Kubanisches Feuer im Backnanger Winter

Die Buena Vista Band und die Tanzformation El Grupo de Bailar stecken mit ihrem Temperament die Besucher im ausverkauften Backnanger Bürgerhaus an und bringen den Saal vor Hingabe zum Beben.

Neben der Musik und den Akteuren war auch das Bühnenbild mit imaginierten typischen Hausfassaden in warmem Abendlicht geeignet, Sehnsüchte zu wecken. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Neben der Musik und den Akteuren war auch das Bühnenbild mit imaginierten typischen Hausfassaden in warmem Abendlicht geeignet, Sehnsüchte zu wecken. Fotos: Alexander Becher

Von Carmen Warstat

BACKNANG. Johannes Ellrott freute sich: „Endlich mal wieder ein volles Haus!“ Und in der Tat zog das Versprechen kubanischer Leidenschaft in Musik und Tanz so viele Besucher wie lange nicht mehr ins Bürgerhaus. Begrüßt wurden diese vom Kulturamtsleiter der Stadt sehr temperamentvoll in spanischer Sprache. „Wie geht’s?“, fragte er und das Publikum jubelte schon jetzt. In Havanna war es gerade 12 Uhr und die Temperatur lag bei sonnigen 29 Grad – die Gäste quittierten die Info mit einem einhellig-neidischen Stöhnen.

Der triste Backnanger Winterabend konnte also nur profitieren von dieser Reise in „Eine Nacht in Havanna“, die die Buena Vista Band zusammen mit der Tanzformation El Grupo de Bailar zur Pasión de Buena Vista verschmelzen lassen würde. Saal und Bühne lagen in einem feinen Dunst, gerade so als wollte man die Atmosphäre kubanischer Straßen und Bars herbeizaubern, und das Bühnenbild mit imaginierten typischen Hausfassaden und einem alten Straßenkreuzer in warmem Abendlicht war geeignet, Sehnsüchte zu wecken.

Die Sache mit dem legendären Buena Vista Social Club

Unweigerlich dachte man an den legendären Buena Vista Social Club und abhängig vom persönlichen Geschmack mag man enttäuscht worden sein. Denn auch wenn es Berührungspunkte des einen oder anderen Musikers mit jenem Projekt gegeben haben soll – der Ansatz ist ein ganz anderer, kommerzieller, möchte man meinen, und klischeebeladener. Wirklich alles, was kubanische Identität, Kultur, Lebensart auf den ersten Blick ausmacht, fand sich in Songs und Kostümen, in Erwähnungen und Zitaten wieder. Nur ein Beispiel sind die zu Beginn von den Tänzern getragenen blauen und roten Pionierhalstücher, die – man weiß es nicht – entweder ein fragwürdiges, bereits Kinder politisierendes Schulsystem beschönigen oder vom Stolz auf die erfolgreiche Alphabetisierungskampagne der Revolution erzählen sollen. Die Lebensfreude, mit der die Tänzer und Musiker agierten, lässt auf Letzteres hoffen. Dieses Temperament war ansteckend, auch wenn es wie eine Kopie seiner selbst daherkam. Mag sein, dass die Akteure aufgrund ihres straffen Tourplans in die Routinefalle geraten sind und deshalb trotz aller gespielten Lebendigkeit zuweilen müde und abgeklärt wirkten. Es ist ein Paradoxon. Die musikalische Qualität blieb davon unberührt. Da gab es glanzvolle Höhepunkte wie etwa die Soli auf der genretypischen Tres-Gitarre, einer Gitarre, die mit drei Doppelsaiten bespannt ist und unglaubliche Sounds zu produzieren vermag. Hier und da erklang auch der „Son“, ein Wechselgesang zwischen Sänger und Chor, der von den Zuckerarbeitern im Santiago de Cuba der 1920er-Jahre erfunden wurde.

Aufforderung zum Tanz

Ausgesprochen entspannt und groovend gingen Drums und Percussions dem Publikum in die Glieder, sodass es kaum auf den Stühlen zu halten war. Mehrere Sänger und eine Sängerin gaben alles und moderierten den Abend in einer Mischung aus Spanisch und Englisch. Und wenn die Besucher an der Bitte, in einem Lied mitzusingen, auch scheiterten, bei der Aufforderung zum Tanz sah das ganz anders aus. Die wurde mit riesiger Begeisterung angenommen. Der Saal bebte geradezu vor Hingabe. Wenn es noch eines Beweises dafür bedürfte, dass Musik und Tanz international sind und verbinden, hier war er zu finden.

Neben den Musikern sorgten schöne Menschen in unzählige Male wechselnden Karnevalskostümen dafür, dass die Funken nur so flogen und das kubanische Feuer den gesamten Saal erfasste. Songs wie „Comandante Che Guevara“ und „Guantanamera“ fehlten ebenso wenig wie der Buena-Vista-Social-Club-Klassiker „Chan Chan“ oder das vielfach adaptierte, ursprünglich mexikanische „Bésame mucho“. Besonders berührende Momente bescherten Trompete und Posaune mit ihren gelegentlichen Soli sowie die Sängerin Felicita-Ethel Frias-Pernia, wenn sie in ihren Ansagen sehr charmant von „my Cuba“ sprach.

16 Künstler und Künstlerinnen, Señores und Señoritas haben Johannes Ellrotts Versprechen, an den Backnanger Temperaturen zu arbeiten, mit Leben erfüllt und für viele glückliche Gesichter in ihrem Publikum gesorgt. Sie gewährten eine ausgedehnte Zugabe, die nochmals zum Tanzen einlud, bevor dann doch die Winterjacken und -mäntel geholt werden mussten.

Die musikalische Qualität der Sänger war beeindruckend, auch wenn die Akteure – vielleicht wegen des straffen Tourplans – zuweilen müde und abgeklärt wirkten.

© Alexander Becher

Die musikalische Qualität der Sänger war beeindruckend, auch wenn die Akteure – vielleicht wegen des straffen Tourplans – zuweilen müde und abgeklärt wirkten.

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Erstellt:
7. Februar 2023, 06:00 Uhr

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