Gesetze aufs Korn genommen

Der Satiriker Werner Koczwara tritt im Rahmen des Gruschtelkammer-Programms in der Auenwaldhalle auf. Kopfschütteln über Formulierungen in Gesetzestexten zu Themen wie Scheidung und Reisemängel.

Szene aus „Am Tag, als ein Grenzstein verrückt wurde“: Werner Koczwara beim Auftritt in der Auenwaldhalle. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Szene aus „Am Tag, als ein Grenzstein verrückt wurde“: Werner Koczwara beim Auftritt in der Auenwaldhalle. Foto: A. Becher

Von Carmen Warstat

AUENWALD. Als Realist, Kritiker und Satiriker in einem steht Werner Koczwara seit 30 Jahren auf den Bühnen der Republik und ist einem breiten Publikum aus Fernsehprogrammen vom Scheibenwischer über Ottis Schlachthof und Mitternachtsspitzen bis hin zur SWR-Spätschicht bekannt. Als Stammautor beispielsweise von Harald Schmidt, aber auch für die Sendung „Verstehen Sie Spaß?“ hat er sich einen Namen gemacht. Das aktuelle Programm trägt den Titel „Am Tag, als ein Grenzstein verrückt wurde“ und handelt nicht etwa vom Mauerfall. Vielmehr nimmt Koczwara sich realsatirischer juristischer Texte an, trägt Paragrafen und Urteile sowie Urteilsbegründungen vor, um sie im Anschluss sarkastisch, spottend, ironisch zu kommentieren. Er widmet sich „real existierenden Gesetzen“, die der juristische Laie nicht für möglich hält. Abstrus, absurd, abwegig.

Drei der deutschen juristischen Hauptwerke sind schnell vorgestellt: der Schönfelder (Zivil- und Strafgesetze, 4000 Seiten), der Sartorius (Verfassungs- und Verwaltungsgesetze, fast 5000 Seiten) und das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), welches aus dem Schönfelder „ausgekoppelt“ ist. Dem Vergleich mit der Bibel hält es nicht stand, denn die „wurde ins Deutsche übersetzt, das ist der Unterschied“. Koczwara rät: „Vergessen Sie alles, was Sie über Sprache wissen!“ Es gäbe „Schmuckstücke von atemberaubender Schönheit“ im BGB. In Paragraf 919, dem für den Kabarettisten titelgebenden Paragrafen, ist von einem Grenzzeichen die Rede, das „verrückt wurde“, Koczwara schickt es in die Psychiatrie. Laut Paragraf 166 gilt selbiger (Paragraf) nur insofern „das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht“, und in Bezug aufs Thema Testament gibt Koczwara den folgenden Tipp: „Stecken Sie 30 Ex-Frauen in eine Erbengemeinschaft, dann können Sie wahrlich ruhig schlafen.“

Apropos Scheidung – „Eine Ehe kann ferner aufgehoben werden, wenn 1. ein Ehegatte sich bei der Eheschließung im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit befand oder 2. ein Ehegatte bei der Eheschließung nicht gewusst hat, dass es sich um eine Eheschließung handelt.“ Offensichtlich selbst immer wieder ungläubig fuchtelt Koczwara mit dem Zeigefinger, „steht drin, Paragraf 1314 Aufhebungsgründe!“ Die Stimme überschlägt sich.

Oder das Reiserecht. Viele „vorsätzlich sinnlose Klagen“ erklären den juristischen Regelungsdruck. Da wird jemand im kanadischen Winter von der Kälte überrascht oder beklagt den zu schnellen Sonnenuntergang auf Mauritius. Das Büchlein „Reisemängel von A bis Z“ weiß gar von jemandem, der „wegen mangelnder Lebensgefahr während des Abenteuerurlaubs“ klagte. Zwischen die vielen juristischen Splitter schiebt der gebürtige Schwäbisch Gmünder einen „schwäbischen Block“ und allerlei Vermischtes, macht sich ebenso her über die allgegenwärtige schwäbische Sparsamkeit wie über Veganer oder beispielsweise Pubertierende und Donald Trump: „Ein 100-prozentiger Amerikaner ist immer ein 90-prozentiger Idiot“, zitiert Werner Koczwara den Iren George Bernard Shaw.

Was folgt, ist ein Ausflug in die jüngere Geschichte der deutschen Juristerei, und der Künstler fördert Unglaubliches zutage. Noch 1967 war die Ehefrau zu „Opferbereitschaft“ beim Beischlaf verpflichtet, noch 1969 konnte sie sich durch ihr „ständiges Gerede“ auf dem Beifahrersitz an einem Verkehrsunfall mitschuldig machen. Koczwara spricht immer schneller, denn der Beispiele gibt es so viele. Besonders schön gerät die Schilderung gewitzter Reaktionen von Juristen auf sinnlose Klagen. Urteilsbegründungen fallen oft unfreiwillig, manchmal aber auch bewusst komisch aus. Viele Klagen sind so bizarr, dass man wohl nur mit Witz und Ironie reagieren kann und nicht wirklich Jurist sein möchte. Als Zugaben gibt der Künstler noch ein paar Witze zum Besten, alte Hüte zwar, aber gut erzählt.

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Erstellt:
16. Oktober 2020, 06:00 Uhr

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