Haushalts-Kürzungen
Kultur in Not: Orchester spielt Verdis Gefangenenchor im Stuttgarter Rathaus
Hunderte Kulturschaffende singen im Rathaus den „Gefangenenchor“ – ein eindrucksvoller Protest gegen die geplanten Kulturkürzungen der Stadt.
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Cornelius Meister dirigiert Mitglieder des Opernchores, des Staatsorchesters und zahlreiche weitere Demonstrierende.
Von Katrin Maier-Sohn
Ein Gänsehautmoment am frühen Mittwochmorgen: Hunderte Kulturschaffende sangen und spielten rund um den Weihnachtsbaum im Stuttgarter Rathaus den „Gefangenenchor“ aus Verdis Oper Nabucco – und das gleich fünf Mal. Nach inzwischen über 31.000 Unterschriften für die Petition gegen Kürzungen in den Bereichen Bildung, Soziales und Kultur, einem Auftritt von 400 Künstlerinnen und Künstlern im Anschluss an die „Hamlet“-Premiere im Schauspielhaus sowie gellenden Pfiffen von rund 500 Demonstrierenden am Montag im Rathaus, setzte sich der Protest gegen die geplanten Kulturkürzungen der Stadt damit eindrucksvoll fort.
Cornelius Meister, Generalmusikdirektor der Staatsoper Stuttgart, dirigierte Mitglieder des Opernchores, des Staatsorchesters und zahlreiche weitere Demonstrierende, die mit Liedzetteln ausgestattet das Rathausfoyer füllten – während im oberen Teil des Gebäudes über den Doppelhaushalt 2026/2027 verhandelt wurde. Nach dem ersten Durchgang von „Va pensiero“ ruft Meister in die Menge: „Jede wunderbare Stadt braucht Kultur, und alle, die heute da sind, bezeugen das.“ Die Anwesenden reagieren mit Applaus und Pfiffen.
„Stuttgart als Kulturhauptstadt ist in Gefahr“
Bereits am Montagabend hatte Meister an sein Publikum appelliert. Nach seinem Sinfoniekonzert in der Liederhalle forderte er die Zuhörerinnen und Zuhörer auf: „Nehmen Sie Ihre Handys zur Hand und filmen Sie das, was ich gleich sagen werde. Stuttgart als Kulturhauptstadt ist in Gefahr!“
Die musikalische Intervention findet wenige Tage vor der dritten Lesung des Haushalts am 19. Dezember statt. Die Stadt Stuttgart plant, die Förderung der meisten Kultureinrichtungen für 2026 und 2027 jeweils um sechs Prozent zu kürzen. Die von Stadt und Land je zur Hälfte getragenen Staatstheater Stuttgart sehen sich dadurch mit einem Zuschussminus von 4,4 Millionen Euro im Jahr 2026 und 4,6 Millionen Euro im Jahr 2027 konfrontiert – und müssen zudem fürchten, dass die Landeszuschüsse vertraglich gebunden im gleichen Umfang sinken.
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Insgesamt fünf Mal spielen sie den „Gefangenenchor“ von Verdi.
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Cornelius Meister ist Generalmusikdirektor der Staatsoper Stuttgart.
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„Kunst kommt von Können, nicht von Kürzen“: Kulturschaffende kommen mit Schildern und Bannern ins Rathaus.
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Ab 8.30 Uhr wurde im Rathaus über den Doppelhaushalt beraten.
