiten mit der reinen, völlig unveränderten Farbe wie etwa in dem Werk „Holy Curtain“ (Heiliger Vorhang) sind das Geheimnis, das hinter der Brillanz und Leuchtkraft vieler seiner Bilder steckt. Adler arbeitete darüber hinaus über die Jahre mit vielen anderen Materialien und chemischen Verbindungen, beispielsweise mit Säure und Schellack, Acrylfarbe, Teer, Kohle, Metallen, Eisen(III)-Chlorid oder Ammoniak – was der Gesundheit schaden könnte, ist inzwischen in den Hintergrund getreten. Doch mit viel Körper-, Material- und Zeiteinsatz baut Adler die Bilder immer noch nach und nach auf. Das Ergebnis sind Arbeiten, in denen viel zu lesen ist über die Welt der Kunsterzeugung und deren einzigartige Effekte, die einen hineinziehen ins Bild. So wie bei den drei Arbeiten mit Wanderern, die sich in einer faszinierenden Kunstlandschaft bewegen.

Rettungsleinen oder alte Seekarten sind zu entdecken

Gez Zirkelbach arbeitet dagegen viel mit Fundstücken, seine Collagen spiegeln das, was uns täglich im Kleinen umgibt, und die aktuellen gesellschaftlichen Ereignisse im Großen wider. Themen wie die zerplatzten Träume von Geflüchteten, das Gestrandetsein auf Lesbos oder der Brand in Moria, die er als politischer Mensch in den Blickpunkt rückt, ergeben „Bilder der Anklage“. Da sind etwa Rettungsleinen oder eine alte Seekarte zu entdecken oder Reste eines Geldbeutels. Und irgendwo spickt auch Picasso hervor, dazu hat Zirkelbach ein Zeitungsbild stark vergrößert und verfremdet. Dass er mit „Spuren von anderen Malerinnen und Malern arbeitet“, ist nicht selten. Gez Zirkelbach verwendet unter anderem Acryl, Lackspray und viele andere malerische und zeichnerische Mittel. Betörend sind auch seine pandemischen Bilder aus den ersten Coronajahren, wobei er den Titel so schreibt, dass gleichzeitig „panische Bilder“ daraus werden. Dass er in seinem Bewegungsdrang eingeschränkt war, darunter litt er. Doch künstlerisch war es für ihn eine sehr produktive Phase. Bilder aus dieser Zeit sind ebenfalls in Backnang vertreten. Genauso wie „Der Geist meiner Biennale“ aus der Serie „Meine eigene Biennale“. „Wenn ich nicht zur Biennale komm’, dann mach’ ich mir halt selber eine“, sagt Gez Zirkelbach selbstironisch lächelnd.

Interessant ist auch die Vorgehensweise, bei der Gez Zirkelbach aus alten Kitschbildern neue kreiert. Die alten Motive werden so lange bearbeitet, übermalt und neu zusammengesetzt, bis das Ergebnis für ihn stimmt. Als Dozent für Malerei, Zeichnung und Performance an der PH Schwäbisch Gmünd bietet er gerade das Seminar „Malerei reloaded“ an. Da geht es genau darum. Die Werke von Gez Zirkelbach und Adler treten in Dialog mit den Radierungen von Helmut Anton Zirkelbach. Auch bei diesem spielen grafische Strukturen, aber auch malerische Elemente eine Rolle. Der Künstler, der bei dem Rundgang nicht dabei war, schreibt auf seiner Homepage: „Inhaltlich ist die Landschaft mein wahres Thema. Für mich geht davon eine ungeheure Faszination aus. Der unendliche Formenreichtum der Natur reizt mich zu Abstraktionen wie zu sehr gegenständlichen Darstellungen. Mit den unterschiedlichen künstlerischen Herausforderungen bleibt es für mich aufregend und... sicher auch für die Betrachter.“

Andreas Heinrich Adler im Helferhaus in Backnang, im Hintergrund ist seine „Wanderer“-Trilogie zu sehen. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Andreas Heinrich Adler im Helferhaus in Backnang, im Hintergrund ist seine „Wanderer“-Trilogie zu sehen. Fotos: Alexander Becher

Ausstellungsdauer bis 5. März

Neue Öffnungszeiten Die Ausstellung im Helferhaus, Petrus-Jacobi-Weg 5, ist von 5. Februar bis 5. März dienstags bis freitags von 16 bis 18 Uhr, samstags von 11 bis 18 Uhr und sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Vernissage ist am Sonntag, 5. Februar, 11.30 Uhr. Die Einführung hält Ulrich Olpp.

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Erstellt:
3. Februar 2023, 11:30 Uhr

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